160.

Die spukhafte Erscheinung von Licht und Feuer hat ihre feststehende Bedeutung. Ein kleines weißliches oder bläuliches Flämmchen bedeutet einen Todesfall. Wenn man auf der Bettdecke eines Kranken zur linken Hand ein kleines Flämmchen sieht, wenn es auf der Brust eines auch scheinbar gesunden Schläfers, wenn es selbst im leeren Alkoven sich zeigt, so weiß man Bescheid; der Kranke, der Schläfer, der gewöhnliche Inhaber des Alkovens ist fege, dem Tode geweiht. Sieht man ein Licht auf der Diele, so wird dort jemand sterben; sieht man es auf dem Wasser, so muß dort jemand ertrinken. Wird jemand verunglücken (durch ertrinken, erschießen usw.) so sieht man vorher [159] ein Licht sich bewegen auf dem Wege, den der Ertrinkende usw. zum Unglücksorte nehmen wird, oder auf dem nachher der Verunglückte nach Hause transportiert wird (Westerburg). Sieht man einen Feuerfunken vom Hausgiebel fallen, so stirbt eine Hauptperson des Hauses; überhaupt jede Lichterscheinung am Dache sagt den Tod eines Hausgenossen voraus. Ist aber eine Lichterscheinung hellglänzend und rot, so bedeutet sie gutes, und wenn sie gar hüpfend sich bewegt, so ist es ein Brautwagen, oder wie es in Holle heißt: ein Totenlicht zieht langsam und ruhig dahin, ein Licht, das auf eine Hochzeit hindeutet, hüpft und tanzt. (Vgl. 26). Ein Licht auf Fahr- und Fußwegen, das sich fortbewegt, deutet in katholischen Gegenden meist auf einen Versehgang hin (Bringen der Sterbesakramente zu einem Kranken, wozu immer ein Licht in einer Laterne mitgenommen werden muß).

a.

Ein Knecht in Jeverland war nach einem anderen Dorfe gewesen. Auf dem Rückwege stieß ein helles Licht zu ihm. Er lief weg, aber das Licht verfolgte ihn stets. Als er zu Hause ankam, erzählte er das Begegnis, ward aber von dem Bauern tüchtig ausgelacht. Der Knecht legte sich zu Bette und am anderen Morgen war er tot.

b.

In Wardenburg kam einmal abends im Finstern ein Schmied mit seinen Gesellen aus der Werkstatt, um ins Haus zu gehen, weil es Feierabend war. Als sie nun vor den im Unterschlage des Hauses befindlichen Fenstern waren, bemerkte der Meister durch dieselben auf der Hausdiele unweit des Herdfeuers ungefähr in der Höhe eines Stuhles ein kleines, zitterndes, dem Verlöschen nahes Flämmchen. Er blieb stehen, sah es genau an, merkte sich die Stelle und zeigte auch den Gesellen die Erscheinung. Dann gingen alle hinein. In der Stube fragte der Schmied die Hausgenossen, ob soeben jemand draußen auf der Diele gewesen sei, aber sie verneinten es. Kurze Zeit darauf wurde das Kleinste der Familie sterbenskrank und rang mit dem Tode, konnte aber gar nicht zum Sterben kommen. Die Mutter trug es auf dem Arme im Haus umher, um ihm frische Luft und Linderung zu verschaffen, aber alles umsonst. Da fiel dem Vater das Flämmchen von letzthin ein. Er nahm einen Stuhl, stellte den an die ihm bekannte Stelle und bat die Mutter, sich doch einmal mit dem Kranken dorthin zu setzen. Sie tat es, und sofort ward das Kind ruhig und war nach einigen Augenblicken verschieden.

[160] c.

Vor mehreren Jahren sah man auf der Chaussee in Tweelbäke ein Licht auf- und niederhüpfen. Nicht lange nachher kamen auf derselben Stelle zwei Kinder um. Sie waren in das Schiff eines stillstehenden Frachtwagens gekrochen und eingeschlafen. Als der Fuhrmann, welcher die Kinder nicht bemerkt hatte, weiter fuhr, wachten die Kinder auf und wollten aus dem Schiffe steigen, gerieten dabei aber unter die Räder und wurden jämmerlich zu Tode gequetscht.

d.

