Schwank: Claus Narren drei verwunderung in der stat Leipzig

Als herzog Fridrich zu Sachsn lag,
der löblich fürst, auf eim lanttag
einsmals zu Leipzig in der stat,
da sich eins tags begeben hat,
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das er anrichtet ein banket,
auf ein abent zu gaste het
die andren fürsten all zu mal,
und all sie aßen auf dem sal
und lebten da frölich und frisch.
als man aber aufhub die tisch,
da wart ein confect aufgesezt
zu einem schlaftrunk, da zulezt
die fürsten an zu reden fingen
von selzam wunderlichen dingen
hin und herwider in den landen,
was wunders eim wer zugestanden
bißher in seinem ganzen leben,
und was selzams sich het begeben,
und brachten vil sach auf die ban.
zuletzt da fieng Claus narr auch an,
den herzog Fridrich gar lieb het,
und ernstlich zu den fürsten ret:
ir herrn, vil dings wundert euch ser,
doch wundern mich drei ding vil mer,
die hie zu Leipzg sint in der stat,
die euer keinr gemeldet hat.
herzog Fridrich der sprach: mein Clas,
so fach an, laß uns hören das,
was dich so großes wunder hat
allhie zu Leipzig in der stat.

Das erste wunder

Claus narr fieng an, sprach: auf mein treu,
erstlich wundert das groß geben,
so die barfußer münich tan
in irem kloster, das sie han
bauet so köstlich außn und innen,
sam solt ein fürst selb wonen drinnen,
mit stuben, küchen, kellr und brunnen,
mit bad künstlich und wol besunnen.
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das nimt mich heimlich großes wunder,
warmit sie doch bauen besunder,
dieweil sie ie kein gelt nicht han;
ir keiner rürt kein pfenning an,
solchs sie in ir profession
in gehorsam verlübet hon,
sich nur mit dem bettel zu neren.
was sie im kloster tun verzeren,
das muß der bettel als hertragen.
ir brüder auf die gart sie jagen
umb kes, eier, schmalz, fleisch und brot
und klagen ser vil hungers not.
derhalb mich großes wunder hat,
durch wen ir herlich bau aufgat;
und wenn mein Fritz ein bau wil fürn,
so muß er sein schatz weidlich rürn,
darmit er die werkleut bezal.
da wil nichts klecken überal;
schlegt er ein bau umb tausent an,
so muß er gwis zwei tausent han;
so vertrogen die werkleut sint,
machen mit gsehnden augen blint.
das nimt mich wunder überaus,
wie die münch mit in bauen haus,
weil sie han weder gelt noch pfant,
sint lauter bettler allesant;
das ist mir wunder über wunder.

Das ander wunder

Zum andern wundert mich besunder,
das hie zu Leipzg der predger orn
teglich verkaufet so vil korn,
das sie groß schetze samlen mit,
und ich hab doch kein münich nit
mein lebtag sehn gen acker farn,
schneiden noch dreschen bei mein jarn,
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samlen doch große schetz daraus
und haben allesamt durchaus
in dem orden die armut gschworn
und sint nun all meineidig worn,
tun nichts den schlafen, freßn und saufen
und terminiern, im lant umb laufen,
im chor metten und vesper singen;
von wann sie so vil treits herbringen,
das kan ich gar nit ausgerechen,
vor wunder wil mein bauch aufbrechen,
wo das treit nemen die fauln laurn.
mein Fritz hat etlich tausent baurn
in seim fürstentum hindn und vorn,
die all bauen weiz, kern und korn,
dinkl und habern, wie tut gebüren,
und all ir gilt gen hof nein füren
von seinem lande umb und um,
und hat doch kaum ein solche sum
von seinen kesten zu verkaufen,
nach dem er speist des hofgsints haufen.
das nimt mich ewig großes wunder.

Das dritte wunder

Zum dritten wundert mich besunder,
das die Damaser münich glat
allhie zu Leipzig in der stat
schweren keuschheit, doch nicht dest minder
haben sie all vil kleiner kinder,
die man in aufzeucht allesant
in der stat und daus auf dem lant,
die all kommen von irem leib,
und hat doch ir keiner kein weib
genommen nie; drumb tu ich fragen:
habens die kinder selber tragen,
oder sints in irm garten gwachsen?
nun hat mein alter Fritz zu Sachsen
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ein schön und wolgeborne frauen.
kan doch mit ir kein sun erbauen,
das er zum lant ein erben het.
wie das aber alles zuget,
ir herren, des berichtet mich,
wan ir vil gscheiter seit als ich,
bit ich euch summa summarum,
das ich meins wundern gar abkum.

Der beschluß

Die fürsten lachten diser schwenk
und waren darbei ingedenk,
das hin und wider im Teutschlant
die bettelorden allesant
mit irer gleißnerei umbzügen
und im bettel zusamen trügen
groß schetz durch mancherlei gespor,
das sies teten den fürsten vor
mit gebeu und wollust oblegen,
wiewol iezunt vor kurzen tegen
so ist der faulen münich haufen
mannicher spulen ler gelaufen,
das in der pracht im teutschen lant
verget, und wirt enger gespant
küchen und keller in alln dingen,
derhalb sie aus den klöstern springen,
sint unleidlich solchs ungemachs,
fliehen das kreuz, so spricht Hans Sachs.

Anno salutis 1563., am 29. tag Januarij.


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TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Schwank: Claus Narren drei verwunderung in der stat Leipzig. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B0BE-9