76. Der Glockensumpf bei Grone.

1.

Die Glocke im Kirchthurm zu Grone ist ungetauft gewesen. Da erhebt sich in der Nacht ein furchtbarer Sturmwind und weht dieselbe weit weg an die Stelle, welche jetzt der Glockensumpf einnimmt, wo sie in die Erde versinkt. Es ward nachgegraben, aber man konnte die Glocke nicht wiederfinden. Da meldete sich ein Mann, der bereit war hinabzusteigen; wenn er die Glocke gefunden hätte, so wollte er das eine Ende des Seils darum schlingen und alsdann ein Zeichen geben, damit sie aufgezogen würde: nur dürfe dabei kein Wort gesprochen werden. Er stieg hinunter und fand unten einen schwarz gedeckten Tisch, worauf die Glocke stand. Er »seilte« dieselbe und gab dann das Zeichen zum Hinaufziehen; da sprach aber einer der obenstehenden Bauern: nur zu! und in demselben Augenblicke reißt das Seil und dem Manne wird der Hals umgedreht. Auf diese Weise ist der Glockensumpf entstanden, woraus die Grone ihren Ursprung nimmt.

2.

Hetjershausen ist früher katholisch gewesen. In jenen Zeiten hatte das Dorf eine schöne Kirche mit drei stolzen Glocken. Die jetzige Kirche dagegen, welche vor etwa funfzig Jahren erst gebaut wurde, ist unansehnlich und hat nur eine Glocke. Die eine von den drei Glocken, welche nicht getauft war, ist in den Glockensumpf geflogen, und zwar an die Stelle, welche das grundlose Loch heißt, worin sich auch von Zeit zu Zeit Menschen, die ihres Lebens überdrüssig geworden sind, ersäufen. Diese Glocke hat man niemals wieder zu Tage bringen können. Die zweite wollten die Franzosen rauben und hatten sie auf einen Wagen geladen, aber trotz dem, daß sie zehn Pferde vorgespannt hatten, konnten sie dieselbe doch nicht weiter schaffen als bis zum Rothenberge (etwa eine halbe Stunde von Hetjershausen) und [57] musten sie da stehen lassen. Von da brachten die Hetjershäuser die Glocke mit zwei Kühen, welche sie vorgespannt hatten, in das Dorf zurück. Diese ist aber jetzt nicht mehr vorhanden und kein Mensch weiß, wo sie geblieben ist; nur die dritte Glocke ist allein noch im Thurme.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 76. Der Glockensumpf bei Grone. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BE62-7