Tausendschön

Ja, herrlich ist der Griechen Alterthum,
Ist wahre Schöpfung zu der Menschheit Ruhm.
Du möchtest schildern gern in deinen dicken Bänden
Des Genius Kosmogonie;
Doch Ebenmaß, Gestalt und Ordnung triffst du nie,
Und mit dem Chaos wirst du enden.
Du kannst Latein nicht ohne Drucksen sprechen:
Dem Philologen steht die Stümperei nicht fein.
Man hört dich ebenfalls das Deutsche radebrechen;
Dir ist die Alalie natürlich, allgemein.
Doch deine Feder schwatzt gar viel in Einem Odem
Und spinnt den leersten Satz zu langen Perioden.
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Die Alten, sagst du, sind im Kreiß
Herumgegangen.
Kein Andrer weiß,
Wie du, die Schlangen
Bei'm Schwanz zu fangen.
Von hinten les' ich's oder von vorn,
Es bleibt mir gleichermaßen verworr'n.
Wahrheit fehlt dem Mythologen,
Kunstsinn dem Archäologen,
Red' und Schrift dem Philologen.

Notes
Erstdruck nach der Handschrift in vorliegender Sammlung (Leipzig 1846).
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schlegel, August Wilhelm. Tausendschön. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D3E7-8