Friedrich Spee
Geistliche Lieder aus dem Güldenen Tugendbuch

[11] Güldenes Tugend-Buch,

das ist, Werck vnd Übung der dreyen Göttlichen Tugenden, des Glaubens, der Hoffnung, vnd der Liebe. Allen Gott-liebenden, andächtigen, frommen Seelen, vnd sonderlich den Kloster- vnd Welt-geistlichen Personen sehr nutzlich zu gebrauchen.

Vorrede

Zum andächtigen Leser, von außtheilung dises Buchs.


Weil dises Buch nur für andächtige, fromme, doch verstendige Seelen, nicht aber für sehr gelehrte vnd hohe gemüter beschrieben ist; als wolle hiemitt ein ieder gelehrter vnd scharpfsinniger leser, da etwan auch ein solcher vngefehr vber disen Tractat kommen wurde, gantz freundlich gebetten sein, er nicht erfordern wölle, daß auch ihme vnd seines gleichen, so wol in der Materi, als in der art, vnd manier zureden, in allen stücken ein genügen geschehe: sondern da etwan dieses, oder jenes ihme mißfallen mögte, dasselbig günstig vbersehen, vnd gedencken, daß es gewißlich anderen also gefalle; in maßen ich weiß, vnd erfahren habe.

Was dan nun die abtheilung oder ordnung dises [11] Buchs betrifft, solle es drey Theil haben, weil es ie auch von den dreyen Göttlichen Tugenden handlen wird, nemlich von dem Glauben, Hoffnung, vnd der Liebe Gottes.

Im 1 Theil Sollen gesetzt werden etliche Weiß die Werck des Glaubens zu üben.

Im 2 Theil Sollen gesetzt werden etliche Weiß die Werck der Hoffnung zu üben.

Im 3 Theil Sollen gesetzt werden etliche weiß die werck der Liebe zu üben.

Damitt aber doch ein iedweder der dises Buch brauchen will (dann es eigentlich zum Brauchen, vnd nicht nur zum Lesen gemacht ist) recht wisse, vnd auß dem grund verstehe, wie er es nützlich brauchen könne, vnd was der Glaube, Hoffnung vnd Liebe sey. Will ich vorgehen lassen eine Gemeine Vnterrichtung, so drey Erinnerung haben soll.

Die 1. Warumb dises Büchlein beschrieben.

Die 2. Wie man dises Büchlein eigentlich gebrauchen solle.

Die 3, welche etwas lang, aber doch hoch-nützlich sein wird, von den eigenschafften aller dreyen Göttlichen Tugenden, vnd wie die vnterschieden seind. Also daß billich kein eintziges geistliches Kind sein solle, so dise dritte Erinnerung nicht gelesen hette, sonderlich das etwan eines schärpfferen verstandts were in geistlichen sachen: darnach sich der Leser zu richten wisse.

[Die Schrifft hat zimlich klar gelehrt]

[11][42]
Die Schrifft hat zimlich klar gelehrt,
Daß wer nur in gedancken,
Frey, wissend, willig, vnbeschwärt,
Vnzweifflig, vnd ohn wancken,
[42]
Zur sünden eingewilligt hat;
Solchs werd so hoch erwogen,
Als wan er schon hett in der that,
Die Sünd zu werck gezogen.
Deßwegen auch zu sterben frey
Wer sich bereit befünde,
Vnd nur im hertzen fiele bey,
Wan er für Christum köndte;
Hat schon vor Gott so viel gethan,
Vnd wird so hoch erwogen,
Als wan er in der that voran
Die Marter hett vollzogen.

[O Gott, wan ich all wolthat dein]

[43][46]
O Gott, wan ich all wolthat dein
Mit reiffem sinn betrachte,
Da spritzen mir beid augen mein,
Für wunder schier verschmachte.
[46]
Mich rühret ein gar stille brunst,
Gekült in frewdenzähren,
Weil krönest vns mit gnad, vnd gunst,
Noch mehr dan wir begeren!
Gleich wie von süssem Sonnenschein
Gar sittiglich thut schmeltzen,
Der Schnee, wan er Crystallenrein
Fleust ab von stoltzen feltzen:
Also wan deine gnaden straal
Auf vns so lieblich scheinen,
Da rinnen mir die zähr ohn zahl,
Gar süßlich ich muß weinen.
Mir hertz vnd augen schmeltzen gar,
All adren sich erwarmen,
Vnd strecken mir die Feuchte dar,
An zähr mag nie verarmen.
Wan ich schon wölt auffhören ger,
Vnd meine brünnlein schließen;
Doch nie sie wöllen scheinen lähr,
Starck wöllen sie noch fliessen:
Im lauff noch immer wöllen sein
Die wasserbächlein kleine,
Vnd mir albeide wangen mein
Noch wäschen also reine.
Ey was soll ich nun widerumb,
Ey was dem Herren geben?
Allweil wir ob so großer Summ
In lauter wolthat schweben.
Vmbzinglet seind wir vberall,
Seind vmb, vnd vmb bezogen
Mit lauter gnad auff allen fall:
Gott, Gott ist vns gewogen.
Sein milte gnad, vnd gütigkeit
Walt vber vns mit hauffen
Ein Meer ist seine miltigkeit:
Da müßen wir ersauffen.

[Nit straff mich Herr, in eyfermut]

[47][51]
Nit straff mich Herr, in eyfermut
Wan thust in zorn erbrinnen.
Nit stürtze mich zur hellenglut,
Was wolt ich sonst beginnen?
Kom nur mit eil: mein wunden heil,
Da wirst mich bald erfrewen:
Sie stincken sehr; vnd faulen mehr:
Mein thorheit mich thut rewen.
[51]
Groß wollthat hast erzeiget mir,
Mit gnad hast mich gekrönet:
Als ich war vntergangen schier,
Hast mich mit dir versöhnet.
Ey was mögt dan: mich kommen an,
(: O wee muß ich nun klagen:)
Das meinen Gott: hab gleich verspott,
Vnd mich zur sünd geschlagen?
Weiß nit, was ich nun sagen soll,
Als nur das gnad begere:
Mein angesicht ist schanden voll,
Ich wol in warheit schwere.
Mach mich, O Herr, von sünden lär,
Laß ab das alt geblüte,
Von sünden mein: mich wasche rein.
Es zimet deiner güte.
Wie scharlach, vnd wie rotes blut
Von sünden bin geferbet:
Nun spreng mich Herr mit Ysop gut,
So wird all sünd verderbet.
Schneeweiß vnd rein: als helffenbein,
Wird ich dan wider werden,
Ja, wie Crystall: klar vberall,
Wunsch anders nichts auff Erden.
Laß glantzen mir dein angesicht,
Laß mir dein augen scheinen:
Die stralen von mir wende nicht,
So bleib ich fast auff beinen.
Solst wenden dich: müst fallen ich,
Noch ietzt zu diser stunde;
Ohn deine gunst: es wär vmbsonst;
Gar müst ich gehn zu grunde.

