75. Der Opferteich in Moringen.

1.

Der Opferteich in Moringen, dessen Tiefe nach dem Volksglauben unergründlich ist, hat seinen Namen daher erhalten, weil früher an demselben geopfert sein soll. Ein daran stoßendes Haus heißt das Opferhaus und hat dieselbe Freiheit von Abgaben, wie der erste Pastor in Moringen. In den Teich ist die Glocke der in der Nähe stehenden St. Martini-Kirche geflogen, als deren Pathe gestorben war. Man hört ihr Geläute noch alle Jahre einmal aus der Tiefe des Teichs herauf schallen.

Einst stieg ein Taucher in den Teich hinab, um die Glocke zu suchen. Anfangs konnte er sie nicht finden; endlich entdeckte er sie, aber sie war mit Ketten angebunden und wurde von einem höllischen Hunde bewacht. Der Taucher ist zweimal auf dem Grunde gewesen und zweimal glücklich wieder heraufgekommen. Als er aber zum dritten Male hinuntergegangen war, kehrte er nicht wieder zurück, und es ließen sich Blutstropfen auf der Oberfläche des Wassers sehen.

2.

Auf dem Thurme der sog. Todtenkirche im Oberdorfe Moringen haben zwei Glocken gehangen, die nicht getauft waren. Diese sind weggeflogen und in den Opferteich gesunken. Hier werden sie von zwei weißen Jungfrauen so lange bewahrt, bis [56] einer herabkommt und ihnen Namen giebt. Ein Wassertaucher, der in einen Korb gesetzt würde, worüber eine Glasglocke wäre, und so in den Opferteich hinabgelassen würde, könnte sie heraufholen, wenn er zuvor gesagt hätte, wie sie heißen sollen. Bis jetzt ist aber noch keiner gekommen; darum sind die Glocken auch noch immer unten auf dem Grunde des Opferteiches.


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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 75. Der Opferteich in Moringen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B9CA-9