Abendlied

Die ihr mit dem Odem linde
Jedes Blümchen küßt und grüßt,
Sagt mir, laue Abendwinde,
Wo ihr jetzt mein Mädchen küßt?
Ob im Spiegel eines Quelles
Sich ihr klares Bildnis malt,
Oder ob das Antlitz helles
Abendrot ihr überstrahlt?
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Ob sie Nachtigallen grüßen,
Wo sie froh durch Büsche eilt,
Oder neue Blumen sprießen,
Wo ihr sanfter Fußtritt weilt?
Flattert zu ihr, laue Winde,
Sagt ihr, daß ich harre schon;
Ihr zum Führer tragt geschwinde
Mit euch meines Liedes Ton.
Durch die blauen Lüfte webet
Abenddämm'rung, ruhig, mild,
Und vom Stern der Liebe bebet
Sanfter Schimmer aufs Gefild'.
Nur wo mich ihr Arm umfasset,
Lächelt mir der schöne Stern,
Und sein hellster Glanz erblasset,
O Geliebte, bist du fern.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Rückert, Friedrich. Abendlied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-A0B4-F