Als einmal jemand in der Lethe ertrunken war, und seine Leiche nicht aufgefunden werden konnte, gab ein Tischler die Stelle an, wo sie sich befand. Er hatte dort früher wiederholt ein Licht brennen sehen. – Auf einem Graben unweit der Bokler Bug sah man öfter ein bläuliches Licht. Dies war schon mehrmals beobachtet, als ein Anwohner am hellen Tage auch das Rasteder Amt nach jener Stelle fahren und dieselbe besichtigen sah. Doch kaum war dies geschehen und der Wagen wieder bestiegen, als alles vor seinen Augen verschwand. Etwa acht Tage darauf verunglückte hier ein Mann, und das Amt kam wirklich zur Besichtigung.


Vgl. 545 a.

e.

In einem Hause zu Absen war einst ein Fremder. Derselbe ging aus dem Hause und kam bald nachher blaß vor Schrecken wieder hinein. Nach der Ursache seines Schreckens gefragt, antwortete er anfangs ausweichend; auf weiteres Zudringen gestand er aber endlich, er habe draußen eine Erscheinung gehabt und wisse nun, daß bald in diesem Hause jemand sterben müsse. Er habe unter dem Dache (unter der Oese) einen Stern gesehen, der allmählich größer geworden sei, das deute auf den Tod eines Erwachsenen; sei ein Kind gemeint gewesen, so würde der Stern nach und nach kleiner geworden sein. Bald darauf starb der Hauswirt selbst.

f.

Ich war 13 Jahre alt, meine Schwester, die an einer schleichenden Krankheit litt, 12 Jahre. Wir schliefen mit den Eltern in einer Kammer, meine Schwester bei meiner Mutter, ich beim Vater, die Betten standen nebeneinander, durch einen meterbreiten Gang von einander getrennt. Eines Tages erzählte meine Mutter dem Vater, sie habe verschiedentlich auf der Stelle, wo er schliefe, ein Licht brennen sehen, er möge doch vorsichtig sein, sie habe große Angst für sein Leben. Ich merkte, daß die Nachricht dem Vater nicht angenehm war, aber er schwieg dazu. Unterdeß ging es mit der Gesundheit meiner Schwester immer mehr abwärts, sie spielte und ging noch umher, aber ihr Zustand [161] ließ es doch rätlich erscheinen, mich auszuquartieren, ich mußte fortan in einer Nebenkammer schlafen. Eines Nachts wurde ich geweckt, die Kranke hatte nach mir verlangt. Wie der Blitz fuhr ich aus dem Bett und stand bald darauf am Lager der Schwester. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und rief meinen Namen, dann legte sie sich zurück. Nach einer Weile sagte sie: »Nun legt mich in Papas Bett, da liege ich besser.« Kaum war sie dort gebettet, gab sie ihren Geist auf. Dort, wo sie ihr Köpfchen im Sterben neigte, hatte meine Mutter das Licht brennen sehen. (Vechta.)

g.