[Ich glaub so fast in einen Gott]

[52] [59]1.
Ich glaub so fast in einen Gott
Von ewigkeit allmächtig;
Verspey der vilen götzen rott,
Von stein, vnd holtz verächtig.
All krafft vnd macht von ewigkeit,
Gott Vatter hat alleine,
Sein ist allein all herrlichkeit;
Wer ist nun, ders verneine?
2.
Er schuff die glantzend himmel rund,
Son, Mon, vnd Stern beyneben,
Die Erd legt er zum mittelgrund,
Mit wasser hoch vmbgeben.
Vom Vatter kam es alles her,
(Merckt auff ihr menschen kinde.)
Erd, Himmel, vnd das große Meer
Im augenblick geschwinde.
[59] 3.
Ich glaub zugleich in Jesum Christ:
Möcht ich mein hertz erbrechen,
Er gwiß mir drin gemahlet ist,
Mag wol mit warheit sprechen.
Vom Vatter ist er wunderlich
Von ewigkeit entsproßen,
Zu vns hernacher sanfftiglich
Vom Himmel abgefloßen.
4.
Geboren auß Maria rein,
Von Gott dem Geist entfangen.
Ist worden vns ein kindlein klein,
In armen sichs ließ fangen.
Die Mutter blieb ein reine magt,
Gebar ohn mänlich saamen:
Also wurd Gott zur welt gebracht,
Vnd Iesus hieß mit namen.
[60] 5.
Für vns hat er sich geben dar,
Verspottet, vnd verhönet:
Sein leib wurd ihm zerrißen gar,
Sein haupt mit dörn gekrönet.
Pilatus gab das vrtheil rund,
Die Juden woltens haben:
Am Creutz er starbe sehr verwund,
Bald drauff wurd er begraben.
6.
Er fuhr zur höllen tieff hinab,
Zerbrach all eisen pforten;
Dem Feind es großen schrecken gab,
Er straffet sie mit worten.
Der frommen Vätter kett, vnd band,
So da gefangen lagen,
Zertrennet er mit vaster hand;
Stund auff nach dreyen Tagen.
[61] 7.
Zum himmel fuhr er schwind hinauff,
In lufften hoch erhoben;
All geister lieffen bald zuhauff,
Ihn thetens wunder loben.
Er sitzt ans Vatters rechten hand,
Ein Sohn von Gott geboren:
Regiert von dannen alle land,
Ein könig außerkoren.
8.
Er kompt gewiß an jenem tag,
Die welt mit recht zu richten,
Wird hören an all red, vnd klag,
All händel wird er schlichten.
O Gott wer mag alßdann bestahn,
Vnd retten sich met rechte,
Wan du wilt zu gerichte gahn,
Mit deinem armen knechte?
[62] 9.
Ich glaub zu gleich an einen Geist
Mitt Vatter, vnd dem Sohne.
Vnd obs man drey personen heißt,
Ist nur ein Gott, ein krone.
Sein Kirch hat er auff diser welt
Versehn mit Sacramenten:
Drin wohnen Völcker vngezehlt,
Ohn ketzer, vnd verblendten.
10.
Mit Gottes Heyligen wir all
Gemeinschafft sollen pflegen:
Sie retten vns für vngefall,
Wir ehren sie dargegen.
Mit vns sie billich loben Gott,
Vmb seiner milten güte,
Er laßet nach all mißethat:
Dafür er vns doch hüte.
[63] 11.
Das Weitzenkörnlein nicht verdirbt,
Wans felt im acker nider:
Dan obs schon in der erden stirbt,
Doch kompt es endlich wider:
Also wan vnser fleisch, vnd blut
Den würmen vbergeben,
Schon gar im grab verfaulen thut;
Doch soll es wider leben.
12.
Dan wird ein ewigs leben sein,
In wollust, oder leiden:
Der böß wird leben in der pein,
Der from in tausend freiden.
Drumb was gesagt: nur wol betracht,
Ihr menschen groß, vnd kleine:
Nemt frey mit wacht: die schantz in acht,
Dan ichs getrewlich meine.

[Zu dir auß tieffem grunde]

[64][123]
Zu dir auß tieffem grunde
Hab ich geruffen, Herr:
Ach höre mich zur-stunde,
Nit bleibe doch so ferr.
So du die zahl der sünden
Villeicht wolst schawen an,
Wer würd ohn schanden könden
Vor deinen augen stahn?
[123]
Ein gnaden Meer verschloßen
In deinem hertzen ligt,
Das komt mit hauff gefloßen,
Wan vns die noth anficht:
Drumb nie will ich verzagen,
Auff ihn will harren fäst,
Wan mich bey trüben tagen
Schon liecht, vnd glantz verläst.
Ach Israël mich höre,
Was dir von hertzen rath;
Kein vngemach dich störe,
Nit zage früh, noch spath:
Wan sich der tag entzündet
Zur ersten morgen-wacht,
Dein hoffnung sey gegründet
Auff Gott, biß in die nacht.
Auff ihn wer sich geleinet
Mit festem helden-mut,
Die gnad ihm bald erscheinet,
Der streit kompt ihm zu gut.
Dan vnser Gott so milde,
Voll süß- vnd gütigkeit,
All vnser schutz, vnd schilde
Verbleibt in Ewigkeit.

[O Gott bin gar in deiner hand]

[124][129]
O Gott bin gar in deiner hand,
Dich stäts halt in gedancken:
All meine Werck seind dir bekandt,
O Herr, laß mich nit wancken.
All meine schritt: all meine tritt
Seind, Herr, bey dir gezehlet,
Ja auch so gar: all meine haar,
Daß nicht ein eintzigs fehlet.
Wan deine flügel spannest auß,
Will mich gantz drunden legen;
Du bist mein burg, mein festes hauß,
Kein ding soll mich bewegen.
Was will ich dann: in sorgen stahn?
Vnd stören mein gemüte?
Weil ohne dich: nichts rühret mich,
Wie sehr man immer wüte.
[129]
Wolan, ô Sathan, deine macht,
Dein pfeil, vnd fewrig bogen,
Sampt hell, vnd tod, ich gar veracht;
Trett her; nun darff ichs wogen.
All deine streich: mir gelten gleich,
Nie werdens doch gerathen;
Groß hülff ich hab: drumb fallens ab,
Vnd bringen mir kein schaden.

