An Zilla

Wie der Frühling lächelt!
Wie der junge West
Den erhitzten Schäfer fächelt,
In die Busenrose seines Mädchens bläst!
Wie die Regenbogenschale
Siebenfarbig glänzt!
Wie im nahen Thale
Ein Olympus glänzt!
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Wie der Frühling in dem stillern
Sturmbefreiten Aether schwebt!
Wie die Nachtigall mit Trillern
Weiße Blüthen hebt!
Ach, wie lieblichblühend ist die Flur!
Wie elysisch die Natur!
Doch ich fühle keinen Maien,
Keinen Junius.
Kann den Jüngling ein Olympus freuen,
Ohne deinen Kuß?
Drohend steh' ich hier, wie Werther,
Mit dem Mordgewehr,
Alle Haine, Thäler, Oerter
Liegen um mich freudenleer!
Denn nicht ich, en andrer
War's, den, Zilla, du gewählt.
Donnre, Mordgewehr! – ich sinke! – Wandrer,
Liebe hat den Jüngling hier entseelt.

Notes
Entstanden 1775. Erstdruck in: Deutsche Chronik, Ulm (Wagner) 1775.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. An Zilla. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0381-2