[195] Totenopfer

Meinem Vater muß ich's danken,
Der nunmehr im Grabe ruht,
Daß er nie die kühnen Ranken
Stutzte meinem Jugendmut.
Ihm im Grabe muß ich's danken,
Daß er meine Poesie
Nie begriff und gleichwohl Schranken
Des Verbots ihr setzte nie.
Zwar ich würd' es auch ihm danken,
Hätt' er Schranken ihr gesetzt;
Denn statt unfruchtbarer Ranken
Trüg' ich andre Früchte jetzt.
Doch nun sei auf seinem Grabe
Ihm zum Opfer hingestreut
Meine beste Liedergabe,
Wie sie jeder Lenz erneut; –
Der an meine Sendung glaubte,
Deren Zweck er nicht verstand,
Dem es nicht den Glauben raubte,
Daß sie keinen Glauben fand.
Daß ich früh die Lorbeerkrone
Nicht ersungen, geht mir nah'
Darum nur, daß er dem Sohne
Sie nicht auf der Scheitel sah.
Sollt' ich sie noch spät ersingen,
Wäre das mein schönster Lohn,
Daß du Totenopfer bringen
Sähest den bekränzten Sohn.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Rückert, Friedrich. Gedichte. Lyrische Gedichte. Viertes Buch. Haus und Jahr. Erste Reihe. Eigner Herd. Totenopfer. Totenopfer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-A1AE-8