[133] 6.
Das Schwanenlied

Oft, wenn sich ihre reine Stimm' erschwungen,
Schüchtern und kühn, und Saiten drein gerauschet,
Hab' ich das unbewußte Herz belauschet,
Das aus der Brust melodisch vorgedrungen.
Vom Becher, den die Wellen eingedrungen,
Als aus dem Pfand, das Lieb' und Treu getauschet,
Der alte König sterbend sich berauschet,
Das war das letzte Lied, so sie gesungen.
Wohl ziemt sich's, daß der lebensmüde Zecher,
Wenn dunkle Fluten still sein Ufer küßen,
In ihren Schooß dahingiebt all sein Sehnen.
Mir ward aus liebevoller Hand gerißen,
Schlank, golden, süßgefüllt, bekränzt, der Becher;
Und mir zu Füßen braus't ein Meer von Thränen.

License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schlegel, August Wilhelm. 6. Das Schwanenlied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D1A9-6