[Ein Schäfflein außerkorn]

[130][137]
Ein Schäfflein außerkorn
Such ich so manchen tag,
Hat sich so gar verlorn,
Daß mans nitt finden mag.
Will ruffen laut mit heller stimm,
Wer weiß obs ich nit bald vernim.
Schäfflein, Schäfflein, wo hast verkrochen dich?
Ach folge mir: hilff selber dir,
Nit lang laß suchen mich.
Ach, ach, du liebes blut,
Wer dich nur finden köndt,
Wie bald mir hertz vnd muth,
In lauter frewden stünd?
Starck ruffen will ich widerumb,
Wer weiß es möchte kehren vmb?
Schäfflein Schäfflein, mein junges thierlein zart,
Wo solle dann: dich treffen an?
Weil bin betrübet hart.
Ach was wird dencken doch
Der fromme Vatter mein?
Daß ich außbleibe noch,
Mit seinem Schäffelein?
Will vnterdeß ihm sprechen zu,
Sonst findet er auch keine ruh:
Vatter, Vatter, hoff bald in kurtzer weil,
In jenem thall, ich ie zumahl
Es endlich doch ereyll.
[137]
Ey da, da duncket mich
In jener stauden dick,
Hör ichs bewegen sich,
In schnellem augenblick:
Halt, halt, da wird es warlich sein,
Will ruffen starck zum wald hinein:
Schäfflein, Schäfflein, du liebstes Schäfflein mein,
Kehr widerumb: kehr widerum,
Sehr groß ist meine pein.
Ach aber nein, ach nein,
Ist noch mein thierlein nitt:
Bey Sonn- vnd Monat-schein,
Muß thun noch manchen tritt;
Muß immer, immer ruffen fort,
Durch berg vnd thall, vnd aller ortt:
Schäfflein, Schäfflein, was will ich fangen an?
Ach lauter ach, ô trübe sach!
Weill dich nit finden kan.
Ey da, da treff ich an
Ein Creutzbaum wol bekandt,
Auff einem berge stahn,
Calvarien genandt:
Hie duncket mich, hats seinen lauff:
Hie muß ich starcker schreien auff:
Schäfflein, Schäfflein, nun bin ich aller matt;
Dein warten hie: noch weichen ie,
Will ich von dieser statt.
Mehr kan ich leben kaum,
Für matt- vnd müdigkeit,
Lehn mich an disen baum,
Zu sterben bin bereit.
Ach Thierlein zart, ach kemest doch!
Weil kleine zeit ich lebe noch,
Vatter, Vatter, nun ruff ich allermeist:
In deine händ: zu dir gewend,
Befihl ich meinen geist.

[Einmahl hast mich gezogen]

[138][143]
Einmahl hast mich gezogen,
O welt, in deine strick,
Einmahl hast mich betrogen
In schnellem augenblick.
Bist warlich gar verlogen,
Gibst gar zu schlechten lust:
O wee, daß ich gesogen
Jemahl an deiner brust!
Die frewd ist bald entflogen,
Bald, bald fährt alles wegk;
Wer sich zur welt gebogen,
Wird schnell zum alber geck.
Ey was hat mich betrogen,
O Fraw von Babylon?
Daß ie nach dir thet frogen,
Weil nur trag leid darvon?
Dein kelch ist zwar gezogen
Von lauter golt so rein,
Stehn drin schön außgebogen
Vill perl, vnd edel stein:
Doch wers mit dir darff wogen,
Vnd drinckt ein süssen sauß,
Find lauter höllisch plogen,
Die man thut sauffen drauß.
[143]
Drumb bin von dir gezogen,
Ade zu guter nacht:
Bin schon zu vil betrogen,
Ach hett ichs baß bedacht!
Wan mir nicht so gewogen
Mein Herr Gott wär gewest,
Wär schon in kertz geflogen,
An schwerer sünden pest.
In Gottes hand schon logen
Des todes pfeil bereit;
Ietz, ietz sprang ab der bogen.
O, O, O Ewigkeit!
Da ward ich schnell entzogen,
Schnell, schnell, zur ander seit;
Daß mich nit traff der bogen,
Noch pfeil mir thäten leid.
O Gott, will dich nun loben,
Loben dein gütigkeit;
Ja loben, vnd noch loben,
Loben in ewigkeit.

[So nur mein Heyland steht bey mir]

[144][157]
So nur mein Heyland steht bey mir,
Muß mirs doch all gelingen:
Drumb will ich, ô mein Gott, mit dir
Auch vber Mauren springen.
vnd widerumb im 124 psalm:
Die sich auff Gott so gantz vnd gar
Mit fester hoffnung legen,
Die bleiben stäts vnwandelbar,
Vnd lahn sich nie bewegen.
Vnd widerumb im 17 psalm:
Die wider mich auff leinen sich,
Daß sie mein Seel ermorden,
Hastu geworffen vnter mich,
Feldflüchtig seind sie worden.
Es ist ein würckung deiner macht,
Daß sie verlohren gaben;
Vmbs leben seind von dir gebracht,
Die mich beneidet haben.
Gott rettet mich von feinden mein,
Wan ich bin vberladen:
Wie sehr sie auch ergrimmet sein,
Doch mögens mir nicht schaden.
vnd widerumb im 19 psalm.
Wan schon der feind vermessentlich
Auff seine roß vnd wagen,
Vnd auff die stärck verlasset sich,
Will ich doch nimmer zagen:
Wan ich bin voller traurigkeit,
Will ichs dem Herren klagen;
Er kompt, er komt zu seiner zeit,
Mags wol in warheit sagen.
Vnd widerumb im 9 psalm:
Es werden sich mit festem mut
Auff dich, o Herr, verlassen,
Die deinen tewren namen gut
Erkennen rechter massen;
[157]
Dieweil noch nie zu keiner frist,
Wer sich auff dich geleinet,
Von dir zuletzt verlassen ist,
Wan ers mit trew gemeinet.

[Noth, angst vnd schmertzen vngestumb]

[158][170]
Noth, angst vnd schmertzen vngestumb,
Zu mir starck einher dringen:
Vmbgeben mich rings vmb, vnd vmb,
Mitt ihnen muß ich ringen.
Mein trewer Herr, mein frommer Gott,
Nicht wollest mich verlaßen:
Schaw Herr auff mich in meiner noth,
Mein leid ist ohne massen.
[170]
Ich heule fast in schwerer pein,
Das heil ist weit noch hinden:
O Gott laß doch bald anders sein,
Vergiß nicht deiner kinden:
Weich nit von mir, zu diser frist,
Weil elend noch fürhanden,
Dan sonst ich keinen helffer wist,
Ich würde ja zu schanden.
Hilff mir, O Gott, auß diser flut,
Laß hulff vom himmel kommen
Groß wasser mich ergreiffen thut,
Hat vberhand genommen.
Wan ich zu dir nicht schreyen thet
Im tieffen schlam versuncken,
Ich schon verloren geben hett,
Vnd wär so gar erdruncken.
Von ruffen bin ich häiser sehr,
O Gott kom doch zur stunde
Bald, bald, ach bald, kan ja nicht mehr
Bald, bald, ich geh zu grunde
O o! O o! du frommer Gott!
O Gott, war schier mißlungen!
War eben zeit; war halber tod:
Die seel wär bald zersprungen.
Nun rettest mich mit deiner hand,
Vnd haltest noch bey leben,
Von oben hast mir hülff gesand;
Mag nun in hoffnung schweben.
O Gott, wer sich auff dich verlast,
Ist nie kein angst so schwinde,
Da nicht, wan er nur haltet fast,
Er endlich vberwinde.

