[59] [61]Paul Scheerbart
Die Mopsiade

[61] [63]Mopsiade

Für den ersten Welterlöser
Muß ich mich natürlich halten.
Also sprach der kleine Mops,
Der zu Hause lebt von Klops.

[63] Das quiekende Ei

Und wärmer wird's im Frühlingswald.
Die alte Sonne scheint nicht kalt,
Sie scheint wie tausend Öfen.
Im Wasser lag das weiße Ei.
Es quiekte auf dem Schreibtisch
Eine schöne Dichterei.

[64] Maßlied

Liebe, labe, lobe mich!
Aber nicht so fürchterlich!
Denn die großen Freuden
Sind mir viel zu viel ...
Lebe, liebe dich nur aus –!
Doch mit Laben, Loben halte Haus!

[65] Schlingwahn!

»Alte Jacken!« »Alte Jacken!«
Ruft das alte Weib.
Und es bläst in ihren Nacken
Der Hansnarr zum Zeitvertreib.
»Laßt ihn blasen!« »Laßt ihn blasen!«
Schreit das alte Weib.
Und sie setzt sich auf den Rasen
Mit dem alten Leib.
»Grüß den Springhahn!« »Grüß den Springhahn!«
Krächzt das alte Weib.
Und sie singt von einer Hinkbahn,
Sagt zum Narren: »Bleib!«
»Auf zur Hinkbahn!« »Auf zur Hinkbahn!«
Blärrt das alte Weib.
Doch der Narr sagt: »Nur der Schlingwahn
Ist ein dummer Zeitvertreib.«
[66]
»Alte Jacken!« »Alte Jacken!«
Preist das alte Weib.
Doch der Narr sagt: »Laß die Schnaken!
Denn die füllen keinen Leib.«

[67] Was ist ein Original?

Was ist ein Original?
Ein Ei ohne Schal'. –
Zum Fressen für die Helläugigen ...
Wie lebt ein Original?
In Angst und Qual. –
Schließlich, schließlich wird's nur
Gefressen von den Helläugigen ...
Wer sieht dann das Original?
Was weiß ich?
Fürchterlich – fürchterlich –
Ein Ei ohne Schal'.
Ich weiß – ich weiß:
Nur eine Rettung gibt's –
Kocht hart, kocht hart
Das Ei ohne Schal'!
Laß dich vom rauhen Leben
Hart kneten, du Original!
Dann liegst du den Helläugigen
Recht schwer im Magen –
Sie können dich dann nicht vertragen.

[68] [70]Noch ein Mal!

Laß dich noch ein Mal
im tollsten Rausche
Verzückt umfangen –
Laß dir noch ein Mal
So selig küssen
Auf Hals und Wangen –
Laß mich noch ein Mal,
Ach nur noch ein Mal
Zu dir gelangen –
Hurrah!

[70] Der große Mann und der Schlaukopp oder
Der gegenseitige Kultus

»Mein Freund, Du bist der größte Mann!
Es zweifelt keine Seele dran!
Ich lese jedes Wort von Dir.
Die Andern liefern nur Geschmier.
Du bist der Einz'ge, der was kann!
O glaub's, Du bist der größte Mann!
Was Andre reden, ist nur Quatsch.
Drum reich mir freundlich Deine Patsch!
Wir gründen einen Männerbund
Und hauen los auf jeden Schund!
Damit man endlich doch mal seh,
Worin die wahre Kunst besteh!
Und will einmal ein Schweinehund
Verhöhnen unsern Männerbund,
So kommen wir mit Knüppeln an
Und zeigen, was ein Mann noch kann.
Vor uns muß Jeder tief sich bücken
Und dabei weg sein vor Entzücken!«
[71]
So sang voll Hohn ein Bösewicht
Dem Freunde Süßes ins Gesicht.
Und dieser Gute merkte nicht,
Wie leicht das Süße an Gewicht.
»Der größte Mann«, rief er voll Stolz,
»Der sei jetzt länger nicht von Holz!«
Und er begann vergnügt zu zechen
Und mußte schrecklich dabei blechen.
Der Bösewicht, der freut sich drob,
Er wird beim zwölften Glase grob.
Jedoch der größte Mann vergißt,
Daß ihm sein Freund oft lästig ist.
Er freut sich seines großen Ruhms,
Gedenkt nicht seines Eigentums.
Bald ist sein Hab und Gut verschwendet.
Der Bösewicht sich von ihm wendet.
Denn große Männer ohne Geld
Sind doch das Schlimmste in der Welt.
So geht's dem Dummen, der gemütlich
Des Freundes Lob hält für sehr gütlich!
Der Schmeichler ist ein Bösewicht –
Oh, kluger Mensch, vergiß das nicht!
Auch arme Menschen sollen lächeln,
Wenn sie ein Schmeichler will umfächeln.
[72]
Verrate deine Größe nie!
Sei nur ein heimliches Genie!

