142. Diebe festzubannen.

Die über Nacht im Freien bleibenden Gegenstände, namentlich Wäsche auf der Bleiche, das Obst auf den Bäumen, Bienenkörbe usw. schützt man vor Diebstahl, indem man die Diebe festbannt, festsetzt. Jemand, der das Besprechen versteht, geht dreimal (rücklings, Ammerld.) um den zu schützenden Raum (geht einmal um den Raum, aber ohne den Kreisgang zu schließen, indem er also den Umgang nicht ganz vollendet – Holle), betet das Vater unser rückwärts und spricht: »Komm, Petrus, mit dem Schlüssel [119] und binde, binde, binde!« (Ammerld.), oder betet Evangel. Joh. Kap. 1 V. 1-14 rückwärts (Cloppenbg.), oder spricht einen der folgenden Segen: »Die heilige Jungfrau Maria ging im Garten, die h. drei Engel rüsten ihr (mußten sie? mußten ihr Kind?) tragen und warten. Der erste h. Engel heißt S. Michael, der andere h. Engel heißt S. Gabriel, der dritte h. Engel heißt S. Raphael. Da sprach S.a. (sanctus apostolus) Petrus: ›Unsere liebe Jungfrau, ich sehe hier drei Diebe bei S. Jesum stehen, und die wollen dein liebes Kind Jesum stehlen.‹ Da sprach die h. Jungfrau zu Petrus: ›Binde die Diebe mit Stricken und Banden und mit Gottesgnade, daß der Dieb, der mich bestehlen will, müsse stehen wie ein Stock und wie ein Block und als wie ein Nagel in der Wand, bis so lang als 24 Stunden sind lang und bis so lange die h. Jungfrau gebäre ihren anderen Sohn.‹« (Handschriftl. a.d. Saterld.)

»A. Petrus (apostole P.) a. Petrus, a. Petrus. Kommt von Gott die Gewalt, daß, was du binden würdest mit der Hand, mit der Hand Gottes, Hand der Christus, der Hand aller Diebe (mit der Hand Christi die Hand aller Diebe?), die mir mein Gut wollen von der Hofstätte tragen, auf daß sie sollen stille stehen wie ein Stock und wie ein Block, sie seien jung oder alt, groß oder klein, so sollen sie von Gott dem Vater gestellet sein, von Gott dem h. Geiste gebunden sein, von den drei Personen in 24 Stunden beschweret sein, daß sie keinen Schritt weiter vor oder hinter sich gehen können, bis ich sie wieder mit meiner Zunge Urlaub gebe, die stehen mir alle hier, die zwischen Himmel und Erde sein und alle – – – Tau, Laus (Tau, Laub?) und Gras, das tue ich im Namen des Vaters« usw. (Handschr. a.d. Saterld.)

Wenn der Dieb nach den so geschützten Sachen langen will, ist er plötzlich festgebannt, muß stehen bleiben, die Augen nach den Sternen gerichtet oder zu Boden gesenkt, und kann sich nicht rühren. Der Beschwörer muß aber Sonnenaufgang nachsehen und den festgemachten Dieb lösen, sonst muß derselbe 24 Stunden lang stehen, und seine Zunge wird schwarz, oder wie öfter auch gesagt wird, der Dieb wird schwarz und muß sterben oder die Sonne wird ihn zerschmelzen. Die Lösung geschieht dadurch, daß der Beschwörer dreimal recht (vorwärts) wieder um geschützte Stätte geht, das Vater unser recht hersagt und spricht: »Komm, Petrus, mit dem [120] Schlüssel und löse, löse, löse!« (Ammerld.) oder: »Gehe hin, Dieb, im Namen des Vaters« usw. (Saterld.). Sich selbst würde der Dieb erlösen können, wenn er die Sterne am Himmel oder den Sand am Meere zählte; da das aber niemand vermag, »mot he woll stahn bliben« (Holle). – In einer Mitteilung wird gesagt, daß man auch nach vollbrachtem Diebstahl den Dieb in einen Zauberkreis bannen könne.

a.

