§. 6. Das Fichtelgebirge.

Sinnbild des Fichtelgebirges ist ein Berg, umschlossen von einer goldenen Kette, welche durch ein starkes Schloß versperrt ist. Es deutet auf die Schätze, sey es an edlen Metallen oder am Gold der Sage, welche hier zu heben wären, wenn man den Schlüssel dazu besässe. Davon haben seither gar Manche Anstoß am Sinnbilde selber genommen. Der Gewinnsüchtige vermag den Schlüssel nicht zu finden und beruhiget das ungestüm pochende Herz mit dem Troste, daß die Sage doch nur eitel Lug und Trug sey. Der gelehrte Magister dagegen besitzt zwar einen Schlüssel, dieclavis Ciceroniana, und legt ihn überall an, wo er öffnen will; aber das deutsche Schloß widersteht eigensinnig dem fremden Eindringling und der Magister bleibt vor der Thüre. Da geräth er in heiligen Eifer und schleudert sein Anathem [346] gegen die deutsche Saga und Alles, was mit ihr zusammenhängt, und seufzt, daß er unter Barbaren zu Hause, der edle Sohn. So verdammt unter Anderen jener Rektor zu Hof, der am Schlusse des vorigen Jahrhundertes ein sonst gutes Buch über das Fichtelgebirge in zwey Theilen geschrieben hat, geradezu alle Sage und zankt wacker drauf los, daß der Berg »durch aberglaubische Sagenentweiht werde« und nennt es Schande, jetzt noch, (wo doch schon Senf aus französischer Küche auf die Tafel allgemeiner Wohlfahrt gestellt war,) »dergleichen Albernheiten als heilige Geheimnisse auf Kind und Kindeskind fortzupflanzen oder gar darüber zu schreiben.« Dergleichen Ansichten finden auch heut zu Tage noch ihre ritterlichen Vorkämpfer, besonders unter den klassischen Philologen. Wenn dem Menschen jenseits wird, was er hier gewollt, so darf man zweifellos annehmen, daß diese Herren einmal im Elysium bey Cicero und Pindar nach Hofe gehen werden, und ich wünsche ihnen von Herzen Glück zu dieser Ehre.

In der goldenen Kette des Sinnbildes erhält die uralte Heiligkeit des Gebirges ihren Ausdruck. Unschwer läßt sich auch durch mehrfache Gründe die Aufstellung rechtfertigen, daß das germanische Heidentum vor seinem Erlöschen hier eine letzte Verschanzung aufgeworfen habe, welche sich von Berneck bis Eger, vom rauhen Kulm bis zum Kornberge erstreckte und selbst von da zum Erzgebirge hinübergriff, und mit dem dortigen kleinen Fichtelgebirge, zwischen Platten und Wiesenthal, in Verbindung trat. Ergreift den Wanderer [347] heiliger Schauer beym Anblicke der wilden Natur, welche hier zu Tage tritt, so überkommt ihn wehmütiges Gefühl ob der dunkeln, geheimnißvollen Sage, welche ihm fast jeder Berg verkündet. Zwerge haben hier einst gewohnt: die Zwerglöcher und Hankerlgruben, welche rings am Gebirge sich hinziehen, dienten ihnen zum Eingang in des Berges rettenden Schoß, als sieghafte Germanen die alten Sitze in den Ebenen streitig machten. Hat der Razenstein noch von ihnen den Namen, so mahnt der Dußberg daran, daß auch Riesen hier nicht fehlten. Bezeichnungen der einzelnen Berge, wie Wünschelberg, Oschleiten, Herethsberg, der Döring oder heilige Berg, Iskra, Nonnenberg und der Nußhardt mit seinen neun schüsselförmigen Vertiefungen und seiner goldenen Höhle führen ein kleines Pantheon germanischer Gottheiten vor Augen. Die Seherin oder Vala ist vertreten durch die Sage von der Sibylle, welche auf dem Schneeberge in einer Höhle wohnte, da wo es jetzt noch die Sternseherin heißt, dann von jener anderen, welche auf der hohen Haide bey Goldkronach begraben liegt. Der Weissen-Manns-Brunnen unweit der Weißmannsfelsen, der zum weissen Mayn wird, ein heiliges Wasser, läßt annehmen, daß hier ein Priester gehaust habe. Die berüchtigte Seelohe mit dem unergründlichen Fichtelsee, aus welchem vier Flüsse zu Donau, Rhein und Elbe abfliessen, in todenstiller Umgebung, der alles Leben abgestorben ist, war der heilige See, der Oster- oder Wallbrunnen bey Weidenberg, dann der Konradsbrunnen auf dem Pfeifferberge [348] ein heili ger Born. An letzterem Brunnen stand ein heiliger Birnbaum, über der Quelle der Saale eine heilige Buche. Auf dem Ochsenkopfe, berühmt durch die Geisterkapelle und das Schneeloch, jene reiche Werkstätte der Walen oder Venetianer, wallfahrtete vordem am Sunnwendtage die Menge, wohl in Erinnerung früherer Uebung zu Heiden Zeit. Daß in alten Tages reges Leben hier gewaltet, davon geben Zeugniß die Reste ansehnlicher Wasserdämme und die Sage untergegangener Städte. Von Waldeck wird gemeldet, daß bey seiner Zerstörung durch die Schweden ein Baustein gefunden wurde, der in hebräischer Schrift die Erbauung der Veste bis 7 Jahre vor unserer Zeitrechnung hinaufführte. Endlich ein Kranz vonBurgen zieht sich um das Gebirge, meist alter Raubnester, zum größten Theile zerstört, deren Geschichte durch manche romantische Episode belebt wird.

