518. Hude.

a.

In dem Garten des Herrn von Witzleben in Hude befinden sich die Ruinen eines schönen Mönchsklosters, die ihrer Schönheit wegen von Bremen und Oldenburg aus viel besucht werden. Das Kloster soll so groß gewesen sein, daß dreihundert Mönche darin wohnen konnten. Jetzt sieht man nur noch die freilich immer noch bedeutenden Trümmer der Klosterkirche, wild von einer üppigen Pflanzenwelt durchwachsen, und die Kirchspielskirche, die aber den Mönchen als Waschhaus und Speicher gedient haben soll. Die Mönche, die dort gehaust haben, sind längst vermodert und haben kaum eine Spur von sich hinterlassen, doch sieht man noch manchmal des Nachts die Gestalt eines Mönchs unter einer der Fensterwölbungen stehen und Geld zählen, aber niemand weiß zu [290] sagen, was sie eigentlich aus ihrer Grabesruhe heraus und nach oben treibt.

b.

Als das Kloster Hude gebaut wurde, sammelten sieben Mönche sieben Jahre lang weit und breit milde Gaben. Zum Danke wurden im Klostergarten ihre steinernen Bildnisse aufgerichtet, die noch lange standen, nachdem das Kloster selbst zerstört war. Den Mörtel zu dem Bau mischte man, um ihn desto haltbarer zu machen, mit süßer Milch, die man zwei Meilen weit im Umkreise herbeibrachte. Der Tagelohn der Arbeiter betrug drei Grote oder einen Scheffel Roggen. Unter den Türmen des Klosters war einer so hoch, daß er den Schiffen auf der See zum Zeichen diente und bei der Zerstörung bis nach dem östlichen Ende des Baumhofes fiel. Das Kloster ist durch einen Bischof von Münster zerstört worden. Die Mönche besaßen nämlich ein oder zwei so künstlich abgerichtete Pferde, daß sie dieselben ohne Führer nach verschiedenen Orten hin und her laufen lassen konnten, und die vorzüglich dazu gebraucht wurden, dem Abte, wenn er in der Stadt war, dies und jenes zu überbringen. An diesen Tieren nun fand der Bischof ein besonderes Gefallen und bat die Eigentümer, sie ihm abzutreten. Als die Mönche sich dessen weigerten, forderte er es strenge; aber auch dies fruchtete nicht. Der Bischof sandte nun Gewaltboten; aber diese wurden von den Mönchen durch köstliche Bewirtung aufgehalten oder ins Verließ geworfen und wohl gar getötet. Da ergrimmte der Bischof und schickte seinen Drosten Wilke Steding, um die Übeltäter zu züchtigen. Dieser nahm das Kloster ein und verwüstete es; aber die Mönche fing er nicht, denn diese waren alle durch einen unterirdischen Gang entflohen und hatten ihre Zuflucht in dem damals noch mit Wald bedeckten Nordenholzer Moore genommen, wo auch die Krieger, die man ihnen nachsandte, ihrer nicht habhaft werden konnten. (Muhle, das Kloster Hude, S. 24, 25, 59, 69.)

c.

Der alte Pastor Lammers in Hude hat während des langen Zeitraums von 48 Jahren der dortigen Gemeinde als Seelsorger vorgestanden. Als er nun endlich gestorben war, und am nächsten Sonntage zum ersten Male der Gottesdienst ohne ihn abgehalten wurde, knackten alle Priecheln in der Kirche so stark, daß alles Volk im höchsten Schrecken hinauslief, denn es glaubte, nun der alte Lammers tot sei, müsse auch die Kirche zusammenbrechen. In längerer Zeit wagte sich[291] kein Mensch wieder in die Kirche, und der sonntägliche Gottesdienst mußte mehrere Monate in einem Privathause gefeiert werden. – Im Goldberge bei der Huder Pastorei liegt ein Schatz: 197e.

d.

Zwischen den Lintelern und Wüstenlandern ist im 16. Jahrhundert oft Streit vorgefallen wegen der Scheidung zwischen Lintel und Wüstenland. Da ist denn zu Harmhausen vor dem Siebengericht erkannt worden, daß die Wüsting den Wüstenlandern gehöre. »Man sollte aber von der Höchte, von den Lemmeln auf der Geest, ein Rad herdal laufen lassen, und soweit das Rad liefe, und wenn es dalfiele, so ferne sollte die Linteler Gerechtigkeit sein und bleiben.« (Oldenb. Gesellschafter, 1857, S. 77.)

e.

Hinter dem Reiherholze in der Nähe des jetzigen Dorfs Lintel wohnten vor langen langen Jahren zwei Brüder auf einem großen Bauernhofe. Der jüngste war, wie das in dortiger Gegend Rechtens ist, Anerbe der Stelle, war aber noch minderjährig, und sein Bruder führte über ihn die Vormundschaft. Beide lebten, so lange der jüngste noch nicht zu seinen Jahren war, friedlich bei einander und genossen wegen ihres Fleißes und ihrer Eintracht allgemeine Achtung. Als aber der Volljährigkeitstermin für den jüngsten immer näher heranrückte, und der älteste den Tag kommen sah, wo seine Macht aufhörte und er aus einem Herrn zum Knechte werden sollte, ward er ergrimmt und warf auf seinen Bruder einen bitteren Haß. Nun traf es sich an einem Sonntagmorgen, daß alles Gesinde nach Hude zur Kirche gegangen und nur die beiden Brüder zu Hause geblieben waren. Der jüngere hatte sich in einen Lehnstuhl hinter dem Herde gesetzt und war eingeschlafen. Als der ältere ihn so mit offenem Munde da liegen sah, übermannten ihn Haß und Habsucht. Er griff den Kessel mit kochendem Brei vom Feuer und goß seinem Bruder von der Speise in den Mund. Ein lauter entsetzlicher Schrei, einige gurgelnde Töne, und der Unglückliche war tot. Der Mörder ließ den Toten an seinem Platze, zündete sich eine Pfeife an und begab sich in den Garten, als ob er die Früchte besehen wolle. Seine List gelang. Als die Dienstboten von der Kirche kamen und den Toten fanden, glaubten sie, der Schlag habe ihn gerührt, und der Bruder wußte sich so zu verstellen, daß man keinen Verdacht auf ihn warf. Aber der Mörder hatte von nun an keine Ruhe mehr; überall glaubte [292] er den letzten Schrei seines Bruders zu hören, und auch als er starb, fand er keine Ruhe. Jede Nacht muß er vom Reiherholze nach dem Hasbruch wandern, jenen entsetzlichen Schrei ausstoßend, und mit Grauen erzählen späte Wanderer von dem Ruf und dem schlürfenden Schritte jenes »schrauenden Dinges«. Vgl. 181c.

In Vielstedt spukt ein glühender Pflüger: 179m, auf der Hurreler Heide ein feuriger Stier: 183d. In Moorhausen gab es Zwerge: 257m.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 518. Hude. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3144-A