197. Die schwere Gans.

Ein Nachtwächter in Hildesheim sah, als er eben bei der Andreaskirche die Zwölfe ausgebracht hatte, auf der Kirchhofsmauer eine große fette Gans sitzen. Da dachte er: »wenn du keinen Herrn hast, will ich dein Herr sein,« nahm die Gans unter den Arm und trug sie nach seinem Hause. Unterweges wurde sie immer schwerer und schwerer, so daß er sie kaum bis zu seiner Wohnung schleppen konnte. Er rief nun seine Frau, welche mit ihm die schwere Gans in den Schweinestall brachte. Hierauf verriegelten sie die Thür und freuten sich nun beide auf den leckern Braten. Am andern Morgen stand der Nachtwächter ganz früh [181] auf, wetzte sein Messer und ging vor den Schweinestall um die Gans zu schlachten: aber er erschrak sehr, als er statt der Gans ein altes Weib darin fand, die ihn wie mit Katzenaugen grimmig ansah. »Warte, Du Dachhexe (dâkhexe)!« rief der Nachtwächter, als er sich von seinem Schrecken etwas erholt hatte, nahm eine Mistgabel und warf damit die Hexe über den Zaun. »Siehst du,« sagte seine Frau, »unrecht Gut gedeihet nicht!« »Das ist wahr,« sagte der Mann, und hat nie wieder eine Gans von der Kirchhofsmauer mitgenommen. Wenn er aber Nachts dort eine sitzen sah, so schlug er ein Kreuz und machte, daß er fortkam.

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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. A. Sagen. 197. Die schwere Gans. 197. Die schwere Gans. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BD77-1