[Halt halt mein hertz; nit eylen thu]

[171][181]
Halt halt mein hertz; nit eylen thu
Nach lust, vnd frewd auff Erden;
Wirst nie darin doch finden ruh;
Kan dir nicht alles werden.
Laß ab, laß ab, ist nur vmbsonst,
Laß ab darnach zu trachten:
Ich fande nie kein beßer kunst,
Dan alles schlecht verachten.
Drumb du den pracht: so gar nit acht,
Laß dich zur welt nit binden:
Nach kurtzer weill: sie wird in eil
Wie rauch im lufft verschwinden.
Gleich wie der lufft: vnd öder tufft
Wird alles bald zerfahren.
Glaub mir zu mahl: die pfeil ohn zahl
Der Tod nit pflegt zu sparen.
Als wie die schön gezündte kertz
Sich selbest muß verzehren,
Weil auß ihr selbst das brinnend hertz
Sich selbest muß ernehren:
Also verzehrt sich alles gleich,
Auff diser welt so schwinde;
Da fleußt es her in einem streich,
Es steht die kertz im winde.
Sag dir mein kind: wer wollust find,
Find zil, vnd maß darneben,
Im himmel dort: geht alles fort,
Muß alles allweg leben:
Bey solchem spiel: ist nie kein zil,
Wird ewig, ewig wehren:
Wan ichs gedenck: für lieb erkrenck,
Werd naß von haissen zähren.
[181]
Jerusalem du schöne statt,
Wan ich nur dein gedencke,
Bin diser welt so sauber satt,
Allein zu dir mich lencke:
Nach dir allein wird mir so wee,
Frag nichts nach eitel sachen;
Weiß warlich nit, wan ichs versteh,
Was hie soll weiter machen
Sein eigne frewd: mir Gott anbeut,
In ewigkeit sols dauren;
All was vns helt: bey diser welt
Bringt endlich ewig trawren:
Ey was mag dan: vns kleben an,
O welt, bey deiner thüren?
Dein bin ich müd: dich Gott behüt,
Solt mich nit mehr verführen.

[Ade, fahr deine strassen]

[182][190]
Ade, fahr deine strassen,
Du schnöd vnd böse welt:
Ade, will dich verlassen.
Weg, weg mit gut, vnd gelt!
Dein zeitlich lust, vnd frewden,
Pracht, ehr, vnd herrlichkeit
Will fürhin gäntzlich meiden;
Achts nur für eitelkeit.
Vor trawrigkeit deß hertzen
Seufftzt ich auß tieffen grund;
Vor immerlichem schmertzen
Ruff ich all tag, vnd stund:
Die zähr mir allweg rinnen,
Wie sanffte regenguß;
Vnd augen immer schwimmen,
Wie stäte wässer-fluß.
Als offt ich dein gedencke,
Mein Gott, vnd höchstes gut,
Zu dir mich gütlich lencke,
Das blut mir wallen thut.
[190]
Begird sich thut erheben,
Vnd wird mir lang die zeit;
In ruh kan ich nit leben,
Biß ich von hinnen scheid.
Ach wan, wan soll es werden,
Daß ich mich scheiden thu?
Ist ja doch nichts auff erden,
Da drinn man friedlich ruh.
O wan, wan wird erscheinen
Der villgewunschte tag,
Wan ich von stetem weinen
Einmal auffhören mag?
Trost wolt ich mir bald finden,
Wan ich ein Täublein wer;
Hinauff wolt ich mich schwingen,
Wol in daß himmlisch heer.
Da wolt ich mich versencken
Wol in das höchste gut:
O Gott, wer wird mirs schencken,
Was mich verlangen thut?
Nun will doch ich verbleiben
Bestendig allezeit,
In lust, vnd auch in leiden;
In frewd, vnd trawrigkeit:
Nie soll die lieb erkalten,
Nie soll sie nemen ab;
Zu Gott will ich mich halten,
So gar biß in das grab.
Vnd wan dan schon thut sausen
Der wind auff disem meer;
Wan schon die wellen brausen
Rund vmb mein schifflein her;
Will ich doch nie verzagen,
Gott wird mein hülffer sein;
Den ancker will ich schlagen
Zu seinem hertzen ein. Amen.

[O Venus Kind, du blinder knab]

[191][197]
O Venus Kind, du blinder knab,
Leg hin die pfeil, vnd bogen.
Ich nichts mit dir zu schaffen hab,
Dem strick bin längst entflogen:
Dein kocher gut: dein stral, vnd glut,
Dein flüttig zart beyneben,
Solt du nun schwind: Marien kind
Gantz erblich vbergeben.
[197]
Zwar deiner pfeil vergiffte spitz
Mit lust, vnd frewd vmbwunden
Entzünd daß hertz mit süsser hitz,
Gar lieblich thuts verwunden;
Bald aber drauff, ehe man verschnauff,
Der tod kompt heimlich bucken.
Dein süsse Stral: bricht er zumahl,
Vnd reisst all frewd in stucken.
O Jesu mein, du schöner knab,
Nim hin Cupidons waffen:
Reiß ihm die pfeil vnd kocher ab,
Vnd leg ihn ewig schlaffen.
Nur du bitt ich: du zihl auff mich;
Von dir will sein getroffen:
O reines gifft: wan Jesus trifft!
Alßdan ist heil zu hoffen.
Wen Jesu lieb wird machen wund,
Ein Creutzlein zwar muß tragen:
Doch meidet er der höllen schlund,
Wird ewiglich nit klagen.
O sünder schwach: nit mich verlach,
Mit dir ichs trewlich meine.
Was hilfft doch ie, man lach allhie,
Vnd nachmahls ewig weine?
O Ewigkeit! O Ewigkeit!
Wer dich zu sinn wolt fassen,
Wurd bald von hertzen sein bereit
All vppigkeit zu lassen.
Die Sünd vergeht: die straff besteht:
Wer wolt nun lust begeren?
Ein langes leid: für kurtze freid
In Ewigkeit muß wehren.

