139. Schätze nicht gehoben.

1.

In Edemissen schaut eine Frau Mittags aus dem Fenster in ihren Garten, da sieht sie im Garten etwas hell glänzen. Sie geht darauf zu und sieht, daß es ein Topf voll Gold ist, welches sich sonnt. Ein messingener Zapfen liegt oben auf dem Topfe, den nimmt sie zuerst davon und faßt dann den Henkel an, der über dem Topfe ist. Der Topf ist aber zu schwer und sie kann ihn nicht heben. Da nun gerade ihr Mann im Fenster liegt, so ruft sie diesem zu: »Hans, komm und hilf.« Wie sie das Wort ausgesprochen hat, behält sie was sie in der Hand hat, das andere aber versinkt. Sie entdeckt jetzt ihrem Manne, daß der Schatz da steht, und beide suchen nun einen Teufelsbanner auf. Dieser untersucht die Sache und erklärt endlich, der Schatz wäre schwer zu bekommen; wem er bescheert gewesen wäre, der sollte ihn gewahrt haben. Jetzt müsten sie ein gelbes Pferd mit einem schwarzen Streifen über dem Rücken anschaffen und dasselbe an der Stelle opfern, eben so auch einen schwarzen Ziegenbock; dann könnten sie den Schatz noch heben. Sie schaffen die bezeichneten Thiere an und die Hebung des Schatzes soll vor sich gehen; auch [110] der Teufelsbanner ist wieder da. Aber noch ehe sie die Sache vornehmen und die Opfer darbringen können, erscheint der Teufel in Gestalt eines großen Hundes mit feurigen Augen, dem die Zunge Armes lang aus dem Halse hängt. Der Teufelsbanner erschrickt bei diesem Anblicke gewaltig und muß sich erbrechen, so daß er fast zu Boden fällt. Der Hund aber hat zu verstehn gegeben der Schatz käme in menschliche Hände nicht wieder hinein.

2.

Ein Kapuziner aus Hildesheim kam nach der Eisenhütte bei Dassel und bat den dortigen Bergmeister, er möchte ihm doch von seinen Leuten zwölf starke Männer mitgeben, jeder von diesen solle zwei Louisdor dafür von ihm haben. Der Bergmeister war dazu bereit, wenn jener das Geld vorher hinterlegen wolle. Das Geld wurde nun dem Bergmeister übergeben, und der Kapuziner bekam die zwölf Leute. Mit diesen ging er in der Nacht nach der Abbeke, einem Dorfe im Amte Erichsburg, wo er sie erst bewirthen ließ und dann sich mit ihnen nach der Grasbornschen Kirche begab. Hier angekommen, stellte er die zwölf Männer um sich herum in einen Kreis und sagte ihnen, sie sollten sich nur nicht fürchten, möchte auch kommen was da wolle. Dann citirte er den Geist (Teufel), der den Schatz bewachte. Alsbald kam dieser auch in Gestalt eines wilden Ebers und tobte fürchterlich, so daß die Männer alle sehr erschraken. Der Pater aber schlug mit einer Drahtpeitsche auf den Eber und sprach zu ihm, ob er ihm befohlen habe so zu kommen, er solle in menschlicher Gestalt erscheinen. Darauf verschwand der Eber und statt seiner erschien ein Mann in einem grünen Jägerkleide. Diesen fragte nun der Pater, ob er da einen Schatz habe. Der grüne antwortete »ja«. Dann fragte der Pater weiter, was für ein Opfer er für den Schatz verlange; jener antwortete: »einen achtjährigen Knaben und einen schwarzen Ziegenbock ohne ein einziges weißes Haar«. Da fing der Pater an gewaltig zu schelten und sprach: »wer wird dir einen unschuldigen Knaben opfern?« muste aber zuletzt mit seinen Leuten wieder abziehen, ohne den Schatz gehoben zu haben. Die vierundzwanzig Louisdor wurden aber den Leuten richtig ausgezahlt.

3.

Einer Frau in Hohenstedt träumte in einer Nacht, an der »swarten recke« würde sie Gold finden. Da sie in der folgenden Nacht denselben Traum hatte, so erzählte sie denselben einer Nachbarin. Diese sagte ihr, sie möchte, wenn ihr in der [111] nächsten Nacht dasselbe wieder träume, sogleich aufstehen und zu der im Traume erschienenen Stelle hingehn. Als sie wieder denselben Traum hat, steht sie auf und geht nur nothdürftig bekleidet zu der bezeichneten Stelle. Statt des Geldes, welches sie erwartet hatte, sieht sie aber dort einen großen Ochsen mit glühender Zunge und glühenden Augen liegen. Ueber diesen Anblick erschreckt, kehrte sie, statt etwas auf den Ochsen zu werfen, sogleich nach Hause zurück und starb bald darauf.

