[358] Unkunde

Wie endigt Heut? und was wird Morgen bringen?
Wer kann mir sagen, ob gestreute Saaten,
Heilsam an sich, mir nicht zum Gift gerathen?
Was fremder Willkür mag an mir gelingen?
Vergebens zeugt Erfahrung von den Dingen,
Und zeichnet sorgsam auf der Vorwelt Thaten:
Selbst Weisheit weiß untrüglich nicht zu rathen,
Wo Kräfte blindlings durch einander ringen.
Den ew'gen Schlangenkreiß, der uns umfahet,
Könnt' überschauen nur des Schicksals Wächter;
Uns schwindet Eines, wenn das Andre nahet.
Die Zukunft steht als Sphinx in düstern Fernen,
Und schlingt hinab so Menschen wie Geschlechter,
Eh' ihre Räthsel sie zu lösen lernen.

Notes
Erstdruck in: Gedichte 1800.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schlegel, August Wilhelm. Unkunde. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D4D3-C