[Da Jesus an dem Creutze stund]

[198][204]
Da Jesus an dem Creutze stund,
Mit blut gantz vberschossen,
Von haupt biß zu den füssen wund,
Hat mich gar sehr verdrossen,
[204]
Daß noch die Sonn in vollem brand
Mit ihren gülden wagen
Thet vberfahren alle land;
Bat Gott, er drein wolt schlagen.
O Gott, sprach ich, laß eylend doch
Laß roß, vnd wagen stürtzen,
Der freche tag geht vill zu hoch;
Schnell wollest ihn verkürtzen:
Stell nur, stell ein: all sonnen schein,
Das liecht mag ich nit leiden;
Weill ich nit kan: mehr schawen an
Mein lieb am Creutz verscheiden.
Die dunckel nacht: mir baß behagt,
Wans käm den lufft erschwertzen,
Vnd deckt in ruh: mein Jesum zu;
Daß niemand seh den schmertzen.
Kom nur mit macht: o schwartze nacht:
Mein Jesum solst bedecken
Er hengt in noth: ringt mit dem tod:
Es grawset mich vor schrecken.
Ach wicklet ein: den liebsten mein,
Ihr finsternüssen schwere,
Daß ich nit seh: sein großes weh
Mich kräncket vil zu sehre.
Ade, ade: nit scheinet meh,
Sonn, Mon, vnd himmel Sterne
Bin gar bereit: zu leben alzeit,
Im duncklen also gerne.
Nur trawrigkeit: nur hertzen leid
Werd ich hinfürter treiben,
Dich gar ô welt, hab abgestelt
An dir werd mich nit reiben.
Einmahl ich war: in tods gefahr;
Schier war ich vnter gangen
Da kam zu steur: der held so theur,
Für mich wolt selber hangen.
[205]
Mit starckem lauff: zum Creutz hinauff
Sich that er hoch erschwingen,
Für mich da starb: mirs heil erwarb:
O Gott, was wunder dingen!
Du frommer held: wans dir gefelt,
Laß dich vom Creutz herabe,
Daß dich mitt frist; weil storben bist
Im hertzen mein begrabe.

[Jerusalem du schöne Statt]

[206][211]
Jerusalem du schöne Statt,
Wann ich zu dir gedencke;
Zur stund in tieffen zähren bad
Beid augen ich versencke:
Ach Sonnen-liecht: mehr scheine nicht,
Lösch ab die fewrig strolen,
All glantz vnd schein: all flammen dein
Acht ich wie schwartze kolen.
Mein schönes liecht ist Gott allein,
So leucht im Himmel droben:
Sonn, Mon, vnd Stern, vnd hiesig schein,
Halt ich für schlechte gaben.
Seynd gegen Gott: nur Kinderspott;
Nie mögens ihn erreichen:
Nur dunckel gantz: ist all ihr glantz
Vnd endlich müssens weichen.
[211]
Auch frewd vnd wollust diser welt,
Der pomp vnd pracht imgleichen,
Mir gegen Gott so gar mißfelt,
Mit koth ichs thu vergleichen.
Ja weltlich schertz: ist mir ein schmertz;
Für lauter qual ichs achte:
Frewd dunckt mir sein: fast lauter pein,
Wans recht bey mir betrachte.
Adè, Adè, zu guter nacht
Sonn, Mon, vnd Himmels-sterne;
Ade, ade, vergänglich pracht,
Euch laß ich also gerne:
Nichts mag doch sein: als Gott allein,
Darauff wir sicher leinen:
All ander ding: seind mir zu ring;
O Gott, sollt ich nit weinen!
Zu dir mein augen spritzen auff,
Weil ich kein trost mehr finde:
Zu dir mein seufftzer gehn zu hauff,
Die stäts ich blaß in winde:
Ach wan wird sein: das ich erschein,
In deinen lüsten droben!
Ach wan werd ich: ergreiffen dich,
Zu deinem Thron erhoben!
Der brullend Hirsch nie schwinder sprang,
In durst vnd heißer Sonnen,
Wan er vernam den wasser-klang
Vom fall der kühlen Brunnen:
Als ich nach dir: lauff mit begier,
O Gottes Statt du schöne.
Nur tag vnd nacht: nach dir ich tracht,
All frewd ich sonst verhöne.
Jerusalem, du schöne Statt,
Wan ich zu dir gedencke,
Für lauter lieb ich fast ermatt,
Für lust ich schier erkräncke.
[212]
Mein Hertz sich bald: in stück zerspalt:
Ach wee! wie lang sols werden?
Wie lang soll doch: ich bleiben noch,
So weit von dir auff erden.

[Wan mir so stäth von augen]

[213][218]
Wan mir so stäth von augen
Die regen fallen ab,
Vnd gsicht will nit mehr taugen,
Auch kaum mehr geister hab;
Laß ich mein haupt geschwinde
Zur seiten sincken hinn,
Vnd seufftz dan also linde,
Mit sanfftem anbegin.
[218]
Das hertz hebt an zu zagen,
Schlagt an so sittiglich
Vnd fahret fortt zu schlagen
Daß es laut jämerlich,
Bald immer, immer weiter
Nimbt zu der hertzenschlag;
Die seufftzer auch zur leiter
Auffklimmen allgemach.
In lufft sie sich erschwingen,
Mit einer mänge groß;
Durch wolcken sich erdringen,
Biß recht in Gottes schoß.
Da zeigens ihm das hertze,
So sie mitt weg geführt;
Das brint gleich einer kertze,
Von Jesu lieb gerührt.
O frommer Gott so milde,
Diß hertz wir schencken dir:
Nims vnter deinem schilde,
Wend ab all böß begier.
Es brint in Jesu liebe,
Von flammen also klar;
Wans nur dein athem triebe,
Wurds brinnen immerdar.
Ach blaß hinein so linde,
Daß es noch brinnet mehr,
Vnd schaff das Jesum finde,
Warnachs verlanget sehr:
Mögts ie nur einmahl fassen
Jesum sein Ehrenholt,
Nie wurd es dan ablassen,
Es ewig brennen solt.

[Wan morgen röth: die nacht ertödt]

