[369] An den Dichter des Lacrimas

Du kennst wohl jene Frucht der sonn'gen Zone,
Die aus dem goldnen Schooße grüne Sproßen
Empor läßt, wie zum Palmenwipfel, schoßen,
Daß unter schatt'gem Baldachin sie throne.
Doch schafft, getrennt von ihrer Frucht, die Krone,
Sich, wurzelnd, neu den würzigen Genoßen,
Bewährend, daß, gleich durch sie hin ergoßen,
Die süße Kraft im Kern, im Schmucke wohne.
So, Freund, will deine Dichtung mir gemuten:
In jugendlicher Frühlingspracht verborgen
Hegt sie des fernen Himmelstrichs Arome.
Hier duft'ges Abendland, dort glühnder Morgen;
Dazwischen hauchen Lüft' und Meere fluten
Hin und zurück mit linder Sehnsucht Strome.

Notes
Entstanden 1802. Erstdruck in: Lacrimas, ein Schauspiel [v. W. Schütz], hg. von A.W. Schlegel, Berlin 1803.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schlegel, August Wilhelm. An den Dichter des Lacrimas. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D194-3