210. Slepetêwe.

1.

Meines Vaters Großvater, ein Hausschlächter, war dem Trunke sehr ergeben und mishandelte, wenn er berauscht war, seine Frau auf das grausamste. Als er sie einst wieder mishandelt hatte, rief sie in ihrer Noth zu Gott, er möchte doch ihren Mann vom Trinken abbringen. Bald darauf – es war kurz vor Weihnachten – war der Mann nach Portenhagen gegangen, um zu schlachten. Als er zur Nachtzeit, wie gewöhnlich, betrunken nach Hause ging und über den Hainberg kam, lag plötzlich ein großer schwarzer Hund auf dem Wege. Bei diesem Anblick wurde der Mann etwas betroffen, sagte aber doch vor sich hin: »vor mir sollst du wohl liegen,« und ging um den Hund herum. Er mochte etwa zwanzig Schritte weiter gegangen sein, da lag derselbe Hund wieder vor ihm auf dem Wege; abermals ging er um ihn herum. Als er noch eine kleine Strecke gegangen war, lag das Ungethüm wieder vor ihm, und nun schritt er darüber hin. Kaum hatte er das gethan, so saß ihm auch etwas, er wuste selbst nicht was, auf dem Nacken und drückte ihn durch seine Schwere fast zu Boden. So muste er das Ding tragen, bis er vor die kleine Brücke auf der Vogtwiese kam; hier sprang es ab. Als er zu Hause ankam, war er wie aus dem Wasser gezogen, obgleich es so kalt war, »daß die Rinde an den Bäumen knackte.« Er wurde krank und blieb drei Tage sprachlos, betrank sich aber von der Zeit an niemals wieder und mishandelte auch seine Frau nicht mehr.

2.

In Kreiensen begegnete in der Nacht einem jungen Burschen, der mit mehreren Mädchen aus der Spinnstube zurückkam, im Dorfe der slepetêwe und ging immer neben ihm her. Dieß verdroß ihn endlich und er schlug nach dem Hunde, der sehr groß und ganz schwarz war, mit seinem Stocke. Da ward der Hund wüthend und verfolgte den Burschen mit seinen großen glühenden [193] Augen unablässig. Dieser ward bange und kletterte, weil er sich vor dem Hunde nicht anders retten konnte, eine Leiter, die an einen Stall gelehnt war, hinauf und setzte sich aufs Dach. Indem schlug es Eins, da hörte er den Hund vernehmlich die Worte sprechen: »sloig et jetzund nich eine, sau brök ek dek hals un beine.« Damit verschwand er.

3.

Ein Maurergesell, der sich in Immensen verspätet hatte und bei Nacht von da nach Salzderhelden zurückkehrte, traf, als die Glocke eben zwölf schlug, mitten im Brôke, einer sumpfigen Wiese, einen großen schwarzen Hund mit großen feurigen Augen an, der auf den Hinterbeinen saß und ihn unverwandt ansah. So wie der Mann um den Hund herumgeht, dreht sich auch dieser im Sitzen immer mit herum, so daß er ihn stets im Gesichte behält. Der Gesell ist aber ganz still und spricht kein Wort, macht auch keine Miene nach dem Hunde zu schlagen, und so thut ihm der Hund auch nichts. Als er nun von der Stelle schon weit weg ist, hört er es ein Uhr schlagen. Da fällt ihm ein, daß er etwas vergessen habe, geht also zurück, aber der Hund ist spurlos verschwunden.

4.

Am Wege zwischen Dassensen und Wellersen liegt ein Hügel, worauf sich ein umzäunter Garten befindet. Hier geht Nachts zwischen 11 und 12 Uhr ein schwarzer Hund. Einst ging ein Mann des Weges, da fühlt er auf einmal, wie ihm etwas auf den Rücken springt, was wie eine große Last auf ihn drückt, so daß er unter der Bürde keicht und ihm der Angstschweiß hervorbricht. Erst vor dem Kreuzwege vor Wellersen springt das unsichtbare Ding wieder ab, und der Mann sinkt erschöpft nieder. – Der Vater dieses Mannes ging einst auf demselben Wege in Gesellschaft eines andern Mannes nach Wellersen. Bei dem bezeichneten Garten sieht er den schwarzen Hund vor sich dahin gehn, während sein Gefährte nichts sieht; – denn nicht jedem ist die Gabe gegeben gespenstische Wesen zu sehen. Als dieser aber über die linke Schulter des andern sieht, da erblickt er auch den schwarzen Hund.


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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 210. Slepetêwe. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B912-7