14. Elegie an die Ruhe

1786.


Wie nach dem rötenden Abend die Schnittermädchen sich sehnen,
Also sehnt sich mein Herz, ländliche Ruhe, nach dir!
Dich zu finden, verberg' ich mich gern in entlegener Wildnis,
Wie der Vogel des Forsts unter den Blättern sich birgt.
Hätt' ich ein ländliches Haus, in waldiger Windung des Seethals,
Halb vom glänzenden Grün kühlender Linden verhüllt,
Wo auf schwankendem Sproß sich wiegte der lockende Buchfink,
Oder ein Hänflingspaar baute sein schwebendes Nest:
Dann umflöcht' ich mit hochrot blühenden Bohnen die Gitter
Meines Sommergemachs, daß durch des säuselnden Laubs
Öffnungen blinkte der Mond und der Purpurschimmer der Frühe,
Oder des Sonnenscheins grünlich durchwobenes Gold.
Blühendes Geißblatt verbände des Gartens Lilagebüsche,
Und umatmete süß meine verborgene Bank.
Emsig begöss' ich am Morgen und Abend die dürstenden Nelken,
Träufelt' erquickendes Naß auf das verwelkende Kraut.
Bald bestieg ich selbst die Leiter am rötelnden Kirschbaum,
Bald entriß ich die Nuß ihrem versagenden Stiel.
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Rauschend entstürzten dem Wipfel die purpurwangigen Äpfel,
Oder es tropften ins Gras bläuliche Pflaumen herab.
Ich begleitete gern die Schwade der Mäher im Heumond,
Nähme selber sogar öfters die Sense zur Hand.
Kühlte mit Milch den Durst in des Mittags sengender Schwüle,
Wenn sich des Landvolks Kreis lagert im Schatten des Zauns.
Aus den Töchtern des Landes erwählt' ich eine zum Weibe,
Sittsam wie Veilchen und keusch wie die Viole der Nacht.
O dann lächelte mir ihr Blick in die häuslichen Schatten,
Wie der Dämmerung Stern, Wehmut und liebliche Ruh'! –
Aber was lullst du mich ein in Zauberschlummer der Täuschung,
Nichtige Phantasie? Selten, ach! selten gedeiht
Deine Blüte zur Frucht! Mir ruft die wirbelnde Trommel,
Und der Kanonen Zug klirrt durch die Wölbung des Thors;
Bajonette blitzen in langen, starrenden Reihen,
Hoch vom Flattergeräusch farbiger Fahnen umweht.
Gebt mir die Lanz' und das Schwert, daß ich mich gürte! Mir tönet
Laut die Stimme der Pflicht, lauter der Ehre Gebot.
Fröhlich folg' ich dem Heer in übende Waffengefilde;
Mutiger, ist's mir vergönnt, stürz' ich in Donner und Tod.
Ruhe, dich lieb' ich umsonst! Ich flieh' und wende die Blicke;
Nur noch ein Seufzer entschlüpft mir in betäubendem Lärm,
Wie der entführten Braut im Arme des siegenden Jünglings,
Wenn sie ans heimische Haus zärtlicher Eltern gedenkt.

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TextGrid Repository (2012). Salis-Seewis, Johann Gaudenz von. Gedichte. Gedichte. 14. Elegie an die Ruhe. 14. Elegie an die Ruhe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B41B-8