Meditation

Wolleball hieß ein kleiner Hund,
Über den ein jeder lachte,
Weil er keine Beine hatte und
So viel süße Schweinereien machte.
Warum ist man überall geniert?
Warum darf man nicht die Wahrheit sagen?
Warum reden Menschen so geziert,
Wenn sie ein Bein übers andre schlagen?
Um dies überschätzte homo sum
Werd' ich täglich wirrer und bezechter.
Ach, die Schlechtigkeit ist gar zu dumm,
Doch die Dummheit ist noch zehnmal schlechter.
Hat der Wolleball von seinem Herrn
Nichts gewußt, nur Launen mitempfunden,
Hatte der ihn andrerseits sehr gern
Und verstand im Grunde nichts von Hunden.
Er ist tot, auf den ich solches dichte.
Mir ist Wurscht, wo sein Gebein jetzt ruht.
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Aber die Pointe der Geschichte
Muß ich sagen: Er war herzensgut.
Und sein Wolleball war gut. Er grollte
Nie. Ein einzig Mal nur biß
Er nach mir, als ich verhindern wollte,
Daß er wieder in die Hausschuh schiß.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ringelnatz, Joachim. Meditation. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-96BA-9