Ein Mann bei Hooksiel, dem zu seinem Verdrusse alle Äpfel aus dem Garten gestohlen wurden, bannte den Dieb fest. Der Bann wurde wirksam, grade als der Dieb unter dem Baume stand und einen Apfel angefaßt hatte. Der Eigentümer verschlief sich aber des Morgens ein wenig, und als er in den Garten kam, war die Sonne schon vor einer Viertelstunde aufgegangen. Da war der Dieb kohlschwarz geworden und gestorben.

b.

Es kam einmal eine alte Frau des Abends zu einem Müller und bat um Nachtquartier. Der Müller nahm sie freundlich auf, gab ihr zu essen und zu trinken und wies ihr ein warmes Bett an. Am andern Morgen, als die Frau weiter gehen wollte, dankte sie dem Müller vielmals und konnte des Dankens kein Ende finden, sondern fing immer wieder von vorne an. Zuletzt sprach der Müller: »Ich muß nach meinen Leuten sehen,« sie aber bedankte sich nochmals und sagte: »Sehet, ich habe hier ein Büchlein, das will ich euch geben; wenn ihr fleißig darin leset, so ist es euch mehr wert als eine Kanne voll Goldstücke.« Der Müller nahm es mit Dank an und las auch fleißig darin. – Eines Abends, als der Müller grade bei seinem Buche saß, hörte er auf einmal ein Geschrei bei seinem Hause, und es dauerte nicht lange, so kamen sechs große bewaffnete Männer, klopften an das Fenster und begehrten mit lauter Stimme Einlaß. Der Müller weckte seine Frau und Tochter, die schon zur Ruhe waren, und dann ging er hin und öffnete den Männern das Haus. Diese waren sehr zornig, daß er sie so lange habe warten lassen, und sprachen: »Du alter Mehlwurm, hast wohl schon manchen betrogen!« Der Müller antwortete: »Kommt nur herein, ihr könnt essen, was ihr wollt.« Die Räuber sprachen: »Wir sind auch sehr hungrig, und wenn du uns auch nichts geben wolltest, wollten wir doch schon was bekommen.« Der Müller trug ihnen ganz dienstfertig auf Wein, Butter, Käse und alles was sie nur wünschten, und sagte: »Nun esset und [121] trinket, meine Frau und Tochter sollen euch aufwarten, wenn noch was fehlt, könnt ihr es nur sagen.« Dann sah er vor sich hin und betete. Die Räuber riefen: »Du alter Schurke, es soll ohne Beten wohl schmecken.« Der Müller antwortete: »Esset nur zu.« Da wollten sie zugreifen, aber mit einem Male standen alle fest, und niemand rührte sich. Der Müller sprach: »So faßt doch zu, ihr rohen Gäste!« Da sahen sie sich alle an, aber ihre Glieder waren nicht beweglich. Und der Müller sprach weiter: »Für diesmal will ich euch wieder gehen lassen, denn wenn ich euch so lange festhalte, bis die Sonne aufgeht, werdet ihr alle schwarz wie die Nacht. Und machet, daß ihr aus dieser Gegend fortkommt, sonst, wenn ich euch nochmals treffe, so sollet ihr fällig sein.« Seit dieser Zeit hat man in der Gegend nichts mehr von Räubern gehört. – Ein ähnliches Festmachen kommt vor 204 x, y. – »In meinem Heimatdorfe H. wohnte ein Mann, der einen Strumpfhandel trieb. Wenn die Strümpfe gewaschen und gewalkt waren, mußten sie einige Tage und Nächte draußen aufgehängt bleiben. Gestohlen wurde nichts. Der Mann ›besprach‹ die Wäsche, das war bekannt, und nach Strümpfen lüsterne Diebe mieden den Hof wie die Pest.« (Cloppenburg.)


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 142. Diebe festzubannen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-20EB-C