[219]
Wan morgen röth: die nacht ertödt,
Mit ihren gülden stralen,
Wach ich zu Gott: zu meinem Gott:
Ruff ihm zun offtermahlen.
Ich wach zu Gott: zu dir mein Gott,
Mein augen zu dir kehre;
Vnd ruff dan frey: mitt mattem schrey:
Mich dürst nach dir so sehre.
Ich wein zu dir: Seufftz mit begier
O liebster meines hertzen!
Mein trewer Gott: ist mir kein spott,
Die lieb mich setzt in schmertzen.
Bin matt vnd müd: fast ohn geblüt,
All kräfften seind erlegen:
Die gantze nacht: hab vil gewacht,
Mag kaum die zung bewegen.
Mein hertz von mir: weicht gar zu dir,
O Gott mein trost alleine!
Seufftz also viel: ohn maß vnd zil,
O weh der schwären peine!
Mit starckem brand: ist dir bekandt,
Bin ich so gar befangen.
O süsses band: laß ab zu handt,
Sonst tödt mich groß verlangen.
[220]
Drumb Gott nur eyl: dann deine pfeil
Mich bringen sonst vmbs leben.
Ich sterbe schier: das glaube mir,
Groß lieb hat mich vmbgeben.
Wan ich nit bald: bey dir erhalt,
Das ich mag dein geniessen,
Wird also stracks: wie weiches wachs
Mein hertz in mir zerfließen.
Mit warem mund: auß hertzen grund
Sprich ich mit trewen worten,
Ohn ruh vnd rast: bin ich in last
An allen end vnd orthen.
Ich wohne steth: in wüsten öd,
Da meint ich ruh zu finden:
Nun ist kein land: so vnbekandt,
Da nicht die lieb kom hinden.
Wann ich vermein: weit weg zu sein,
Gefreyt für ihren pfeilen,
Da rüst sie sich: verfolget mich,
Vnd wärens tausent meilen.
O Gott vnd Herr: nichts ist so fehr,
Da sie nit möge kommen.
Kein rast noch ruh: nun finden thu;
Lieb hat mich vbernommen.
Wann dein begirt: mein hertz regiert,
Für leyd kann ich nit sprechen.
Für süsser noth: für süssem todt
Mein hertz mögt mir zerbrechen.
Süß ist der Schmertz: gesund das hertz,
Für frewd ich muß ermatten.
Ja kranck das hertz: herb ist der schmertz;
Bey Sonnen-schein ist schatten.
[221]
Bald dise stund: bin ich verwund
Vnd sinck für todt darnieder:
Bald selbe stund: bin ich gesund,
Steh auff, vnd lebe wider.
O wunder tunst: O kühle brunst,
Wer wolt es ie vermeinen?
Das brenn vnd kühl: als ich nun fühl,
Die Lieb das marck in beinen?
Die lieb ist fewr: O abentheur!
Ist wasser auch imgleichen.
Bringt hertzen-leid: bringt hertzen-freid,
Muß eins dem andern weichen.
Offt manigfalt: bin ich mißstallt,
Werd vmb vnd vmb getrieben.
Hett nie gedacht: an solche macht,
Als ich fing an zu lieben.
All mein gemüth: all mein geblüt
Thut mir für frewden wallen:
So nur allein: O Gott, mir dein
Gedächtnuß ein kompt fallen.
Dein süsser Nam: dein edler Stamm
Verwund mir mein gemüte,
Dein angesicht: dein augenlicht
Entzünd mir mein geblüte.
Wan ich zu nacht: von dir betracht,
Mit lieb vnd last beladen,
Mein augen beyd: für frewd vnd leyd,
In lauter zähren baden.
O starcke lieb: O Hertzen Dieb,
Was wilt mit mir viel pochen?
Kann wider dich: doch nichtes ich,
Mein Seel hastu durchstochen.
[222]
Nimb vollends hin: all meine Sinn,
Nimb alles weg zur stunden.
Bin lauter dein: vnd gar nit mein,
Geb mich gantz vberwunden.
Ach, ach, wie geh: wird mir so weh,
Kein verß ich mehr kan dichten.
Die sprach besteht: vnd krafft vergeht;
Begird mich hin will richten.

[Ey das nun iemand sagen köndt]

[223][227]
Ey das nun iemand sagen köndt,
Auff welchen weg, vnd strassen,
Ich meinen liebsten Jesum fünd!
Dan mich verlangt ohn maßen.
Will Jesum morgens suchen ich,
Zum abend auch im gleichen:
Will früh, noch späth nicht saumen mich,
Wer weiß, mögt ihn beschleichen?
Will Jesum suchen vberall,
Die stimm will ich erheben,
Vnd schreyen vber berg vnd thall:
Für lieb kan ich nit leben.
Mitt Jesu lieb ich bin verwund,
Nun höret doch mein klagen,
Ihr tieffe wässer ohne grund,
Ihr hohe berg, mein sagen.
[227]
Habt ihr dann Jesum nicht gesehn?
Ist nie fürüber gangen?
Sagt an, wo pflegt er gehn, vnd stehn?
Mich thut so sehr verlangen.
Sagt an, ihr Wasser-quellen rein,
Ihr grüne bäum in wälden,
Ihr hölen die in bergen sein,
Ihr Stauden dick in felden.
Ihr bäch vnd brünlein kül vnd klar,
Habt Jesum nicht vernommen?
Ihn such, vnd such ich immerdar,
Ist mir so gar entkommen.
Ey nur daß ruffen helffen solt!
Vnd kostets mir das leben,
Ich immer, immer ruffen wolt:
Nun ist es ie vergeben.
Ich ruff, vnd schrey so lange zeit,
O Schatz, laß dich nur hören!
Doch selbsten er mich nie bescheid,
Solt michs nit billich stören?
O Jesu, Jesu, ruff im wald,
Wan sich gelegt die winde:
Bald, Jesu, Jesu widerschallt,
Doch Jesum ich nit finde.
Ich ruff vnd schrey mich also satt,
Der athem will ersitzen,
Von ruffen bin ich worden matt,
Die kehl ist voller hitzen.
Die felsen gaben widerschall,
Kam widerschall von bergen,
Der gantze wald mitt sterckem hall
Kond Jesu nahm nit bergen.
[228]
Fast alles Jesu, Jesu rieff:
Vberall schalt Jesus nahme;
Der lufft vom schall gantz vberlieff,
Von wannen er auch kame.
Vnd doch fand ich noch Jesum nit,
All ruffen war vmbsonsten;
Vmbsonsten thu so manchen tritt
In lieb, vnd heissen brunsten.
Wolan, wolan, weil ich nit kan
Zu mir den Jüngling bringen,
Will ich zu trawren fangen an,
Nur ach, vnd ach erklingen.
Ein hölen will ich suchen mir,
Im grünen wald so ferne,
Da will ich Jesu seufftzen dir
Von Seelen-grund so gerne.
Will nur in stetem hertzen-leid
Mein junges leben schließen.
Mein augen sollen allezeit,
Wie kleine bächlein fließen.
Für deinem Creutz will tag vnd jahr
Mit Magdalenen sitzen;
Mein augen sollen immerdar
Wie stäte brünnlein spritzen.
Das heilig Creutz, die zarte füß
Gar freundlich will vmbgeben,
Vnd da mitt hertz, vnd lefftzen süß
Vil tausend küß ankleben.
Ja weiters dann, ô liebster mein,
Solls anders mir nit fehlen,
Will auch von beiden wangen dein
Nit minder schmützlein stehlen.
[229]
Von dir will ich so süssiglich
In holen felsen singen,
All meine tag will trawriglich
In lauter leid verbringen.
Wan wilde thier fürüber gehn
Für meinem holen steine,
Vnd mag sie nur von weiten sehn,
Herkommen groß vnd kleine;
Will ich sie laden all herbey,
Mitt mir sie wollen bleiben,
Vnd hören an mein lieb-geschrey,
So tag vnd nacht will treiben.
Die Vöglein will auch laden dar,
Wan sie für uber springen;
Will ruffen; halt, halt, allegar,
Von Jesu nun solt singen.
Mitt mir sollt singen allesam,
Will euch die verßlein lehren,
Zu laden meinen Breutigam,
Daß er woll widerkehren.
Nun brauch ich zwar nur trawr-gesang,
Doch wird sichs accordiren,
Wan ihr schon braucht nur frewden-klang;
Vngleich macht musiciren.
Vngleichheit ist der Music zier,
Wolan last vns beginnen,
Last Jesum laden mit begier,
Mögt sich villeicht besinnen.
Last vns nur lieblich stimmen ein,
Villeicht möcht mirs gelingen,
Das widerkäm der liebste mein,
Wer weiß was gluck mag bringen?
[230]
Danck habt ihr schöne Vögelein,
Bald, bald mögt er nur kommen:
Danck habt, ihr süsse Schwetzerlein,
Sein stimm hab schon vernommen.

