8. Das Fräulein von Bomeneburg.
In der Nähe von Wiebrechtshausen liegt der Retoberg (Reteberg); mitten im Retoberge aber auf einer kleinen Anhöhe ist der sog. Altar des Reto, jetzt nur noch ein Loch. Von diesem Retoberge geht alle Jahre in der Osternacht eine schöne Frau, welche heftig weint, hin zur Ruhme und wäscht sich daraus. Das Mädchen oder die Frau, welche hinterhergeht und sich nach ihr aus dem Flusse wäscht, erhält dadurch wunderbare Schönheit. Die schöne Frau aber ist die Tochter des Ritters von der Bomeneburg, welche zwischen Nordheim und dem Nordheimer Brunnen gelegen haben soll. Sie hieß Kunigunde und wollte sich nicht zum Christenthume bekehren. So verlobte sie sich denn mit einem fremden Ritter, der ebenfalls vom Christenthum nichts wissen wollte. Dieser bestimmte den Tag der Hochzeit, machte aber die ausdrückliche Bedingung, daß er nicht in der Kirche getraut würde. Der Hochzeitstag war gekommen, aber den ganzen Tag über erwartete die Braut ihren Bräutigam vergebens. Draußen wüthete ein furchtbarer Sturm. Endlich kam um Mitternacht unter Donner und Blitz der Bräutigam, ganz in schwarzer Rüstung, durch das Fenster herein, nahm sie trotz ihres Sträubens mit sich, und keiner hat sie wieder gesehen. Er brachte sie dann in den Retoberg, worin sie jetzt noch wohnt und aus dem sie nur einmal im Jahre herauskommen darf, um an die Ruhme zu gehn und sich da zu waschen.