§. 3. Antichrist und Elias.

Sowie der Teufel sich ledig gemacht hat, tritt mit ihm der Antichrist in Bund. Dieser ist unter Donner und Blitz geboren worden, ein wahres Teufelskind, und wird durch Donner und Blitz sein Leben verlieren; das himmlische Feuer wird den besiegen, der mit Hilfe des irdischen zu siegen vermeynte. Seine Geburt erfolgt auf außerordentlichem Wege: denn seine Mutter ist eine siebenzigjährige Jüdin, sein Vater ein neunzigjähriger Greis. Schon im Mutterleibe gibt er zwey Jahre lang [334] seine Bosheit kund durch Beissen, Kratzen und Peinigen. Alle Juden werden an ihn glauben; denn er verrichtet grosse Dinge und sät Gold aus. Von Gestalt ist er klein, mit rothen Haaren und schwarzen Augen. An der Stirne trägt er Mein al: da wird ihn der Blitz treffen, wenn seine Herrschaft um ist. Neuenhammer. Nach der Sage aus Pfatter ist er schon geboren seit dreyßig Jahren, bey einem fürchterlichen Donnerwetter, von der neunten Hure her. Er wird es arg treiben gegen Gott und seine Angehörigen auf Erden: auf den Bauerndörfern wird er Galgen und Rad aufrichten gegen den katholischen Glauben, so daß das Blut in den Wagengeleisen dahinrinnt.

Mit dem Antichrist kehrt aber auch Elias zur Erde: er ist nicht gestorben, sondern lebt im Paradiese: dort schläft er unter einem Baume oder in einer Höhle und muß so bleiben bis zur Zeit, wo er das Ende der Welt verkünden soll. Einmal aber ist er seitdem schon erwacht, damals, als Alles anders wurde, und träumend in seine rothen Haare gefahren, daß es noch nicht an der Zeit sey für ihn: es waren die Tage Napoleons. »Bis hieher und nicht weiter!« rief Elias und wendete sich auf die andere Seite und schlief wieder ein. Wird er sich wieder wenden, so erwacht er zum zweytenmale: aber dann ist das Ende gekommen. Auf einer kleinen dunklen Wolke wird er niedersteigen vom Himmel, unter Donner und Blitz, nackt, um die Hüften ein blutrothes Tuch, den rechten Arm um einen Stab gewunden. Er soll den Antichrist, den Betrüger, den Gauckler, den [335] Teufel, bekämpfen: aber die Katholiken sind glaubensarm und feige und laufen in Schaaren zu dem Widersacher über. Wenn daher Elias unter einem Birnbaum die Katholiken versammelt, deckt sie dessen Schatten, und wie sie sich zählen, sind ihrer nur mehr sieben oder neun. Während er so der kleinen, aber heiligen Zahl seiner Getreuen unter dem Baume katholischen Gottesdienst hält und das Wort Gottes erklärt, stellt der Antichrist, nicht ferne davon, auf einer Wiese seine Schaaren auf: doch will er zuvor noch die wenigen Glaubenstreuen herüberziehen, und auf's Neue versuchen, ob er nicht Weltregent werden kann. So fährt er vor Aller Augen empor gen Himmel. Da trifft ihn aus einer Wolke, unter heftigem Donner, der Blitz und schleudert ihn hernieder, daß er in tausend Trümmer zerbricht. Wo ein solches Glied hinfällt, entzündet es die Erde, welche nun in einem grossen Brande untergeht. Das ist das Ende. – Neuenhammer.

Hier ist Elias als Donnergott, als Träger des himmlischen Feuers, gekennzeichnet: er hat den grossen Kampf zu bestehen für die Ordnung der Dinge gegen Surir und Locki, die Feinde der Götter, und ihre Verbündeten. Zu diesen gehört auch der größte Theil der Menschheit: denn statt ihrer Pflicht zu genügen und den Göttern am Tage der Entscheidung zur Seite zu stehen, haben sie sich abgewendet und in Gottlosigkeit und Treubruch die Partey des Gegners ergriffen. In Elias und seinen Getreuen sind die alten Götter verborgen, welche seither schliefen, bis der grosse Tag anbricht: an diesem [336] sammeln sie sich unter dem Weltbaum neben dem Schlachtfelde Wigrid, auf dem die Götterschlacht geschlagen wird gegen Locki und Surir, welcher die Welt in Brand zündet, wie die Leiche des Antichrists sie in Flammen setzt. Deutlich weist das Zersplittern des gestürzten Antichrists auf dessen Riesennatur: um so mehr ist sein Gegner Elias der riesenbezwingende Thor.

