180.

Manche Spukerscheinungen, obwohl sie in der heutigen Meinung des Volkes unzweifelhaft ein Wiedergehen bedeuten, werden nicht weiter erklärt. So finden sich namentlich häufig Männer ohne Kopf. Eine Mitteilung aus Visbek weiß diese indessen zu deuten. Die Männer, welche ohne Kopf umgehen, heißt es, sind große Bösewichter gewesen, welche die Todesstrafe verdient, aber nicht erlitten haben, sei es weil ihre Untat nicht entdeckt ist, oder sie selbst durch List und Leugnen ihrer Strafe sich entzogen haben. Deshalb sind sie verurteilt, ohne Kopf bis zum jüngsten Tage wieder zu gehen, sofern sie nicht etwa durch anderer Hilfe erlöst werden. Andere erklären die Sache so: die kopflosen Wiedergänger sind wegen Verbrechen geköpft worden und müssen wegen ihrer Verbrechen auch noch wiedergehen. Doch weiß nur in einem unter vielen bekannten Fällen der Volksmund eine bestimmte Person, die ohne Kopf wiedergeht, zu benennen. Ferner zeigen sich spinnende Frauen, alte Männer mit Dreimastern etc.

a.

Bei Wöstendöllen, Ksp. Visbek, in dem sog. Busche, ist es nicht richtig. Einige haben einen großen Hund gesehen, andere einen großen Kerl ohne Kopf. Als ein Mann spät abends von Rechterfeld kam und durch den Busch mußte und an die Brücke gelangte, stand der große Hund vor ihm auf der Brücke. Er blieb stehen und getraute sich nicht, bei demselben vorbeizugehen, sondern ging zurück, um auf einem anderen Wege hinter den Wiesen nach Hause zu kommen, aber sowie er zurückging, sah er, daß der Hund immer größer wurde. Er fing an zu laufen, als er aber hinter den Wiesen war, sah er an einer Ecke einen Mann stehen, der keinen Kopf hatte. Nun lief er, daß er nach Hause kam, hatte sich aber dermaßen erschrocken, daß er nachher nie wieder abends ausging.

b.

Einst gingen zwei Männer abends nach dem Busche bei Wöstendöllen, um Feuerholz zu stehlen. Sie hatten jeder eine Säge bei sich und wollten sich Zweige absägen, aber als sie oben auf einem Baume waren, sahen sie den großen Kerl [234] ohne Kopf unter ihrem Baume stehen. Sie sprangen vom Baume, ließen Sägen und Karren im Stich und liefen davon. Aber nun kam ein Gekrach, als wenn alle Bäume umgebrochen würden, und die beiden wagten erst am andern Tage ihre Karren und Sägen wiederzuholen, so daß es gleich offenbar wurde, daß sie hatten Holz stehlen wollen.

c.

Zwei Kolonen in Nellinghof, Ksp. Neuenkirchen, beide der Kommende Lage eigenbehörig, prozessierten mit einander um ein Grundstück, genannt »im Sündern«. Obwohl alle Nachbarn der Meinung waren, das Grundstück gehöre dem Kolonen X, so gewann doch der Kolone Y den Prozeß, wie man meinte durch die eifrigen Bemühungen eines Pastors Y, der von Y.s Kolonate herstammte und Administrator des Gutes Lage war. Nach seinem Tode mußte dafür der Pastor Y auf dem genannten Grundstücke umgehen, und man sagt davon: »In Y's Sündern dar geht Y Pape wier sünner Koppe.« – Es handelt sich vielleicht um den Pastor Wieghaus auf Lage, von dem noch heute folgende Sage geht: Pastor Wieghaus und Sophie von Dorgeloh auf Schwieterings Kolonat zu Bieste (früher adeliges Gut) hatten zu gewissen Zeiten Brot an die Armen zu verteilen. Beide waren dem Geize verfallen, taten nicht ihre Pflicht und müssen nach ihrem Tode wiedergehen. Sophie geht mit Brot auf dem Rücken quer durch Schwieterings Garten. Der Pastor ging unter großem Geräusch quer durchs Haus bis auf den Westendorfer Esch und kniete dort nieder, die aufgehobenen Hände nach Lage gerichtet. Auf Anraten eines Paters baute man auf dem Hofe eine Kapelle mit dem Bilde des Gekreuzigten. Als die Kapelle fertig war, konnte der Pastor dort nicht vorbeikommen, und ist das Haus seitdem von ihm befreit. Die Kapelle steht noch heute auf Schwieterings Hof.

d.

Männer ohne Kopf oder mit dem Kopf unter dem Arme zeigen sich bei Oldenburg auf dem Neuenwege, auf dem Ohmstedter Moorwege, an mehreren Stellen im Ksp. Holle, im Ulland bei Stenum, bei Gottels im Ksp. Hohenkirchen, bei Grandorf in den Bergen, zu Neuenkirchen hinter dem Pfarrgarten etc. Vgl. auch 183p. Zu Oldenburg geht oder ging allnächtlich in der Gaststraße von der Poggenburg bis zum Walle eine weiße Frauengestalt ohne Kopf.

