Der Brief

Nichts ist mir von dir geblieben
Als der Brief, den du geschrieben,
Meines Lebens höchstes Gut;
Mag das Auge mir erblinden,
Tröstung kann ich einzig finden,
Wenn es auf dem Blatte ruht.
Dann erstehn mir sel'ge Stunden
Mit den Wonnen, die geschwunden,
Wieder aus der Totengruft;
Und um meine wehmuttrunkne
Seele hauchen lang versunkne
Lenze ihren Blütenduft.
Ueber mir im Abendwinde
Rauscht das Wipfellaub der Linde
So wie ehmals wiederum,
Als wir Arm in Arm gelegen
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Und nur mit des Herzens Schlägen
Zwiesprach hielten, wonnestumm.
Und dann ist mir, auf dem Blatte
Ruhe neben mir dein Schatte
In dem blassen Dämmerlicht;
O, an ihm im langen, langen
Kusse soll mein Mund noch hangen,
Wenn im Tod mein Auge bricht.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schack, Adolf Friedrich von. Der Brief. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B84C-F