Erstickter Preisgesang

Singen will ich, Schöpfer, singen
Dir mit heiterem Gemüth;
Hell, wie Waldgesang, erklingen
Soll vor dir, o Gott! mein Lied.
Woge, Geist, in mir, frohlocke,
Und zerfließ' in Lobgesang;
Töne wie die Silberglocke,
Brause wie der Orgel Klang.
Geister, die wie Feuerflammen
Um den Thron des Höchsten stehn,
Engel, Menschen, singt zusammen;
Helft mir meinen Gott erhöhn!
Hallt Posaunen, Davids Psalter,
Harfe, die Eloa schlug,
Tönt dem Schöpfer, dem Erhalter!
Doch ihr tönt nicht laut genug.
Thier' in Wäldern und in Meeren,
Vögel in der Luft, im Hain,
Preist ihn all'; ihr Christenzähren,
Strömt voll Dank und Wonne drein.
Aber – Weh'! wie schmerzt die Wunde –
Ach! mich Armen traf ein Pfeil;
Der Gesang erstickt im Munde,
Wandelt sich und wird Geheul.
Sieh dich um, du bist gefangen –
Der Gedanke stürzt auf mich;
Sieh am Arm die Fessel hangen,
Sieh die braune Wand um dich!
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Ha! ich seh' das Nachtgefieder
Ausgebreitet über mir;
Gott! ach Gott! ich stürze nieder,
Und mein Lied verstummt vor dir!
So beginnt im Morgenstrahle
Oft des Finken Lobgesang;
Ach! er sieht im nahen Thale
Nicht des Vogelmörders Gang!
Plötzlich aus dem ehrnen Schlunde
Fliegt der mörderische Schrot;
Blutig, mit geschloßnem Munde,
Liegt der arme Vogel todt.

Notes
Entstanden 1782. Erstdruck nicht ermittelt.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. Erstickter Preisgesang. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0325-1