[73] Die Galle

Ein Tafelgedicht


Mit Euch an einem Tisch zu sitzen
Macht mir den größten Höllenspaß.
Ich träume schon von Euren Witzen.
Wohl dem, der mit Euch Austern aß.
Denn was Ihr trinkt
Ist pure Galle.
Und was Ihr eßt
Ein alter Quark.
Recht grob möcht ich Euch Allen sagen,
Daß Ihr mir nie mehr könnt behagen.
Ihr seid das Luderpack der Welt
Und habt mir manchen Tag vergällt!

[74] Sommernacht

Nun laßt uns wieder preisen
Die große prächtige Sommernacht!
Nun laßt uns wieder trinken
Den schweren Feuertrank!
Nun laßt uns wieder jubeln!
Wir sind ja gar nicht müd und krank.
Nun laßt uns wieder dichten
Den wildesten tollsten Bacchantengesang!
Nun laßt uns lustig selig sein!
Wein! Wein in die alte Laube hinein!
Schon funkeln die Sterne da oben.
Hei! Stürmisch das Glas erhoben!
Sommernacht, sei gepriesen!
Die bunten Lampen bringt auch herbei!
Und auch die besten Zigarren!
In einer prächtigen Sommernacht
Soll man prassen, schlemmen und schwelgen!

[75] Der springende Ton

Der springende Ton,
Der springende Ton,
Der ist mein Sohn!
Und ich bin seine Mutter.
Die backt mit guter Butter
Für ihren Sohn,
Den springenden Ton
Kuchen! – Kuchen!
Daß er sich freuen kann. –
Er wird ein großer Mann –
Mein lieber Sohn,
Der springende Ton!
Der braucht ein gutes Futter!
Das backt ihm seine Mutter!
Schweige du Hohn!
Es lebe mein Sohn!

[76] [78]Manches Gedicht

Manches Gedicht mit viel Genie
Ist nur Verhöhnung der Poesie.

[78] Die letzten Trümpfe

Überwinden, überwinden
Wollen wir die letzten Trümpfe.
Und wenn wir das Letzte finden,
Machen wir uns auf die Strümpfe.

[79] Die Reifen

Diese Welt besteht aus Reifen,
Die voll Ärger immer pfeifen,
Daß sie Garnichts mehr begreifen!
Sollen sie sich weiter schleifen,
Dürfen sie sich nicht versteifen
Auf das ewig dumme Keifen!
Laßt sie täglich anders pfeifen –
Sonst gehören diese Reifen,
Die uns immer wieder kneifen,
Nicht zu jenen guten Pfeifen,
Deren Wohlklang wir begreifen.

[80] Kein Gedicht

Ich möchte so gern wie ein Vogel
Durch die Lüfte fliegen.
Ich möchte so gern wie ein Löwe
In der Wüste liegen.
Ich möchte so gern wie ein König
die lange Weile besiegen.
Doch der Glanz der ewigen Sonnen
Begeistert mich heute nicht.
Ich habe Vieles begonnen.
Doch das macht noch kein Gedicht.

[81] Das Festland

Tief unten, wo die Zwerge
Hämmern und feilen,
Muß man eilen.
Hoch oben, wo die Adler
Jagen und morden,
Muß man auch eilen –
Nur auf dem Festlande
Kann man ruhig sitzen,
Ohne zu schwitzen –
Man kann da auch liegen.
Ja, ein Festland ist das feste Land!
Wüßt ich nur, wo das Festland liegt!

[82] ???

Und laßt Ihr mich allein,
So will ich mich nicht haben!
Ich werde mein Pein
Schon selber mal begraben.

[83] Frühling

(Parodie auf die Belebung der Blasierten)


Das soll mein feinster Frühling sein!
Es leuchten tausend Sonnen,
Und hinter den Bergen
Wogen die Meere des ewigen Sommers.
Ich komme noch hin.
Ich komme mit Welten
Und lache gewaltig.
Die Berge sind hoch,
Aber rüber komm ich doch.
Tausend Sonnen beleuchten
Den wilden höckrigen Pfad.
Das soll mein feinster Frühling sein.
Das Sonnenlicht macht Alles rein.
Alte, alte Wunderwelt!

[84] Nun geh zur Ruh

Nun geh zur Ruh!
Es ist schon spät,
Nun träume deinen Traum,
Die Welt ist gut,
Die Nacht ist kurz.
Nun träume deinen Traum
Von Liebeslust
Und Seligkeit
Und freundlichen guten Augen
Träume! Träume
Von allen denen,
Die du liebst,
Damit sie dich
Auch lieben –

[85] [87]Ein Abschiedsvers

Weit in die Welt
Spring nur hinein
Mit wildem Geschrei!
Liebst du die Welt?
Spring nur hinein!
Das Leben lacht!
Grüße die Welt!
Fall nur hinein!
Mein Leben lacht nicht!
Das wird ein Gedicht
Und muß ernster sein.
Weit in die Welt
Spring nur hinein!
Ich bleibe zurück
Und wünsche dir Glück!

Notes
Erstdruck: Berlin (Alfred Richard Meyer) 1920.
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TextGrid Repository (2012). Scheerbart, Paul. Die Mopsiade. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C102-8