182. Stöpke.

Stöpke oder Stepke, auch Glûswanz, Füerdrake oderTeckelmucker heißt der Teufel, der glühend mit einem langen Schwanze durch die Luft fährt und den Menschen, die mit ihm in Verbindung stehn, allerlei Dinge, Geld, Butter, Speck, Schinken und dergleichen durch den Schornstein zuführt. Ruft man ihm, wenn man ihn erblickt, half part! zu, so muß er von dem, was er trägt, einen Theil fallen lassen; trägt er zufällig nichts, so läßt er einen entsetzlichen Gestank zurück.

1.

Einst fuhr der Füerdrake vor den Augen vieler Menschen im Dorfe Holtensen in den Schornstein eines Hauses hinein. Am andern Tage verkaufte die Frau des Hauses funfzig Pfund Butter und galt deshalb bei den Bewohnern des Dorfes allgemein für eine Hexe, die mit Stöpke in Verbindung stehe.

Als Teckelmucker einst einem Bauern in Eilensen etwas gebracht hatte, war der Baum, welcher vor dem Hause stand, ganz glühend.

2.

Einem alten Weibe brachte Stöpke, mit dem sie in Verbindung stand, immer verschiedenartige Sachen durch den Schornstein ins Haus, so daß sie herrlich leben konnte und auch andere Leute damit aufs beste tractierte. Einer von diesen wollte nun [163] einmal darüber Gewisheit haben, ob der Frau wirklich alles von Stöpke zugetragen würde: er machte sich also heimlich in ihre Küche, versteckte sich darin unter einem Fasse und guckte durch das Loch, worin der Zapfen sitzt. In der Nacht kam Stöpke auch wirklich mit einer großen Tracht durch den Schornstein in die Küche. Er merkte aber bald Unrath und sagte, es wären zwei Augen zu viel da. Die Frau, welche von nichts wuste und auch bei allem Umhersuchen in der Küche keinen Menschen finden konnte, versicherte dagegen, daß außer ihnen beiden niemand in der Küche wäre. Da gab er dann seine Sachen hin. In demselben Augenblick aber regte sich der Mann unter dem Fasse und wurde entdeckt. Da drehte Stöpke der Frau auf der Stelle den Hals um und fuhr dann durch den Schornstein wieder hinaus.

3.

Mehrere Jungen hüteten einst in der Nacht am Berge über Dörrigsen die Pferde. Da sahen sie mit einem Male Stöpke von Lüthorst herüber auf Dörrigsen zukommen. Sie wollten nun sehn, in welches Haus er führe, und liefen ihm deshalb in das Dorf nach. Da gab aber Stöpke dem einen Jungen einen Schlag an den Kopf, daß er betäubt zu Boden fiel.

4.

Vor zwei Jahren hüteten mehrere Jungen zwischen Hohnstedt und Vogelbeck bei Nacht die Pferde. Auf einmal sahen sie den Teufel durch die Luft dahin ziehen und riefen ihm zu: »half part!« Da warf er ihnen ein großes Stück Fleisch herunter, – Pferdefleisch war es nicht. In der nächsten Nacht ging ein Mann aus Hohnstedt nach Vogelbeck und kam an derselben Stelle vorüber. Plötzlich sah er vor seinen Augen etwas aus der Luft niederfahren: als er genau hinblickte, sah er dicht an einer Hecke den Teufel stehn. Er war wohl zehn Fuß groß, hatte Augen von der Größe eines Eimerbodens und war so glühend, wie eine helle Feuerflamme.

5.

Zwei Männer, ein Pietist (penetist) und ein anderer, gingen bei Nacht auf dem Wege nach Lauenberg. Als sie aus dem Walde traten, sahen sie Stöpke in der Richtung nach Mark-Oldendorf durch die Luft fliegen. Der eine von ihnen rief ihn an: »Satan, wo willst du hin?« Jener antwortete, er wolle nach Mark-Oldendorf und etwas zur Hochzeit dorthin bringen. Darauf rief ihm der Mann wieder zu, er solle, was er trage, abwerfen. Doch Stöpke bat, er möchte es ihm lassen, er habe versprochen es zu einer Hochzeit zu bringen. Der Mann stand [164] jetzt von seiner Forderung ab und verlangte nur, daß er von allem den vierten Theil herunter werfe. Dieß that Stöpke auch und warf nun Kaffee, Zucker, Rosinen, Braten u.a.m. herunter. Die beiden Männer nahmen das, was er herabgeworfen hatte, nicht gleich mit, weil sie meinten, »es möchte nicht rein sein«; als sie aber am andern Tage wieder zu der Stelle gingen, um es zu holen, war alles verschwunden.

6.

Vor etwa hundert Jahren kam der Wirth auf dem Klapperthurm bei Einbeck, Namens Bodenwald, der auch zugleich Frachtfuhrmann war, mit seinem Gespann über Ammensen zurück. Zwischen Ammensen und Einbeck gesellten sich zwei Jesuiten (Jêsûîters) zu ihm. Diese baten ihn, er möchte sie auf seinen Wagen steigen lassen, sie wären schon weit gegangen und sehr ermüdet. Bodenwald erlaubte es ihnen und fuhr weiter. Nach einer Weile sahen sie eine feurige Masse, wie ein Heu-Wiesbaum (wesbâm), durch die Luft fliegen. Die Jesuiten sagten zum Fuhrmanne, das sei der Teufel, ob sie ihn einmal anrufen sollten. Er bat sie das zu lassen, sie thaten es aber dennoch. Auf ihren Anruf kam der Teufel sogleich aus der Luft herunter und stand in Menschengestalt vor ihnen. Sie fragten ihn nun, wohin er wolle und was er da habe; er antwortete, er wolle zu einer Hochzeit und eine Tracht Geld dahin bringen. Nun fragten die Jesuiten den Fuhrmann, ob er das Geld haben wolle, es schade seiner Seele Seligkeit nichts, das habe der Teufel aus der See geholt. Doch dieser sagte nein, und nun befahlen die Jesuiten dem Teufel wieder fortzugehen. Darauf ward dieser sogleich wieder zum Wiesbaum und flog davon.

7.

Ein Schäfer sah einst Nachts zwischen 11 und 12 Uhr, als er in seiner Karre saß, Stöpke mit seinem langen glühenden Schweife durch die Luft dahin ziehen. Alsbald rief er ihm zu: half part! Der Teufel bat ihn darauf, er möchte ihm doch das lassen, was er trüge; er wollte es zu einer Kindtaufe bringen, wo es sehr nöthig wäre. Der Schäfer ging aber darauf nicht ein, und so warf jener dann Speck, Wurst, Käse, Butter und allerlei Speise herunter. Nach einiger Zeit kam Stöpke wieder vorbei und sagte zu dem Schäfer, er möchte doch noch einmal »half part« rufen. Doch dieser erwiederte, er habe noch Vorrath und bedürfe daher jetzt nichts. Da warf Stöpke einen Mühlenstein aus der Luft herunter, der auf die Deichsel der Schäferkarre fiel und sie [165] zerschmetterte. Hätte der Schäfer»half part« gesagt, so würde Stöpke ihn mit dem schweren Steine zu Tode geworfen haben.


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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 182. Stöpke. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BF0B-3