181.

Auch das Gehör nimmt den Spuk wahr. Nicht nur daß viele Wiedergänger auf Fragen eines Lebenden antworten (z.B. 171b, d, e, i, k, 173a, h, n etc.), ist bei manchen das Hervorbringen von Lauten der Kern des Spukens. Man vernimmt entweder einen eintönigen, aus der Ferne herkommenden, immer mehr sich nähernden klagenden Ruf oder das Geräusch und Getön, das der Lebende zu machen gewohnt war. Seltener ist eine körperliche Berührung, aber man hat doch auch manche Beispiele, daß Gespenster einem einsamen Wanderer aufhocken oder einem Fuhrmann auf den Wagen [237] springen; es zeigt alsdann der Wiedergänger sich stets von außerordentlicher Schwere. Auch wissen sie mitunter kräftige Schläge zu führen (171e, 179w, 184m).

a.

In den Ämtern Vechta und Cloppenburg spukt der »ropen Kärl.« Er geht über Fresenholz südlich von Norddöllen, ferner neben den Gütern Bomhof und Strohe, endlich im Kirchspiel Emstek neben der Bauernschaft Repke her nach dem Emsteker Desum, dem Platze, wo ehemals in einem kleinen Holze das Desumer Gericht gehalten wurde. – Der rufende Kerl ist ein Schäfer aus dem Kirchspiel Goldenstedt, welcher ehemals für eine Speckseite vor dem Desumschen Gerichte mit einem Meineide eine Markengrenze abgeschworen haben soll. Er geht nun jede Nacht vom Desum nach Großenfeldhaus bei Goldenstedt und ruft von Zeit zu Zeit mit ganz kläglicher Stimme: »O Gott!« Von vielen ist er gehört worden, und mancher ist vor ihm gelaufen. – Einst waren aus Norddöllen vier Personen, zwei Knechte und zwei Mägde, in der Frühe nach Vechta gegangen. Auf dem Freesenholze blieb einer der Knechte etwas zurück, da hörte er eine Stimme rufen, und er gab schnell zur Antwort: »Dann gehe geschwind zu!« Aber auf einmal hatte er eine sehr große, ganz glühende Gestalt vor sich. Er fing aus vollem Halse an um Hülfe zu rufen, aber die drei übrigen, welche etwa zehn Schritte vor ihm waren, sahen von der Erscheinung nichts. Der sonst sehr beherzte Knecht hatte sich so erschreckt, daß er an allen Gliedern zitterte und kaum im Stande war, den Weg nach Vechta zu vollenden, auch den ganzen Weg nicht essen noch trinken mochte.


Vgl. 176f, g, r, 182s, 184h.

b.

In der Astruper Gemeinheit, Ksp. Visbek, in der Kibitzheide, hört man nachts oft eine Stimme, als ob jemand riefe: »O helpt!« Auch haben einige Leute dort einen Mann gesehen, welcher mit einem Fuhrmannskittel bekleidet gewesen ist. Vor langen Jahren soll dort ein Wagen mit Töpfergeschirr umgeworfen und der Fuhrmann darunter gekommen sein. Der Fuhrmann ist betrunken gewesen und durch seine eigene Unvorsichtigkeit ums Leben gekommen, deshalb muß er wiedergehen und immer um Hülfe rufen.


Vgl. 176d, g, 182p, q, r.

c.