[Mein harff, vnd Psalter wachet auff]

[231][290]
Mein harff, vnd Psalter wachet auff,
Wie braucht man Euch so selten?
Die süsse seiten stimmt zu hauff,
Dem Schöpffer muß es gelten.
Weich tod, ich hab noch lebens frist,
Will noch bey schönen zeiten,
Als lang in mir das leben ist,
Das Gottes lob erbreiten.
[290]
O Gott, will herrlich preisen dich,
Die wunder dein verkünden:
Dan deine werck will schreyen ich,
Seind ie nicht auß zu gründen.

[O Gott, wan dein lob hören mag]

O Gott, wan dein lob hören mag,
Mein trost ist vnermessen:
Hingegen ist mein höchste klag,
Wan deiner wird vergessen:
[291]
Wan ich die wunder dein betracht
Die krafft, vnd macht bedencke,
Erstarr ich, Herr, ob solchem pracht,
Vnd mich zur erden sencke.
Ach, ach, seind wir nit erden staub?
So gar vor dir verschwinden,
Vnd fliegen hin wie dürres laub,
Das triben wird von winden.
Nur dir allein, ô mächtig Gott,
Muß alles vnter-ligen;
Die Teuffel auch sampt ihrer rott
Vor dir sich müssen biegen.
Die Cherubim in vollem brand,
Seind deine Roß vnd Wagen:
Die starcke wind gehn dir zu hand,
Vnd dich auff händen tragen.
Auff ihren flüttig manigfalt
Mit macht kompst anher tretten,
Die wolcken reissest mit gewalt;
All welt muß dich anbetten.
Fewr, kolen, blitz, seind deine pfeil,
Der himmel ist dein bogen:
Da fahren ab die donnerkeil,
Wan du kompst auffgezogen.
Das wilde meer: thut wüten sehr,
So bald dein stimm erschollen,
Geht hoch so fehrr: als wan es wer
Zun wolcken auffgeschwollen.
Die wellen toben immerdar,
Vnd gehn die wasser-wogen.
Die berg, vnd felsen allegar
Vor dir stehn krum gebogen.
Die erden rund: muß gleich zur stund
Von schüttlen sich entdecken:
Der hellen schlund: muß tieff in grund
Ob deiner macht erschrecken.
[292]
O Gott, von deiner glory groß,
Zu reden muß verzagen;
Das ewig wort in deinem schoß,
Allein es recht mag sagen.
Dein herrlichkeit ist ohne maß,
Kein maß ist auch der güte.
Drumb dich will ich noch loben baß,
Darnach steht mein gemüte.

[Nun schlaget auff mit frischem muth]

Nun schlaget auff mit frischem muth
Dem frommen Gott zun ehren,
Auff trommlen vnd heerpaucken gut,
Last vns sein lob vermehren.
Schlagt auff, daß Erd vnd himel gleich
Vom widerschal sich wege
Daß auch das meer zu iedem streich
All wasserwellen rege.
Blast an die hörner allzumahl,
All Cymbalen last leuten;
Last hören der posaunen schall,
All Orgel, Zinck, vnd fleuten.
Ja auch so vil: dergleichen spiel
All künstler inventiren,
Last alle gar zu selben ziel
Einhellig musicieren.
Mit harffen, vnd mit lautenklang
Last ihm zun ehren singen,
Mit zincken, vnd trompetten sang
Last ihm zun ehren klingen:
Vnd dan auch fort im selben gang
Last ihm zun ehren springen,
Last sagen danck vnß lebenlang,
Last allweg opffer bringen.

[So bald die Sonn: verjagt den Mon]

[293]
So bald die Sonn: verjagt den Mon,
Vnd sich bekleid mitt stralen,
Auch zart vnd rein: mit purpurschein
Die berg, vnd feld thut malen,
Wunsch ich in heisser lieb entzünd
Daß Gottes nahm der reine,
Recht in der Sonn gemahlet stünd
Mit noch so klarem scheine;
Vnd dan mit sampt der Sonn geschwind
Die welt thet vber-fahren;
Damitt doch alle menschen kind,
Man, weib, jung, alt von jahren,
Beid arm vnd reich, beid groß vnd klein,
Den nahmen dises Herren,
So vill es immer mögte sein,
All theten doch verehren.
Wan aber nacht: den tag verjagt,
Vnd thier vnd menschen schlaffen,
Auch sich auffmacht: die Sternenwacht,
Bekleid in gülden waffen;
Wünsch ich, der nahm des Herren wer
In iedem Stern geschrieben:
Vnd weil der Himmel eilet sehr,
Mit ihn wurd vmbgetrieben:
Damit doch immer tag, vnd nacht
Thet leuchten also prächtig,
Voll herrlichkeit, vnd ehren pracht
Der Gottes nahm allmächtig.

[Wolauff, wolauff, nun lobet Gott]

[294][299]
Wolauff, wolauff, nun lobet Gott
Ihr Himmel-Volck dort oben;
Ihr Engel Gottes Sabaoth,
Der Euch so gar erhoben;
[299]
Stäts schawet ihr sein angesicht,
O lust in lustes brunnen!
All frewd vnd wunn, vnd glantz, vnd liecht
Komt euch von ihm geronnen.
Ach das nur alles weit, vnd breit
Mit seinem lob erfüllet,
Voll krafft, vnd macht, vnd herrlichkeit
Von schall, vnd hall erbrüllet!
Ach preiset ihn mit höchstem schall,
Mit starck vnd starcken singen,
Solt schon die Welt von hellem knall
In tausent stück zerspringen.

[O weh der schwinden trawrigkeit!]

[300][340]
O weh der schwinden trawrigkeit!
Was wird die Mutter sagen?
O weh, was bitter hertzen leid?
Was heulen, vnd was klagen?
[340]
Ach trawre du schöns wäldelein,
Darin die that beschehen;
Ach trawret ihr Waldvögelein,
Die ihrs vielleicht gesehen.
Ja trawret auch ihr grüne zweig,
Last alle bletter reisen,
Für leid must ihr verwelcken gleich,
Ohn safft, vnd ohne speisen.
Ach frommes Kind: wie bist gesinnt?
O gluck, wo bist verblieben?
Ein böser Wind: es hat geschwind,
Geschwind in lufft getrieben.
Ach, ach, daß mans nit vorgesehn!
Was gluck war dir in henden?
Nun ist es hin: es ist geschehn:
Mans nunmehr nit mag wenden.
Fürwar das glück: hat seltzam tück,
Bald kompt es anher lauffen,
Geht bald zu rück: übt seine stück,
Stöst alles vber hauffen.
Ach Tochter, aller Töchter Cron!
O weh, nur weh dir armen!
Nur lauter leid wird dir zu lohn;
O Gott laß dichs erbarmen.