Bey Erbendorf heißt es: in der Nacht, da der Antichrist geboren wird, fällt Feuer vom Himmel: dreyßig Jahre geht er gleich Christus herum, um einen neuen Glauben zu predigen. Wenn der Katholiken nur mehr Sieben sind, fällt Feuer vom Himmel und schlägt ihn dreyßig Ellen tief in die Erde hinein. Diese aber wird dann lauter Wasser – sigr fold î mar – vom schwarzen Meere her, das nicht abläuft und nicht voll wird, so viel auch Wasser hineinläuft. – Ferner am rechten Fuß und an der linken Hand trägt er ein Zeichen.

Er gewinnt die Leute mit Geld, Ebrenstellen und Liebkosungen: ihm stehen alle Schätze der Welt offen und keiner ist ihm verborgen. Seinen Anhängern setzt er ein Mark auf die Stirne. Wenn fast Alles auf seiner Seite steht, kommen Enoch und Elias, um den christlichen Glauben, der vergessen worden, auf's neue zu predigen. Elias ist nicht im Himmel, sondern im Paradeis in der Freude bis zum Ende der Welt. Der Antichrist aber läßt beyde erschlagen und ihre Leichen liegen drey Tage und Nächte unbegraben, bis eine Stimme vom Himmel ihnen zuruft, hinaufzusteigen. So fahren sie gen Himmel. Nun will aber der Antichrist[337] die Seinigen, welche durch diese Predigten an ihm irre geworden sind, in der Treue bestärken: er errichtet sich einen Thron und steigt von da in den Himmel empor, bis er vom hl. Michael herab und in die Hölle geschleudert wird. Oberbernried.

Jeder sieht den Antichrist in anderer Gestalt. Elias ist sein Beyläufer. Durch die Christen, so unter dem Apfelbaum noch übrig sind, geht er zu Grunde; ein starker Sturm im Christmonat zeigt seine Ankunft an: doch regiert er schon. Neukirchen St. Christoph.

Der Antichrist sät Geld aus: wer es aufhebt, ist ihm verfallen. Er heißt eigentlich Antenchrist: denn gegen das Ende zu werden die Menschen nicht mehr in ihrer früheren Gestalt, sondern mehr thierartig, insbesondere mit Aentenschnäbeln, geboren. Wenn er gen Himmel fährt, wirft ihn der Erzengel herunter, daß er in Trümmer zerbricht. Waldkirch.

Mit 30 Jahren fängt der Antichrist zu herrschen an; sein Regiment dauert drey Jahre. Er holt den Elias aus dem Paradiese; weil dieser aber die Leute warnt, die Geldsaat zu berühren, wird er erschlagen; denn er ist nicht gestorben, sondern lebt noch und muß daher noch sterben. Wenn dann Alles gerichtet wird am letzten Tage, kommt des Teufels Mutter auf einem zottigen schwarzen Gaisbock geritten und holt die Verdammten mit Musik und Jubel zu ihr ab. Dort wird ein grosses Gastmal bereitet mit Tanzen und Singen. Neuenhammer.

Er wird von einer Schlange mit einer alten[338] Jüdin erzeugt, und zwar zu Babylon, und den Juden als der Messias gelten. Da er alle die Schätze hebt, welche bisher unerkannt in der Erde liegen, hat er die Mittel, sich Anhänger zu gewinnen. Gleich Christus lebt er dreyßig Jahre im Stillen; dann verkündet er seine Lehre, das Gegentheil vom Christentume; er wirkt Wunder, stirbt und fährt nach dreyen Tagen gen Himmel, von dem er durch den Erzengel Michael mit einem Donnerkeile herabgeworfen wird. Gott läßt dann Schwefel regnen und vertilgt unter schrecklichem Donnern und Blitzen den Widerchrist mit allen seinen Anhängern. – Enoch und Elias sind die Streiter Gottes; sie haben die Aufgabe, die Menschen wieder zu Gott zu bekehren. Der Antichrist wird sie aber martern lassen wie überhaupt Alle, welche Gott treu bleiben. Drey Tage bleiben die Leichen der beyden Zeugen Gottes auf der Gasse liegen, bis sie von selbst auferstehen und gen Himmel fahren. Wondreb.


License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 3. Antichrist und Elias. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-EB47-D