Ein Handelsmann kehrte eines Abends müde und matt in einem kleinen Hause im Wüstenlande ein. Er hatte ein Bündel mit Geld und Waren bei sich, das übergab er dem Wirte zur Aufbewahrung und legte sich dann auf eine Bank, [238] um auszuruhen, bis der Wirt das Essen fertig habe. Vor Müdigkeit fiel er in Schlaf. Dem Wirt gelüstete nach des Fremden Habe, und wie er ihn so mit offenem Munde schlafend da liegen sah, nahm er den Brei, den er bereitet hatte, und goß ihn kochendheiß dem Gaste in den Mund, so daß dieser laut und gräßlich aufröchelte und starb. Das Verbrechen wurde entdeckt und der Wirt hingerichtet. Aber auch nach dem Tode fand er keine Ruhe und muß, laut und gräßlich röchelnd wie der Gemordete, nachts durch das Land streifen. Er heißt deshalb das schreiend oder schrauend Ding. Er kommt in schnellem Trabe von Wüsting her und durch das Reiherholz. (Hude). Andere Geschichten vom schreienden oder schrauen Ding: 172d, 175a, 176b, 183s, 186r, 518e.

d.

Im Hannoverschen war ein Kornhändler, welcher viel Wucher trieb und dadurch sehr reich wurde. Als seine Tochter sich verheiratete, wurde ihr das Geld nicht zugezählt, sondern mit einer Schaufel zugemessen. Nach seinem Tode aber kam er gleich wieder auf seinen Boden zu messen und machte so viel Geräusch und Lärm, daß die Leute nicht mehr in dem Hause wohnen mochten, dasselbe abbrachen und an einer anderen Stelle wieder aufbauten. Nur ein alter Speicher blieb stehen und steht noch, aber er ist ganz verfallen, und kein Mensch wagt sich zur Nachtzeit hinein, weil alsdann dort der Wiedergänger sein Wesen noch treiben soll. Gesehen hat man ihn nicht, aber er arbeitet mit Scheffel und Schaufel die ganze Nacht und poltert auf der Treppe, als wenn immer Korn auf und ab getragen würde, so daß man es draußen hören kann.

e.

Im Langholter Meer, Ksp. Strücklingen, geht ein Mann wieder, der im Leben Musikant war; ein Pastor aus dem Saterlande hat ihn dorthin verwiesen. Als einst das Meer zugefroren war, kamen zwei junge Burschen, die in der Nähe die Schafe hüteten, dorthin. Da fiel ihnen ein, daß in dem Meere ein Musikant sein solle, und sprachen zueinander: »Komm, laß uns hier nicht stehen und frieren, sondern laß uns auf das Eis gehen, dann soll der Musikant uns was vorspielen.« Wie sie nun auf dem Eise herumschlittjeten, riefen sie: »Wenn du hier bist, Geist, so spiel uns mal ein Stückchen auf, dann wollen wir dazu tanzen.« Auf einmal hörten sie unter ihren Füßen eine wunderschöne Musik, wie sie schöner noch keine gehört hatten; sie dachten aber nicht mehr an tanzen, sondern liefen in großem Schrecken davon.

[239] f.

Wenn man von Friesoythe nach Ikenbrück will, muß man die Bischofsbrücke passieren. Ein Fuhrmann, der vor Jahren diesen Weg kam, hörte plötzlich eine Stimme hinter sich, die sagte: »O wie schwer ist mein Kopf, o wie schwer ist mein Kopf!« Der Fuhrmann erwiderte: »Wenn dein Kopf dir so schwer ist, so lege ihn nur hinten auf den Wagen.« Hierauf wurde der Wagen so schwer, daß die Pferde ihn nur mit genauer Not aus der Stelle bringen konnten. Um an den Ort seiner Bestimmung zu gelangen, mußte der Fuhrmann auf einen Nebenweg abbiegen, und als er dieses tat, wurde den Pferden der Wagen wieder leichter. Zu Hause angekommen, waren die Pferde naß von Schweiß und totmüde; der Fuhrmann aber wurde vom Schrecken so krank, daß er acht Tage das Bett hüten mußte. – Jene Stimme ist auf dem Wege auch von andern Leuten gehört. – Gespenster, die auf den Wagen springen 179t, 180h, 184e-g, 186g. Gespenster, die Menschen aufhocken: 176d, 179t, 183q, 184d, 185g, i, 502n.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 181. [Auch das Gehör nimmt den Spuk wahr. Nicht nur daß viele Wiedergänger]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2910-3