Die Heimkehr

Der Pfarrer von Aßmannshausen sprach:
»Die Welt steckt tief in Sünden,
Doch wo der Meister Josephus steckt,
Weiß keiner mir zu künden.«
Und als man rüstet auf Weihnachtzeit,
Da war der Rhein gefroren,
Da stund ein Mann in Pilgramskleid
Wohl vor des Pfarrhofs Toren:
»Herr Pfarr', Ihr sollt mir Indulgenz
Und sollt mir Ablaß spenden,
Daß sich mein arm trübtraurig Herz
Zu neuer Freud' mag wenden.
Herr Pfarr', es war nicht wohlgetan,
Vom rheinischen Land zu scheiden,
Man trifft halt doch kein zweites an,
So weit man auch mag reiten.
Bis hundert Stunden hinter Lyon
Bin ich ins Frankreich kommen,
Manch gutes Frühstück von Austern und Sekt
Hab' ich zu mir genommen.
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Ich hab' zu Marseille im Café Türk
Unter Heiden und Mohren gesessen,
Ich hab' am Pyrenäengebirg'
Lauch und Garbanzos gegessen.
Noch saust der Kopf mir, wenn ich gedenk'
Der Seealpenmaid Filumene:
Zigeunerbraun Antlitz, kohlschwarzkraus Haar,
Wie Elfenbein glänzend die Zähne.
Doch verpecht und verschwefelt ist alles Land
Ohne Freunde und Lieder und Liebe;
Vom Fieber geschüttelt und abgebrannt
Kehr' ich heim aus dem fremden Getriebe.«
Der Pfarr' von Aßmannshausen sprach:
»Wohlauf, bußfertige Seele,
Mit unserm altheiligen Purpurwein
Salbe dir Lippen und Kehle.
Zu demselbigen Wein drei Tag, drei Nacht
In dunkelen Keller dich schließe
Und halt' bei den Fässern trinkend Wacht,
Daß Gnade sich über dich gieße.
In Krone und Anker ergib dich sodann
Den geistlichen Übungen fleißig,
Und erst bei des nächtlichen Wächters Nahn
Dem Chorgesange entreiß' dich.
Dann wird der Himmel ein Zeichen tun,
Er läßt keinen Büßer verderben:
Ein lichtes Weingrün, ein dunkles Rot
Wird Nase und Stirn dir färben.
Und prangt dein Gesicht in solchem Ton,
Dann wird dein Trübsinn sich hellen,
Dann magst du, o lang' verlorener Sohn,
Den alten Freunden dich stellen.
[95]
Wir sind die Alten; noch klingen beim Wein
Die Lieder von damals zu Berge,
Vom ›Spatzen‹ und vom ›Stieglitz fein‹
Und der ›sommerverkündenden Lerche‹.
Wir sind die Alten, wir haben dich gern;
Laß das Herz nicht von Kummer umnachten:
Und hätt'st du noch ärger geschwärmt in der Fern',
Ein Kalb auch würden wir schlachten.«
Da seufzte der Pilgram mit Tränen im Aug':
»O Pfarr' von Aßmannshausen,
Wie Ihr, gottwohlgefälliger Mann,
Sprach keiner mit mir da draußen.
Nun stoß' ich meinen dürren Stab
In diese geweihte Erde,
Daß er in neuem Blatt und Laub
Ein Schattendach mir werde.
Nun ströme, du rheinisch Traubenblut,
Du Hort unsäglicher Gnaden;
In deiner verjüngenden Feuerflut
Will ich gesund mich baden.«

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Scheffel, Joseph Viktor von. Die Heimkehr. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C24B-B