157.

Manche Vorzeichen ereignen sich so oft, daß sie von denen, die es angeht, sogleich richtig gedeutet werden, wenn sie auch nur Nebenpunkte betreffen. So stellt sich bei gewissen Handwerkern des Nachts ein Rumoren unter den Gerätschaften und Materialien in der Werkstätte ein, und der Meister weiß dann, daß er bald Arbeit ins Haus bekommen wird. Wie Tod und Begräbnis am häufigsten vorspuken, so sind es auch die Tischler und Totengräber, welche am häufigsten durch Vorspuk merken, daß ihre Tätigkeit zur Anfertigung eines Sarges, zum Auswerfen eines Grabes in Anspruch genommen werden soll. Jene hören ein Gepolter, als wenn Holz umgestapelt würde, oder sie hören den Hobel zischen und heulen, die Meßschnur aufschnellen, wie dies beim Ausmessen und Abreißen der Bretter vorzukommen pflegt. Bei dem Totengräber klirren die Spaten, die Hacken fallen um, die Bahren knarren usw. Der Totenbarbier (in jedem Dorfe war früher ein Eingesessener, der die Leichen beim Auskleiden barbieren mußte) hört das Rasiermesser sich im Kasten bewegen oder er wird nachts gerufen.

Bauern, die das Sargholz gewöhnlich fertig liegen haben, hören eine Bewegung der Bretter, wenn ein Toter in Sicht ist. Küster hören ein Klopfen, wenn ein Versehgang in Sicht ist (Münsterland). »Diese Nacht bin ich geklopft worden,« sagte ein Küster, »ich werde also bald geweckt werden,« und er behauptete, er würde immer vorher aufmerksam gemacht, wenn er zu Kranken müsse (Münsterland).

a.

Ein Tischlerlehrling zu Rodenkirchen erzählte: »Ich weiß es jedesmal vorher, wenn wir einen Sarg machen müssen. Einige Nächte vorher höre ich, wie mein Meister die Bodentreppe, ich schlafe darunter, hinaufgeht, wie oben die Dielen durcheinander geworfen und rutschend die Treppe hinabgelassen werden, wie in der Werkstätte gesägt und gehobelt wird.« – »Warum stehst du dann nicht auf und siehst zu, da du doch sonst nicht bange bist?« – »Ich habe es einmal getan und tu es nicht wieder. Auf dem Boden war erst ein fürchterlicher Spektakel, die Dielen wurden durcheinander geworfen, herabgelassen, meines Meisters Schritt kam die Treppe herunter. Dann fing es in der Werkstatt an zu sägen, zu hobeln, zu poltern, und ich hörte deutlich, wie der Geselle in seiner besonderen[143] Weise eine Diele an der Hobelbank festdrehte und zu hobeln anfing. Ich stand auf. Kalter Schweiß bedeckte mich, die Haare standen mir zu Berge. Da sprach ich zu mir selbst: ›Ich will hinein, und wenn der Teufel selbst darin ist,‹ nahm meinen ganzen Mut zusammen, ging zur Werkstattstür, riß sie auf und rief: ›Donner und Doria, was ist hier?‹ Aber die Werkstätte war finster und alles still. Ich schloß die Tür und legte mich ins Bett, aber kaum war ich wieder warm, da ging der Lärm aufs neue los, bis es eins schlug – da war alles still. Acht Tage später starb N., wir mußten den Sarg machen, und es kam alles so, wie ich es gehört hatte.«

b.

Ein Zimmermann zu Wardenburg saß eines Abends mit seiner Familie in der Wohnstube, da hörten alle auf einmal einen Ton, wie wenn eine Zimmermannsschnur hell auf Holz schlägt. Die Anwesenden wußten, daß dies auf Anfertigung eines Sarges deute, konnten sich aber durchaus nicht erklären, daß grade hier, wo doch nie gezimmert wurde, dergleichen vorkommen könne. Nach kurzer Zeit fiel jedoch der Ofen in der allein neben dem Hause stehenden Werkstatt ein, und da grade starker Frost eingetreten war, konnte der Ofen jetzt gleich nicht wiederhergestellt werden. Nun traf es sich, daß grade ein Sarg bestellt wurde, der natürlich eilig fertig mußte. In der kalten Werkstatt konnte er nicht gemacht werden, so blieb sonst kein Rat, als die Wohnstube zur Werkstatt zu machen. Als nun dort das Holz abgerissen wurde, schlug die Schnur grade so hell an, wie die Familie es schon einmal gehört hatte, und es war klar, daß hiemit der Spuk ausgetan sei. – Zu einer anderen Zeit geschah es, daß in demselben Hause in der zweiten Stube, die als Weberwerkstätte benutzt wurde, einer der Hausgenossen sich dorthin zurückgezogen hatte, um ungestört zu lesen, während das auf dem Webestuhl ausgelegte und geschmittete (gekleisterte) Garn trocknete. Da hörte er denselben wohlbekannten Schlag der Schnur. Hier, dachte er, wird doch sicher kein Sarg gemacht. Aber kurz darauf wurde wieder ein Sarg bestellt, und da man grade einige Tage vorher trockene Dielen in die Werkstatt gestellt hatte, die nun gebraucht werden mußten, kam der Spuk dennoch aus.


Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 157. [Manche Vorzeichen ereignen sich so oft, daß sie von denen, die]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2123-6