4.

An der Kêtelhecke auf dem Drâkenberge bei Roringen hatten einst Roringer Bauern Nachts einen Schatz »schimmern« sehen. Sie machten sich nun daran den Schatz zu heben und gruben schweigend ein tiefes Loch. Als sie eine Zeitlang gegraben hatten, stießen sie auf einen verschlossenen Kessel mit zwei Griffen. Um denselben besser emporheben zu können, steckten sie einen dicken Stock durch die Griffe und fingen so an zu heben; als sie den Kessel fast bis zur Oberfläche herausgehoben hatten, sagte einer der Bauern:»nû wil we noch enmâl recht wisse bören.« Aber in demselben Augenblicke sank der Kessel auch wieder in die Tiefe und nur die beiden Griffe blieben an dem Stocke zurück.

5.

Ein Bauer aus Diemarden nimmt nach Tisch die Hacke, um auf seinem Acker ein wenig zu hacken. Wie er damit beschäftigt ist, sieht er den Stiel einer Pfanne aus dem Boden herausstehen. Er hackt das Ding ganz los und es kommt eine Pfanne zum Vorschein, worunter ein Kupferstück liegt. Dann hackt er weiter und findet auch ein Stück Silbergeld; zuletzt stößt er auf einen Topf voll Geld, auf dem oben ein Deckel ist. Schon hat er den Topf fast herausgehoben, da kommt seine Frau und sagt etwas zu ihm. Er will ihr darauf antworten und fängt also an zu sprechen. Sogleich ist der Schatz wieder verschwunden.

6.

Bei Höckelheim sonnt sich ein Kessel voll Gold. Ein Schäfer sieht dieß und geht hin, um den Schatz zu heben. Er hätte auch den Schatz bekommen, wenn er sich nicht umgesehen hatte. Da er dieß aber that, so versank der Schatz wieder und als er nun wieder zu seinen Schafen zurückkam, war sein bestes Schaf todt.

7.

In Lüthorst ist noch ein Wall zu sehen; da hat früher Heinrich von Hommerde gewohnt, ein vornehmer Mann, der immer in der Kutsche zur Kirche fuhr. Von diesem Walle sagen die [112] Leute, daß viel Geld nebst einem goldenen Haspel und einem goldenen Tische darin verborgen sei. Einst gingen Leute dahin und gruben nach, – man kann noch jetzt auf dem Brinke die ausgegrabene Erde erkennen. – Während sie daselbst gruben, wobei sie aber kein Wort sprachen und ein weißes Pferd ihnen fortwährend zur Seite stand, fanden sie sehr viel Geld. Als sie nun eine große Menge beisammen hatten, holten sie einen Wagen mit zwei Pferden, um dasselbe wegzufahren; sie wollten auch das weiße Pferd mit vorspannen, aber dabei musten sie sprechen. So wie sie die ersten Worte sagten, verschwand mit einem Male das weiße Pferd, welches der Teufel selbst war, und auch das Geld war fort.

8.

Einst träumte einem Manne, in einem Berge bei Hardegsen liege ein großer Schatz verborgen, den er heben könne, wenn er auf dem Wege zu dem Schatze und bei dem Ausgraben desselben nicht lachen und nicht sprechen würde. Am andern Morgen machte er sich mit einem Spaten auf den Weg um den Schatz zu heben. Plötzlich sah er einen großen Wagen mit Heu beladen daher kommen, der von zwei Enten gezogen wurde und unaufhörlich von einer Seite zur andern schwankte. Auf den Köpfen der Enten saßen ganz kleine Männer, die allerlei wunderliche Possen trieben, und hinter dem Wagen kam ein langer Zug eben so kleiner Leute, die sich auf jede Weise bemühten ihn zum Sprechen oder zum Lachen zu bringen. Er ließ sich aber durch diesen und jeden andern Spuk, der ihm begegnete, nicht irre machen und kam glücklich an der Stelle an, wo der Schatz liegen sollte. Er hatte dort noch nicht lange gegraben, als er vor einer eisernen Kiste mit Gold stand. Weil sie ihm zu schwer war, schüttete er das Loch wieder zu, ging nach Hause und überredete einige seiner Freunde mit ihm zu gehn. Als alle am Tage darauf ungeachtet des wiederholten Spukes glücklich an der Stelle angekommen waren und die Kiste eben herausheben wollten, erschien in dem Loche plötzlich ein riesiger Kopf, der eine außerordentlich lange Nase hatte. Da nahm einer der Männer seinen Spaten und warf ihn mit einem kräftigen Fluche gegen den Kopf. Kaum war dieß geschehen, so war die Erscheinung verschwunden, aber auch von dem Schatze war nicht die geringste Spur mehr zu sehen.

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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 139. Schätze nicht gehoben. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BB89-B