Fröliche Betrachtung der Gewißheit des zukünftigen ewigen Freüden-Lebens

Dises kan man auch singen auf die Melodei des Lides: Der Tag hat sich geneiget.

1.
Wie magst Du Dich so kränken,
Mein Seelichen, sag' an,
Wen wilt Du das bedenken,
Was Dich erfreüen kan?
Gott wird nach disem Leben,
Wo nichts alß Angst und Pein,
Dir viel ein bessers geben,
Wo lauter Lust wird sein.
2.
Magst Du noch Zweifel tragen
An solcher Herligkeit,
In welcher wir erjagen,
Waß Leib und Seel' erfreüt?
Gott hat ja selbst verheissen,
Daß solch ein Leben sol
Auß aller Angst uns reissen
Und thun uns ewig wol.
3.
Nun, Gott, der kan nicht liegen,
Es weiß Sein treües Hertz
Von keinem Leüt betriegen,
Sein Wohrt ist Ihm kein Schertz:
Waß Er Dir hat versprochen,
Das folget mit der That;
Es wird nicht unter brochen,
Waß Er beschlossen hat.
4.
Waß man alhier auf Erden
Im Glauben guhtes thut,
Sol ja vergolten werden;
Nun aber wird das Guht'
Hier selten angesehen
Mit einem GnadenLohn:
So muß es ja geschehen
Für Gottes FreüdenThron.
5.
Es sitzen hier die Frommen
In Trübsahl und Gefahr,
Den Armen wird genommen,
Was ihnen nöhtig war:
Ei wol, so muß ein Leben
Nach disem sein bereit,
Da Gott wird wieder geben,
Was uns geraubt die Zeit.
6.
Ein Frommer muß sich neigen
In diser argen Welt,
Gerechtigkeit muß schweigen,
Die Warheit wird beschnellt,
Man darf so leicht vernichten
Kunst, Tugend, Zucht und Ehr':
Ei solte Gott nicht richten
Dis alles und noch mehr?
[248] 7.
Er wil ja heftig straffen
Die frechen Sünden Knecht',
Hier aber läst Er schlaffen
Oft sein Gericht und Recht:
So folgt ohn allen Zweifel,
Daß solcher Spötter Lohn
Wird ewig sein beim Teüfel
Mit Marter, Angst und Hohn.
8.
Es ist der Mensch erschaffen
Von Gott zur Seligkeit;
Den hat des Satans Klaffen
In einer kurtzen Zeit
Vom Himmel abgeführet:
Das kan nun nicht bestehn;
Gott wird sein Hertz gerühret,
Er wil uns selig sehn.
9.
Wie solte Gott uns machen
Zu seinem Ebenbild'
Und lassen uns im Rachen
Des Todes? – Nein, so wild
Und hart wil Er nicht handlen;
Den weil Er ewig lebt,
Sol der auch ewig wandlen,
Der stets an Ihm geklebt.
10.
Ward nicht hinweg gerükket
Der Henoch, ward Er nicht
In Gottes Reich verzükket
Uns andren zum Bericht',
Es werd' auch endlich kommen
Der liebe Tag heran,
Daß wir hinweg genommen
Sehn disen Gottes Mann?
11.
Waß dörfte Christus leiden,
Waß hett' auß diser Welt
So schmertzlich müssen scheiden
Der theüre Wunder Held,
Wen wir nun solten leben
In diser Zeit? Ach nein!
Er ist drumb hingegeben,
Wir solten Ewig sein.
12.
Noch besser zu verstehen,
Was uns bereitet ist,
Lasst uns auf Tabor gehen,
Woselbst sich Jesus Christ
Mit grossem Pracht verklähret,
Ja gläntzet wie die Sonn',
Und Petrus der begehret
Zu weichen nie davon.
13.
Der HERR stund zwischen Beiden,
Auch war Elias da,
Und Moses kahm mit Freüden
Den dreien Jüngern nah',
Auch Gott rief selbst von Oben:
Ei solten wir den nicht
Auch werden aufgehoben
Wie Sie zum HimmelsLicht?
14.
Ich habe Lust zuscheiden,
Spricht Paulus, aus der Welt.
Daß nun den Tod zu leiden
So hertzlich Ihm gefält,
Das macht: Er ist gewesen
An einem Ohrt, da wir
In Ewigkeit genesen
Und jauchtzen für und für.
15.
Wie magst Du dich nun kränken,
Mein Seelichen, sag' an?
Auf, auf, itz zu bedenken,
Waß Dich erfreüen kan.
Gott wird nach disem Leben,
Wo nichts als Noht und Pein,
Dir viel ein bessers geben,
Da wird kein Tod mehr sein.

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TextGrid Repository (2012). Rist, Johann. Gedichte. Geistliche Lieder. Fröliche Betrachtung. Fröliche Betrachtung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9B4E-A