578. Stollhamm.

a.

Wo jetzt das fruchtbare Butjadingerland sich erstreckt, war ehedem die salzige See, und Schiffe segelten darüber hin. Aber der Schlick sammelte sich schon an, und ein Kapitän sah das Entstehen festen Landes voraus. Als er einst dort segelte, sprach er: »Hier ward noch mal 'n stolten Hamm wäsen«, und das war an der Stelle, wo jetzt Stollhamm liegt.

b.

Vor Zeiten, als die Glocken noch selten waren hier im Lande, galt der Brauch, daß ein Dorf dem andern seine Glocken stehlen und, wenn es nur gelang, sie über die Grenze zu bringen, auch unangefochten behalten durfte. Nun hatten die Tossenser zwei Glocken, die Stollhammer aber gar keine. Die letzteren zogen deshalb in einer finsteren Nacht mit ihren Pferden in das Kirchspiel Tossens hinein, holten eine Glocke vom Turm, spannten die Pferde davor und jagten davon. Aber die Tossenser waren wach geworden und folgten den Dieben nach, die zu verdoppelter Eile ihre Pferde antrieben. Schon waren sie vor der Brücke, welche beide Kirchspiele trennt, da brachen zum Unglück die Stränge. Aber rasch entschlossen rissen die Stollhammer ihren Pferden die Schwänze aus, knüpften sie an und brachten glücklich die Glocke über die Brücke. Seit der Zeit heißen die Stollhammer bei ihren Nachbarn Strappenluker. Die gestohlene Glocke trug vordem die Inschrift: »Maria ick heete, de van Tossens hebbet mi laten gete«, ist aber schon seit längerer Zeit umgegossen.


Vgl. 564.

c.

In de Wisken liggt dicht bi'nanner twee Burstäen, de heet de grote Smärpott un de lüttje Smärpott, un nich wit deraff is 'n Hus, dat heet up'n Kattenbarg. In'n groten Smärpott hett in olen Tiden 'n Mann wahnt, de jummer bi Nacht all sin Frucht, ok sin Torf, infahren harr un all sin Arbeit upn Felde dahn harr; Pär hett he nich hatt, awers woll 'n Wagen. Nu dreep 't sick, dat sin Naber umn Wagen benaut weer un wull een lehnen van den Mann, de upn groten Smärpott wahnd. Disse hett seggt. »Ja, den kannst du krigen, man he is nonnich smärt« Den annern Morgen vor Dag un Dage geiht nu de Naber hen un will den Wagen hahlen, do de, de upn groten Smärpott wahnt hett, noch vor Anker liggt (noch schläft). Do wull de Mann, de den Wagen hahlen deh, em [386] erst noch smären un hahlde den Smärpott, denn he wuß, war he stund. Man as he nu derbi weer, dat veerde Rad to smären, kamm de Wagen van sülwst in Gang un leep in vuller Flucht foort un van 'n Hof heraff. De Mann, de up den groten Smärpott wahnd, kamm noch to rechter Tid uten Slap un sach den Wagen lopen, as he bin lütjen Smärpott was, un reep gau:


»Trinnöhlken Smär,
Kumm hier man här!«

Foors kummt de Wagen wär um, denn dit was dat Woord, dat en bespreken kunn, wat awers numms kennt harr. Van de Tid an hett dat ene Hus de grote un dat anner de lüttje Smärpott heten. Den Mann up den groten Smärpott hebbt se vor kin goden holen, derwilen he all sin Arbeit alleen mit 'n Wagen ane Pär dahn hett. Nu mut ick seggen, de Lü upn Kattenbarg, de nich wit van 'n groten Smärpott liggt, sund woll an dissen bemeiert wäsen, derwilen se vaken Hülpe nödig harren. Do hebbt de Lü, de in dat Hus wahnden, wat nu Kattenbarg heet, woll den Namen Katten krägen, wil man vor dissen de Katten for gefährlke un vor Deerten ansah, de mehr kunn' as anner.

d.

In Stollhamm besitzt die Armenkasse ein großes Vermögen in Ländereien. Vor Zeiten war dort ein Armenknabe auf Kosten der Gemeinde gehörig erzogen und nach seiner Konfirmation einem Schneider in die Lehre gegeben. Nach überstandenen Lehrjahren zog der Schneider in die Welt und kam auch nach Kopenhagen. Hier ließ er sich als Soldat annehmen und brachte es durch Verstand und Tapferkeit dahin, daß er zum Offizier ernannt wurde und großes Ansehen erwarb und die Tochter eines sehr reichen Kaufherrn heiratete. In seinem Glücke vergaß er der Heimat nicht. »Ich mag nicht von Armen wegen aufgezogen sein,« sagte er zu seiner Frau, »und will den Stollhammern alles vollauf erstatten, was sie an mir getan haben.« Die Frau gab ihm recht, und er schenkte der Armenkasse zu Stollhamm zwei ansehnliche Hofstellen und noch andere Ländereien, sodaß die Gemeinde aus dem Ertrage ihre sämtlichen Armenausgaben bestreiten kann.

Ein Hexenberg: 218, ein Spukhamm: 187e.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 578. Stollhamm. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-222B-E