1.
Eine arme Frau aus Lauenberg war einst nach dem sog. Burghalse gegangen, um daselbst Holz zu lesen. Da kurz vorher ihr Mann gestorben war, so weinte und jammerte sie laut. Wie [121] sie so jammerte, kam aus einer Spalte des Berges ein Zwerg heraus und fragte sie, was ihr fehle. Sie erzählte nun dem Zwerge alles; dieser hatte Mitleid mit ihr und schenkte ihr einen Kloben (ene dîfze) Flachs; davon solle sie nur, sagte er ihr, alle Tage spinnen. Die Frau ging mit dem Geschenke nach Hause, bezeichnete sich aber, ehe sie wegging, noch die Stelle, wo der Zwerg aus dem Berge herausgekommen war, mit einem Stocke, den sie in den Boden steckte, um so den Eingang in den Berg leichter wiederfinden zu können. Eine Zeit lang spann sie fleißig und es ging ihr gut, dann aber ward sie übermüthig und verlor durch eigene Schuld das Geschenk wieder, welches ihr der Zwerg gemacht hatte. Bald kam sie von neuem in Noth und beschloß deshalb wieder nach dem Burghalse zu gehen und den Zwerg zu bitten, daß er ihr noch einmal etwas schenke. Als sie aber zu der bezeichneten Stelle kam, standen da viele Stöcke umher, so daß sie den von ihr eingesteckten nicht wieder erkennen und den Eingang in den Berg nicht finden konnte. Unverrichteter Sache muste sie nach Hause zurückkehren.