857. Maria von Brabant.

Von Rudolf Magenau. – Freyberg's Sammlung histor. Schriften u. Urkunden I., 56.Falkenstein bayr. Gesch. III., 205 (6), woselbst d. Literatur.


Auf Donauwörths Hofburg, im fürstlichen Saal
Saß Ludwig des Bayers holdsel'ges Gemahl
Im Kreise der tröstenden Frauen.
Ihr Herr war gezogen in's Lager am Rhein,
Vergebens schon harrte seit Monden sie sein,
Das füllte die Brust ihr mit Grauen.
Sie schrieb ihm ein Brieflein mit ängstlicher Hand,
Versiegelt mit röthlichem Siegel am Rand:
Doch ein zweites mit schwärzlichem Wappen
Schrieb sie auch in Züchten und Ehren gemeint,
An Ritter von Hirschau, Herrn Ludwigs Freund,
So gab sie die Brieflein dem Knappen.
[392]
Ein tapferer Ritter im Waffengewühl
War Heinrich von Hirschau; in Kurzweil und Spiel
Geübt und beliebt auch bei Frauen;
Wo Schwerter erklangen, war stets er voran,
Doch ließ er auch gern als ein muntrer Kumpan
Im wirbelnden Reigen sich schauen.
Oft bat er zu glänzen in stolzem Turnier
Die Fürstin: »O dürft' ich nach Rittergebühr
Euren eigenen Ritter mich nennen,
Wohl trüg' eure Farb' ich zu rühmlicher Schau.« –
Doch nimmermehr wollt' ihm die edele Frau
Die Ehre des Vorzugs vergönnen.
Es stand in dem Brieflein, das sie ihm gesandt:
»Vertraut ward euch Ritter! mein köstliches Pfand,
Ach! rathet dem Herzog zum Frieden!
Und bringt ihr ihn glücklich der Gattin zurück
Dann sei Euch zum Danke mit freundlichem Blick,
Was längst ihr schon wünschtet, beschieden!«
Doch leider das Brieflein, das sie ihm gesandt,
Gab der thörichte Knapp' in Herrn Ludwigs Hand.
Kaum trauend den forschenden Sinnen
Erstieg der Ergrimmte das flüchtige Roß,
Und jagte voll Argwohns zurück auf's Schloß,
Tod schnaubend und wüthend von hinnen.
Es saß sonder Ahnung sein frommes Gemahl
Auf Donauwörths Hofburg im fürstlichen Saal,
Herein stürzt mit Zittern und Zagen
Ein Fräulein: »Schon klirrt auf der Treppe sein Sporn
Es naht der Herzog in grimmigem Zorn,
Schon hat er den Schloßvogt erschlagen.«
Und kaum daß das Fräulein gesprochen das Wort,
So sank sie vom Schwerte des Herzogs durchbohrt
Im Blute der Fürstin zu Füßen,
»Euch,« brüllt er, »euch hab' ich mein Bestes vertraut,
Wohl hab' ich auf trügrische Wächter gebaut,
Nun sollt ihr den Meineid mir büßen!«
[393]
Drauf wandt' er zur Gattin den glühenden Blick,
»Nun magst du bescheiden dem Ritter das Glück,
Das du freundlichen Blicks ihm versprochen,
Hat darum, dich Schlange! dein stolzes Brabant
Mein Haus zu beschimpfen hieher mir gesandt?
Selbst hast du den Stab dir gebrochen.«
»Wie trüg' es des Bayers altfürstliches Blut?
Vertilgt wird die Schande mit Gold nicht und Gut,
Mit weibischem Flehn nicht und Zagen.«
Er winkte den Dienern, – er schwur ihr den Tod, –
Ihr reines Blut färbte den Estrich bald roth, –
Das Haupt ihr vom Rumpfe zu schlagen.
Da füllte die Hofburg Entsetzen und Graun,
Es ließ sich kein lebendes Wesen mehr schaun
In den blutigen, schweigenden Hallen,
Sie floh'n vor dem Sturme der tobenden Wuth;
Doch endlich begann auch sein kochendes Blut
In kälterem Laufe zu wallen.
Nun schien ihm ein Kerker sein einsames Schloß,
Umsonst hofft er Ruhe mit schnellem Geschoß
Durchstreifend den Forst zu erjagen;
Ihm ward nicht des Friedens erheiterndes Glück,
Es verfolgt durch den Wald ihn mit strafendem Blick
Die Unschuld, die frech er erschlagen.
Oft sah er in Nächten, in quälendem Wahn
Im blutigen Gewand die Erschlagenen nah'n
Und flehende Hände sie ringen;
Er sah die Gattin in himmlischem Glanz
Und Engel der Lilien silbernen Kranz
Um die leuchtende Stirne ihr schlingen.
Da ergriff ihn mit flammenden Schmerzen die Reu';
Bald traten viel redlicher Zeugen herbei,
Für Mariens Unschuld zu sprechen;
Auch dräute Herr Heinrich laut zürnend vom Rhein,
In offnem Gericht vor der Fürsten Gemein
Die beleidigte Ehre zu rächen.
[394]
Nun irrt' er umher in unendlichem Weh,
Es bestreut ihm die Locken der Kummer mit Schnee,
Die bräunlichen Wangen erbleichten,
Er floh zu der Kirche verzeihender Huld,
Und eilte nach Rom, um die brennende Schuld
Dem heiligen Vater zu beichten.
Zwar ward ihm die Sünde des Mordes verzieh'n;
Doch mußt er dem Geiste Mariens zur Sühn'
Heimkehrend ein Kloster erbauen;
Da schlummert ihr Leichnam in marmornem Schrein,
Noch kehren viel pilgernde Frauen dort ein,
Mit Thränen ihr Grab zu beschauen 1.

Fußnoten

1 Fürstenfeld.


License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. 857. Maria von Brabant. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-F5BA-B