Die nachfolgende sehr alte symbolische Vision schließt sich wohl hier am passendsten an. Sie ist entnommen einer Aufzeichnung aus der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrh., welche sich in der Handschrift der ältesten Chronik des Klosters Rastede findet. Der oldenburgische Graf, von welchem die Vision handelt, ist vermutlich Konrad I., der Gründer des oldenburgischen Stadtrechts, der Schreiber ist ein Angehöriger des Klosters Rastede. – Es war einmal zu Oldenburg ein Graf, welcher durch seine Vögte den Bauern dieser Kirche sowohl in Stedingen als im Ammerlande gar manche Unbill zufügte. Auch säete er den Samen der Zwietracht zwischen Abt und Brüdern, ließ die Brüder, welche für den Nutzen und die Ehre der Kirche arbeiteten, gefangen setzen, und ging damit um, den Bauern Geld abzupressen. Und obwohl er von seinen vertrauten und getreuen Freunden öfter ermahnt wurde, abzustehen, gab er in seinem verstockten Gemüt seine Absicht doch nicht auf. Daher erbarmte sich die heilige Mutter Gottes, welche in allen Gefahren die getreueste Trösterin ist, der Diener dieses Ortes und beschwichtigte die Gewalttätigkeit des gedachten Grafen in solcher Art. – Es trug sich nämlich zu, daß ein frommer Priester, der aber nicht dieses Ortes war, zeitiger als gewöhnlich aufstand und seiner Andacht halber in die Kirche ging und dort vor Tagesanbruch seine Morgengebete sprach. Nach dem »Herr Gott dich loben wir« hielt er inne und verfiel auf seinem Sitze vor dem Altare in ein Sinnen. Wie er nun so da saß und über verschiedenes nachdachte, sah er drei Brüder unseres Klosters, die längst verstorben waren, in ihren Kapuzen herbeikommen, die stellten sich vor ihn und grüßten ihn bei Namen. Weil er aber allein war in der Kirche und wußte, daß jene längst tot waren, geriet er in nicht geringe Bestürzung. Nun sah er an der anderen Seite eben jenen[162] Grafen, mit köstlichen Kleidern angetan, auf einem Sessel neben dem Altare sitzen. Derselbe war umgürtet mit einem köstlichen Gürtel, und recht vor der Brust, wo der Gürtel geschlossen wurde, hatte er einen überaus köstlichen Stein, von dessen Glanze die ganze Kirche erleuchtet wurde. – Die Brüder schritten ehrerbietig und demütig vor den Altar, und einer von ihnen redete das Bildnis der heiligen Jungfrau, welches auf dem Altare stand, folgendermaßen an: »O Maria, die du bist die Mutter der Barmherzigkeit und die beständigste Helferin in aller Not, dir und deinem Sohne klage ich in der Bitternis meines Herzens und im Schmerze, daß jener Graf da unser Kloster in allen Dingen stört und hindert.« Der zweite Bruder aber sprach so: »O, Maria, Königin des Himmels und über alle Chöre der Engel wunderbar erhöht, dir klage ich, daß jener Graf unser Kloster in vielen Dingen geschädigt hat.« Der dritte Bruder aber sagte: »O Maria, die du aus deinem Schoße geboren, den alle Kreatur fürchtet, der Himmel und Erde und alles, was darinnen ist, geschaffen hat, dir klage ich, daß jener Graf da unser Kloster, das deinem Dienste und deiner Ehre bestimmt ist, also hindert und schädigt, daß es in kurzem, wenn nicht die Hand deiner Barmherzigkeit Hülfe bringt, vernichtet und zerstört werden muß.« Und das Bildnis antwortete und sprach also: »Ich will dieses Grafen Bosheit strafen!« Und es stieg von dem Altar, riß mit Heftigkeit jenen köstlichen Edelstein von der Brust des Grafen und schleuderte ihn auf das Pflaster der Kirche, daß er in tausend Stücke zersprang. Darob erhob sich der Graf; sein Antlitz wurde sofort schwarz und schauderhaft, und mit lautem Schrei und jämmerlichen Klagen schritt er aus der Kirche. Das Bildnis aber kehrte zurück und stellte sich auf den Altar. Hierauf verneigten die drei Brüder sich tief, sprachen demütig ihren Dank aus und schritten aus der Kirche, und nach ihrem Weggange schlugen die Türen der Kirche zu. – Der fromme Priester aber, welcher dies alles hörte und mit körperlichen Augen ansah, wurde in die größte Angst versetzt. Jener Graf aber fing sofort an zu kränkeln und ging binnen vierzehn Tagen in Raserei aus dieser Welt, ohne über das Heil seiner Seele irgend eine Bestimmung zu treffen. – Es hat uns jener Priester bei dem Leibe Christi, den er oft in seinen Händen getragen, geschworen, daß er dies alles, wie es niedergeschrieben ist, gesehen und gehört hat. Jene drei [163] Mönche aber, welche die Klagen über den Grafen vorbrachten, waren fromme und gottesfürchtige Männer gewesen und hatten in diesem Leben der heiligen Jungfrau mit großer Demut in diesem Kloster gedient. Und Gott weiß, daß wir alle ihr Leben kennen, dieweil sie in jedem guten Werke eifrige und treue Diener Gottes waren.

h.

Eines Abends sieht mein Vater durch das offene Fenster ins Freie. Plötzlich sagt er: »Was ist das, ein Licht kommt den Weg herunter, gerade auf unser Haus zu?« Gleich darauf war der Lichtschein verschwunden. Es war damals noch nicht Sitte, die Wagen mit Lichtern zu versehen, und fremde Kutschen, die Lichter führten, kamen des Weges nicht. Einige Tage darauf wurde die Frau des Nachbars versehen und der Wagen mit dem Geistlichen und dem Lichte nahm die Richtung, die kurz vorher das Spuklicht genommen hatte (Goldenstedt).

i.

In der Aue hat man ein Licht brennen sehen. Es wird dort ein Kind ertrinken und eine Frau im rotem Rock hinlaufen, um das Kind zu retten (Bösel).


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 160. [Die spukhafte Erscheinung von Licht und Feuer hat ihre feststehende]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-21E5-1