[4] An Seine Königliche Hoheit den
Durchlauchtigsten Grossherzog von Hessen

Mit heil'gem Schauer blick' ich zu den Höhen
Des Pindus auf, wo hold im Stralenschein
Vertraulich unter hoher Lorbeern Wehen
Die Musen wandeln im bekränzten Hain,
Und leise stimmend meiner Lyra Töne,
Nah' ich mich schüchtern ihr, der Hippokrene.
Nie hab ich mehr ihr Göttliches empfunden,
So oft auch schon dein hoher Sonnenflug,
Begeisterung! in süssen Weihestunden,
Mich hoch empor zu schönern Welten trug:
Denn heute sollen meine Saiten tönen
Dem hohen Freund des Guten und des Schönen.
Ich singe nicht mit Ruhm gekrönte Helden,
Oft geht vor ihrem Blick Verwüstung her,
Dann dringt der Jammer laut zu fernen Welten,
Blut düngt das Land und färbt das weite Meer,
Der Witwen Schmerz, der Waisen bange Thränen,
Sie trüben ihres Lebens schönste Szenen.
[5]
Auch nicht die Freuden, deren Zauberklänge
Geräuschvoll um der Fürsten Thronen ziehn,
Wo vor dem ewig flutenden Gedränge
Vor flüchtgen Schatten ächte Wonnen fliehn;
Da eilt hinweg (umwölkt die Stralenzüge)
Des Landes Genius mit ernster Rüge.
Auch sing' ich nicht den Glanz der Fürsten Sitze
Wie eine goldgefüllte Wolk umschwebt,
Wo vor den Herschern an des Volkes Spitze
Zurück voll Angst die Menschheit schüchtern bebt,
Und vor dem Diadem sich bang verschleiert, –
Die sind es nicht die meine Muse feiert!
Den gütgen Fürsten sing' ich, der vom Throne
Mit Vaterhuld auf seine Kinder blickt.
Den mehr als jeder äussre Glanz der Krone,
Der Länder Heil, der Bürger Wohl beglückt;
Sein grosses Herz fühlt tief der Menschheit Leiden,
Und sorgt mit Vaterhuld für ihre Freuden!
Dem Edelsten, dem besten Fürsten sollen
Heut' meiner Harfe Töne stolz sich weihn,
An Tausende, die ihm mit Ehrfurcht zollen
Die reinsten Opfer, will auch ich mich reihn;
Wie selig, wenn aus seinem Blick voll Güte
Ein hehrer Lenztag für mein Herz erblühte!
[6]
Das Göttlichste belebt des Fürsten Busen,
Vor dem sich ehrfurchtsvoll der Edle beugt,
Er schätzet das Talent, beschützt die Musen,
Und jede Kunst in seinen Ländern steigt;
Wie holde Genien erblühn Gestalten,
Die sich von ihm gepflegt so hehr entfalten!
Es steigt entzückt zu den umsonnten Höhen
Der hochbeglückten Völker Dank empor;
Wie himmlisch gehn unsterbliche Trophäen
Aus dieser Segens-Saat verklärt hervor!
Kein Mausoleum spricht am Sarkophage
So laut und wahr, als treuer Völker Klage!
Ich mische mich in jene Stralen-Reihen,
Die, grosser Fürst, in Deiner Nähe stehn,
Die reinsten Huldigungen Dir zu weihen,
Und um Dein Leben tiefgerührt zu flehn!
Die heilgen Opfer dieses Altars steigen
Wie Frühlingsduft empor im Friedens-Reigen!
Sanft, wie beim leisen Sommer-Abendliede
Die Ruhe dämmert im umgrünten Hain,
So lieblich wiege Dich des Himmels Friede
Nach Herrschersorg' und Müh zum Schlummer ein,
Mit ihrem schönsten Kranze schmück' Aurore
Für Dich des jungen Tages schönste Hore!
[7]
Einst schlummre sanft in weissen Silberhaaren
Im Frieden, der um gute Fürsten thront,
Beweint von Deiner treuen Völker Schaaren,
Hinüber, wo die Gottheit Dich belohnt,
Da reichet Dir am lichtumflossnen Throne
Dein Engel dann die höh're Palmenkrone!

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TextGrid Repository (2012). Sommer, Elise. Gedichte. Gedichte. An den Grossherzog von Hessen. An den Grossherzog von Hessen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0E2C-0