14. Die Erichsburg.

Als die Erichsburg gebaut wurde, sollte auch ein lebendiges einjähriges Kind in dem Fundamente mit eingemauert werden, weil man glaubte, kein Feind könne eine solche Burg einnehmen. Schon war ein neugeborenes Kind hierzu ausersehen und einer Haushälterin übergeben, um es bis zu dem Tage, wo es ein Jahr alt werden würde und eingemauert werden sollte, zu warten und zu pflegen. Die Haushälterin hatte Mitleid mit dem Kinde und [12] bemühte sich mit allem Fleiße desselben bis dahin sprechen zu lehren. Denn das Kind durfte, sollte anders der Zauber kräftig sein, noch nicht sprechen können. Als nun der Tag gekommen war, an welchem das Kind gerade ein Jahr alt war und eingemauert werden sollte, fragte man es: was ist weicher als ein Sammtkissen? »Der Mutter Schoß,« antwortete das Kind. Darauf ward eine zweite Frage an das Kind gerichtet: »Was ist süßer als Milch und Honig?« »Der Mutter Brust,« war seine Antwort. So war das Kind gerettet und ward nicht eingemauert. Die Haushälterin aber nahm es als ihr Kind an und erzog es.

Nach einer andern Ueberlieferung ist wirkich ein Kind im Thurme der Erichsburg, und zwar oben im Thurme, lebendig eingemauert. Wenn der Sturmwind heult, hört man dasselbe laut wimmern.

2.Herzog Erich, der Erbauer der Erichsburg, ward unvermuthet überfallen und in der Erichsburg belagert. Als die Burg sich nicht mehr halten konnte, that die Herzogin vor dem Fürsten, der die Belagerung leitete, einen Fußfall und bat, daß ihr freier Abzug gewährt werden möchte mit dem, was sie im Tragkorbe (Kîpe) forttragen könne. Der Belagerer, welcher glaubte, sie würde ihre Kostbarkeiten einpacken und mitnehmen, gewährte ihr die Bitte. Da nahm die Herzogin ihren Erich, der nicht gar groß war, in den Tragkorb, deckte ein Tuch darüber und ging damit fort. Der Feind hatte dies zwar gesehen, wollte aber sein gegebenes Wort nicht brechen und ließ sie ruhig abziehen. Da wo jetzt auf Hunnesrück die Kirche steht, setzte sie ihn ab, der Herzog aber sprach, indem er aus dem Korbe stieg: jetzt bin ich doch noch Herzog Erich! An der Kirche in Hunnesrück, die er später an der Stelle erbaute, wo er aus dem Tragkorbe gestiegen war, ist er in Lebensgröße ausgehauen.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. A. Sagen. 14. Die Erichsburg. 14. Die Erichsburg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B8BD-F