Auf dem hohen Esch bei Altenoythe geht nachts ein großer schwarzer Mann umher mit einem langen Rock, ohne Kopf und mit einem Feuertopf in der Hand. Der Mann hat [235] bei Lebzeiten einen Schafstall in Brand gesteckt und muß jetzt zur Strafe hier wandeln. Einer hat ihn gesehen mit einem Schafspelz bekleidet.

e.

In der Nähe von Sannum, Ksp. Huntlosen, stand ehemals ein alter hohler Buchenbaum, darin sah man des Nachts zwei Leute, Mann und Frau, bei einem Lichte spinnen. Näherte man sich dem Baume, so verschwanden Leute und Licht. Einige glauben, daß die beiden Alten dort einen Schatz gehütet haben. Jetzt ist der Baum nicht mehr vorhanden, und auch die nächtliche Erscheinung wird nicht mehr gesehen.

f.

Auf einer Stelle des Fußpfades zu Holle hat sonst eine Wiedergängerin gestanden, eine Frau mit Seeghede in der Hand. (Seeghede ist der kurze Flachs, welcher beim Spinnen abfällt). Spinnerinnen finden sich ferner auf dem zu Lindernland bei Hohenkirchen gehörigen Berghamm, bei Ohe, 523c, und an vielen Stellen im Cloppenburgschen, wo man ihren Anblick für Unheil bedeutend hält. In Markhausen sitzt in einer dunklen Gasse eine Frau mit glühendem Spinnrad und spinnt.

g.

In dem Kitzschen Hause und Garten an der Hinterstraße zu Vechta, deren Stelle jetzt ein Fabrikgebäude (Middendorf) einnimmt, soll einer mit einem Dreimasterhute gespukt haben.


Vgl. 183s, 194b, 185o.

h.

Auf dem Damme von Auen, Ksp. Lindern, nach Werlte spukt es. Manche haben dort ein Frauenzimmer mit einem Kinde jammernd am Wege sitzen sehen, andere eine Spinnerin. Anderen ist es passiert, daß ihnen dort ein Gespenst auf den Wagen gehüpft ist.

i.

Vor mehreren Jahren bezog ein Mann aus Ostfriesland eine neugekaufte Stelle im Ksp. Accum. Aber schon den ersten Abend zeigte sich eine Frau, hager und mittelgroß, mit greisem, gelblichem Kleide, die stillschweigend den Gang heraufkam und an den Hausbewohnern vorbei unter den Stubenfenstern durch nach dem Keller ging. So durchwandelte sie das ganze Haus und verschwand etwa nach einer Stunde. Anzuhalten oder anzufragen war sie nicht. Alle Hausbewohner haben sie gesehen, denn sie kam jeden Abend. Die Knechte Mägde sahen sie oft auf dem Gange und getrauten sich nicht, allein des Abends in die Scheune zu gehen.

k.

In Rodenkirchen gingen einst zwei Mädchen abends zum Melken. Sie hatten sich etwas verspätet und machten sich [236] daher gleich an die Arbeit. Es wurde bereits finster, als plötzlich ein grauser Spektakel in die Kuhweide kam, und wie die Mädchen sich umsahen, war es nichts anderes, als wenn zwei zusammengekettete Schafe kopfüber kopfunter sich auf sie zuwälzten. Die Kühe liefen weg, und holten sie dieselben wieder, war auch die Gestalt wieder bei ihnen, so daß zuletzt die Kühe förmlich wild wurden. Die Mädchen mußten ohne Milch nach Hause gehen und sind nie wieder so spät zum Melken gekommen. Die Rede geht, daß ein früherer Besitzer des Landes dies durch einen falschen Eid erworben habe, deswegen es dort nun nicht richtig sei.

l.

Am Wege von Evenkamp nach Helmighausen (Gem. Löningen) in der Nähe der Windmühle liegt ein Stück Eschland »Tweibackstück« genannt. Am Ende dieses Stückes sieht man eine von Brombeerensträuchern eingefaßte Kuhle. Ein Fuhrmann kommt einst um Mitternacht des Weges. Plötzlich sieht er am Rande der Kuhle einen Mann ohne Kopf stehen, der mit seinen langen hageren Fingern ein mattrotschimmerndes Schienfatt (Laterne) hin und her schwenkt. Als der Fuhrmann sich von seinem ersten Schrecken erholt hat, ist die Erscheinung verschwunden.

m.

An der Chaussee von Löningen nach Helmighausen liegen die sogenannten »Siepen«. Fährt in der sogenannten Geisterstunde ein Fuhrmann an diesem Orte vorbei, so steigt ein Mann ohne Kopf aus dem Sumpfe heraus und schneidet mit einem langen Messer den Pferden die Stränge ab.

n.

Aus Schulten Busch in Langwege (Gem. Dinklage), Tannenschonung gegenüber dem Dingbusch, kommt in der Dunkelheit ein Mann, hält seinen Kopf in der Hand und läßt ihn wie ein Kegelschieber zwischen die Beine des Vorübergehenden rollen.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 180. [Manche Spukerscheinungen, obwohl sie in der heutigen Meinung des]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2F26-0