Phantasiereiche Gelehrte liessen es sich aber nicht an dem genügen, was einfacher Sinn in den guten deutschen Klängen und ächt deutscher Sage auf und an dem Gebirge gefunden, daß nämlich hier nur Germanisches Wesen vorwalte. Sie wollen durchaus nicht, daß dem so sey, und weil hier Römisch oder Griechisch nicht anschlägt, zerren die Einen Alles in's Keltische, die Anderen in's Slavische, jene von dem Satze ausgehend, daß Kelten vor den Germanen hier seßhaft gewesen, diese, daß Slaven den letzteren gefolgt seyen. So kommt es, daß der Ochsenkopf bald zu einem keltischen Worte gestempelt wird, vonUchedd oder Anhöhe, bald zu [349] einem slavischen, vonOccopirn, dem slavischen Donnergotte herrührend. Es ist hiebey nur auffallend, daß die keltischen Ableitungen ausschließlich allgemeine Benennungen zu Grunde nehmen, wie Anhöhe, Hügel, Spitze, Berg, Felsen, als ob keine Eigennamen zu Gebote ständen, wie sie bey anderen Völkern zu treffen sind, während die Slavenfreunde gerne übersehen, daß die deutschen Namen, welche von diesen Bergen herabtönen und in die Germanische Heidenwelt hinüberklingen, nicht mehr einer Zeit ihr Entstehen verdanken können, wo das slavische Element schon in das germanische verronnen und das Heidentum ganz gefallen war, wie im 12. und 13. Jahrhunderte. Die Wenden sind erst im 7. und 8. Jahrhunderte vorgerückt in diese Striche, und haben diese weder entvölkert gefunden noch die heimischen Germanen mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Sie bildeten zahlreiche aber vereinzelte Ansiedelungen zwischen den seßhaften Germanen, und wenn die Gegend am Fichtelgebirge und oberen Böhmerwaldeterra Slavorum heißt, so mag hier das Wort Slave allgemein für Heide gelten. Das Heidentum hielt sich nämlich hier sowohl unter Germanen wie Slaven noch lange, als schon der ganze Süden dem Christentume gewonnen war.


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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 6. Das Fichtelgebirge. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E4B0-A