[298] 36. Der Herbstabend

An Sie.


Abendglockenhalle zittern
Dumpf durch Moorgedüfte hin!
Hinter jenes Kirchhofs Gittern
Blaßt des Dämmerlichts Karmin.
Aus umstürmten Lindenzweigen
Rieselt welkes Laub herab,
Und gebleichte Gräser beugen
Sich auf ihr bestimmtes Grab.
Freundin! wankt, im Abendwinde,
Bald auch Gras auf meiner Gruft,
Schwärmt das Laub um ihre Linde
Ruhelos in feuchter Luft,
Wenn schon meine Rasenstelle
Nur dein welker Kranz noch ziert,
Und auf Lethes leiser Welle
Sich mein Nebelbild verliert:
Lausche dann! Im Blätterschauer
Wird es dir vernehmlich wehn:
Jenseits schwindet jede Trauer;
Treue wird sich wiedersehn!

Notes
Erstdruck in: Lyrische Anthologie, hg. von Matthisson, 1806.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Salis-Seewis, Johann Gaudenz von. 36. Der Herbstabend. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B40A-0