[192] Scherzlied

Freund des Himmels, steht das wol,
Fremde Müh' und Arbeit stehlen?
Solches pfleg' ich zu befehlen
Einem, der bald kläglich sol
Seine Sünd' im Regen büßen
Und uns segnen mit den Füßen.
Ich bekenn', es war ja schlecht,
Was ich dazumal geschrieben; 1
Niemals pflag' ich das zu lieben,
Was ich schreib', als wär es recht;
Auch sogar, daß meine Sachen
Keiner könte besser machen.
Weg mit solchem Uebermut!
Das sind rechte Midasohren.
Andre sind auch keine Thoren.
Solcher Stolz thut nimmer gut.
Der ist billig klug zu nennen,
Der sein' eigne Fehl kan kennen.
Ich weiß wol, Ihr kluger Hahn,
Mich nach meiner Maß zu messen.
Ist es aber unterdessen
Recht und wol von Euch gethan,
Daß Ihr Euch mit Früchten stopfet,
Derer Stamm Ihr nie gepfropfet?
Aber ich erinnre mich,
Daß Ihr seid gewohnt zu liegen.
Was Ihr schreibet von den Kriegen,
Ist das wahr? Ja hindersich!
Wer nun leugt durch all sein Leben,
Ist dem Stehlen auch ergeben.
[193]
Lieget, stehlet! Dieß ist klein,
Bis Ihr größer Lob erwerbet.
Wo Ihr aber vor mir sterbet,
Sol dieß Eure Grabschrift sein:
Diese Dohl', so hier vergaben,
That kein' eigne Feder haben.

Fußnoten

1 »An einen Calendermacher oder Sterngucker, der eines anderen Poetische Gedichte vnter seinem Nahmen pflag hervor zu geben, die doch bereits lengst zuvor vnter deß Autoris Nahmen gedrucket waren.«


Notes
Erstdruck in: J. Rist, Poetischer Lust-Garte, Hamburg 1638.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Rist, Johann. Scherzlied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9B33-4