§. 4. Die Pest.

1.

Der Tod ist der gewöhnliche, alltägliche Diener der Hel: in der Regel wird er gesendet, die Menschen zur Unterwelt abzurufen. Sollen aber Seuchen kommen und zur selben Zeit und am selben Orte Schaaren von Menschen den Weg des Todes gehen, so erscheint alsDienerin die Pest, welche gleich dem Tode als Person, als halbgöttliches Wesen auftritt. Obgleich[15] Weib, ist sie noch grausamer als der männliche Tod, und kehrt auch da ein, wo dieser vorübergegangen wäre; sie nimmt Alles ohne Wahl. Tod und Pest sind gleich Knecht und Magd der Hel, Gânglati undGânglöt.

Als die Bärnauer vom Christentume zum Heidentume zurücktraten, strafte sie der Herr mit Seuche. Man sah den Tod auf der Kirche und dem Friedhofe stehen und seine Sense schwingen, worauf ein gespenstisches Weib, die Zamrechari oder Zusammenrecherin kam und mit dem Rechen Alles zu Haufen sammelte, was so der Tod gemäht hatte. Es war die Pest. In ein paar Tagen darauf brach das Sterben aus, und nur ein alter Hutmacher blieb übrig, der sich mit seiner gleichbejahrten Ehehälfte in der Radstube an der Stadtmühle von einer Gais fortbrachte. Die Gestorbenen wurden auf dem Freidhofe in eine große Grube verscharrt, noch jetzt Pestgrube genannt, und mit Steinen zugedeckt. Später einmal wollte man nachsuchen und öffnete einen Theil davon: da stieg bläulicher Rauch auf und tödete den Todengräber.

Bey Waldkirch gilt die Pest als Weib, nackt mit Schurzfell, schöngestaltet, aber das Gesicht viereckig: in Frankreich ist sie zu Hause. Sie sendet Insekten, die Pestfliegen, Fleischfliegen, aus, um die Menschen und das Speisefleisch zu stechen: der Stich und das vergiftete Fleisch entzündet die Pest. Wenn das Weib einherfliegt, ist sie wie von einem Bienenschwarm begleitet.

Die Pest meldet sich an gleich dem Tode. Wenn im Spätsommer Schwärme von Fleischfliegen, die [16] einen honigartigen Geruch von sich geben, in unbewohnte Zimmer gerathen und dort verbleiben, so deutet es auf die Pest, an welcher die Menschen wie Mücken dahinsterben werden. Falkenstein.

Wo sich viele Fleischfliegen zeigen und aufhalten, bricht bald die Pest aus. Gefrees.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Dritter Theil. Zwölftes Buch. Tod. 4. Die Pest. 1. [Der Tod ist der gewöhnliche, alltägliche Diener der Hel: in der]. 1. [Der Tod ist der gewöhnliche, alltägliche Diener der Hel: in der]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E875-E