115. Die Erdbeeren.

Einst hütete der Kuhhirt aus Delligsen seine Kühe in der Nähe einer sumpfigen Stelle. Er hatte seine damals noch nicht erwachsene Tochter mitgenommen, die noch jetzt lebt. Das Mädchen hatte sich von ihm entfernt, um Erdbeeren zu pflücken. Sie fand an einer Stelle, wo sonst niemals Erdbeeren standen, unvermuthet die allerschönsten Erdbeeren und pflückte davon einen Strauß. Während sie mit dem Pflücken der Erdbeeren beschäftigt war, hatte sich ihr – es war gerade im Mittage – eine weiße Jungfrau unbemerkt genähert und faßte sie hinten am Rocke. Als darauf das Mädchen sich umdrehte, bat die Jungfrau flehentlich, sie möchte sie erlösen. Sie hatte auf den Schultern ein (goldenes?) Tragholz, woran auf jeder Seite ein großer goldener Eimer hing. Das Mädchen aber war vor Schrecken völlig sprachlos geworden, so daß sie die Jungfrau nicht einmal fragte, wie sie erlöst werden könne, und lief spornstreichs hin zu ihrem Vater, dem sie alles erzählte. Dieser versicherte, daß sonst niemals an dieser Stelle eine Erdbeere gestanden habe. Man meint, daß das Mädchen der Jungfrau den Erdbeerenstrauß hätte anbieten müssen. Als das Mädchen so fortlief, jammerte die Jungfrau sehr und rief, daß sie nun erst wieder in vielen Jahren erlöst werden könne.


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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 115. Die Erdbeeren. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BB09-D