141. Schlaf fest zu machen.

Der Finger eines ungeborenen Kindes dient Dieben, um die Bewohner eines Hauses, in welches sie eingedrungen sind, im Schlafe zu erhalten; er wird einfach auf den Tisch gelegt (Vechta). – In Wardenburg heißt es, Räuber und Mörder schneiden schwangeren Weibern den Leib auf und machen von den Fingern der ungeborenen Kinder Kerzen. Wenn diese Kerzen angezündet sind, so lassen sie, so lange sie brennen, keinen Schlafenden erwachen. Man kann die Kerzen nur auslöschen, wenn man sie in süße Milch taucht. – Wenn Diebe in ein Haus eingebrochen sind, verrichten sie mitunter in demselben, auf dem Tisch oder auf der Fensterbank, ihre Notdurft; so lange der Kot dampft, kann keiner der im Hause Schlafenden wach werden, oder so lange [118] werden sie nicht verfolgt. Ueber die Verbreitung dieses Aberglaubens vergleiche die Artikel »Einiges über den grumus merdae der Einbrecher« von Dr. jur. Albert Hellwig in der Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsform Seite 256 und 639 (Heidelberg, 1906).

a.

Früher ist im Münsterlande eine Diebesbande gewesen, deren man gar nicht hat habhaft werden können. Kein Schatz ist ihnen zu verborgen, kein Schloß zu fest gewesen. Die Diebe haben den Finger eines ungeborenen Kindes bei sich geführt, den haben sie jedesmal in dem Hause, wo sie gestohlen haben, auf den Tisch gelegt. Dann haben sie mit aller Ruhe und bei brennender Kerze alle Behälter öffnen und durchsuchen können, und weder ist von den Hausbewohnern einer erwacht, noch ist draußen das Licht bemerkt worden (Vechta).

b.

Hardemente, ein Räuberhauptmann des 18. Jahrhunderts im Kreise Berssenbrück, wurde in Iburg gehängt. In dem peinlichen Verhör, bei welchem man ihm heißes Oel auf den kahl geschorenen Kopf gegossen, hat er anfangs alles geleugnet, bis endlich der Teufel in Gestalt einer schwarzen Fliege aus seinem Ohre geflogen ist, da hat er bekannt. Unter Anderem hat er gestanden, daß er neun schwangere Frauen ermordet habe, um sich der Frucht zu bemächtigen. Wenn man nämlich einen Einbruch in ein Haus mache und so viele Finger von ungeborenen Kindern, getrocknet und mit Talg umgeben, anzünde, als Personen im Hause seien, so würden die Hausbewohner von dem festesten Schlafe befallen, und man könne ungestört das Haus ausräumen. Als er einmal, so hat er erzählt, einen Finger zu wenig angezündet, hat der Knecht gewacht. Der hat den Gegenzauber gekannt und die brennenden Finger in süße Milch getaucht. Nun sind sämtliche Leute erwacht und haben Hardemente vertrieben.


Vgl. Mitt. des Vereins für Gesch. u. Altertumskunde des Hasegaus, VII. Heft, 1898.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 141. Schlaf fest zu machen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2FD5-4