[O narrheit groß! wilst nackt, vnd bloß]

[341][346]
O narrheit groß! wilst nackt, vnd bloß
Bald, bald, von hinnen reisen.
Dein hab, vnd gut, dein frisches blut
Sol tod, vnd würme speisen.
Ach sage dann: was dir hab than
Der Gottes Sohn so gütig?
Nichts soll er han? nichts wilt ihm lahn?
Wie bist gen ihm so mütig?
Der grausam Tod kompt nur allein,
Daß er dich bring vmbs leben,
Doch all das dein: soll ihme sein
Ihm wilt es alles geben?
Wolan fahr hinn: nach deinem sinn,
Hör niemands rath in trewen,
Gott sey schabab: Tod alles hab;
Sehr bald wirds dich gerewen.
Die naß wird er dir schneiden ab,
Die läfftzen, vnd die ohren;
Vnd wird dich schenden in dem grab;
Solch lohn gebürt den thoren.

[Xauerius der mütig Helt]

[346][368]
Xauerius der mütig Helt,
Hatt eyffer dergestalten,
Wan er gedacht der newen welt,
Sein hertz wolt sich zerspalten,
Vnd rieff dan laut gantz vnuerhelt,
O Gott, kan mich nicht halten!
Hör auff, hör auff, felt mir zu schwer,
Die gnad ist mir zu mächtig.
Der Seelen eyffer wütet sehr,
Vnd brennet mich so kräfftig,
Daß kaum vor hitz kan bleiben mehr:
O Gott die brunst ist hefftig!
Drumb wird noch bleich- noch purper-tod
Zur forcht bey mir erklecken:
Ja wan mitt diß- vnd iener noth,
Man dächte mich zu schrecken
Da würd sich erst in wangen roth
All blutt vnd muth erwecken.
Wan ich so gar auch vber Meer
Ein Seel wüst abzulangen;
Wolt gern durch lauter spieß vnd speer,
Durch pfeil vnd spitzig stangen
Durchlauffen, wie der wilde Beer,
Daß nur die Seel möcht fangen.
[368]
Ach, ach, wie bringt mirs grosse pein,
Wie springt mir mein geblüte,
Daß nitt all heyden Christen sein!
Drumb Gott mich noch behüte,
Laß mich zur newen welt hinein,
Darnach steht mein gemüthe.
Zu lang ist mir die zeit, vnd stund,
Mein hertz will mir zerbrechen:
Begird vnd eyffer mich verwund,
Mitt warheit ich mach sprechen,
O Gott werd ich nicht bald gesund
So magst mich gar erstechen.
O Lieb nim hin all ingeweid
Auß meinem leib zurstunde
Werffs vber Meer auff iene seit
Es dient zum newen funde:
Mein hertz doch käm in Jappon weit,
Wan ich schon gieng zu grunde.

[Ein glaub allein, Ein Gott allein]

[369] [433]1 Vhr.
Ein glaub allein, Ein Gott allein,
Dem leben wir vnd sterben:
Wer in dem Einen glaub wird sein,
Soll Einen Gott erwerben.
2 Vhr.
Zwo Tafflen, vnd zwey Testament
Muß man nicht vberschreiten,
Will drin studieren biß zum end,
Zum Himmel sie mich leiten.
3 Vhr.
Es seind in Gott personen drey,
Mans anders nit muß halten:
Die einigkeit glaub ich darbey,
Bleibt dennoch vnzerspalten.
4 Vhr.
Wans viere schlägt, dünckt mich es klingt,
Die warheit muß ich sagen,
Als werens die vier letzte ding,
Mein sünd mich starck verklagen.
5 Vhr.
Fünff Christi Wunden rosen roth,
Wer wolt sie nicht verehren?
O Gott, in aller meiner noth,
Will mich zu ihnen kehren.
6 Vhr.
Zu Cana seind zur hochzeit gut,
Sechs wasser-krüg gestanden,
Der Herr bald wein drauß machen thut.
Ach! kem er vns zu handen!
[433] 7 Vhr.
Ich denck der siben Sacrament,
Der siben wort imgleichen,
Die Jesus sprach an seinem end,
Da er von hin solt weichen.
8 Vhr.
Acht Seeligkeiten zehlet mann,
Darnach wir müssen streben:
Wol dem, der sie all haben kann,
In frewden wird er leben.
9 Vhr.
Der Englen Chör seind eben neun,
Die singen alle droben:
Ach! möcht ich doch bey ihnen sein!
Wolt Gott so frewdig loben.
10 Vhr.
Der zehn gebott vergiß ich nit,
Die führen vns zum leben:
Wolt Gott sie niemand vberschritt!
Mein blut wölt ich drumb geben.
11 Vhr.
Von eilffen find ich sonders nicht,
Nur das man geht zum essen:
Last nehmen dan was zugericht,
Vnd Gottes nicht vergessen!
12 Vhr.
Zwölff Botten sendet vnser Herr
Die Völcker zu bekehren:
Gereiset seind sie weit, vnd fehr,
Den glauben zu vermehren.
Nun bitt ich sie von hertzen grund,
Sie bringen mir zu wegen,
Als offt ich hör deß tages stund,
Mir komm der Gottes Segen.
Amen.

[O Gott, will dich nun preisen]

[434][472]
O Gott, will dich nun preisen,
Preisen ohn vnterlaß.
Ehr will ich dich beweisen,
Daß hell vnd Teuffel raß.
Wan dich nur recht mag loben,
Frag weiters nirgend nach,
Wan schon all welt solt toben,
Wolt ich fortfahren doch.
Dich meinen Gott vnd Herren
Will ich hertzwillig sein
Mit lobgesang zu ehren,
Biß in das grabe mein:
[472]
Ja wan schon ich geh schlaffen,
Schlaffen wol in daß grab,
Will dir doch lob verschaffen;
Soll drum nit nemen ab.
Nach mir will ich verlaßen
In meinem Testament,
Ein liedlein schön ohn massen
Zum Gottes lob verwendt.
Daß wird noch wol erklingen.
Ob ich schon storben bin:
Es werdens andre singen,
Wan ich schon bin dahin.
Dan auch mein geist wird springen,
Hoch in des Himmels Saal,
Vnd frölich sich erschwingen,
Mit hellem frewdenschall.
Auff harffen wird er schlagen
Das Alleluja rein,
Mag dan wol frewdig sagen,
Da recht, so muß es sein.
Ach springt nun vmb vnd vmben,
Ihr Engel Gottes all,
Last jauchtzen, spielen, trummen,
Laßt gehn posaunen schall.
Laßt pfeiffen, lauten, geigen,
Gar lieblich gehn zu hauff,
All ehr last Gott erzeigen:
Nur bald; bald auff, bald auff.
[473]

Notizen
Erstdruck in: Güldenes Tugend-Buch, Köln (Wilhelm Friessem) 1649.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Spee, Friedrich. Geistliche Lieder aus dem Güldenen Tugendbuch. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1313-A