318.

In alten Zeiten wurden zu Pfingsten überall Schützenfeste abgehalten. In Wildeshausen ist man bis heute der alten Sitte treu geblieben, man feiert dort das Schützenfest in altherkömmlicher Weise. An andern Orten hat man das Fest fallen lassen oder den Termin verlegt. Die ältesten Schützenketten trifft man im Süden nächst Wildeshausen in Löningen und Friesoythe (Löningen 1597, Friesoythe 1660). In Vechta wurde früher am Pfingstdienstage Schützenfest gefeiert in der Lehmkuhle. Der beste Schütze erhielt einen Hut, der nächstbeste ein Paar Handschuhe. Die Stadt spendete den Schützen zwei Tonnen Bier. Vgl. 398a. – Kinderschützenfeste sind noch gegenwärtig an verschiedenen Orten üblich. In Goldenstedt, um einen Ort zu nennen, geht dasselbe in folgender Weise vor sich: Mehrere Wochen vor dem Feste sammeln die Kinder Geld zum Ankauf von Geschenken. Das Fest fällt auf den Sonntag nach Pfingsten. Am Tage vorher wird ein Kranz gewunden und über den Marktplatz gespannt. Am Sonntag nachmittag versammeln sich die Kinder unter diesem Kranze, stellen sich in Reih und Glied auf, und unter Gesang gehts dem Schützenplatze zu, die Knaben mit Armbrust und Vogel, die Mädchen mit Milchsatten. Wer von den Knaben das letzte Stück vom Vogel herunterschießt, ist König. Während des Schießens beschäftigen die Mädchen sich mit Sattenschlagen. Mit verbundenen Augen, einen Flegel in der Hand, muß das Mädchen von einem Punkte die Satte zu erreichen suchen. Schlägt es vorbei, so kommt das folgende heran. Das geht so lange fort, bis alle Satten zerschlagen sind. Wer die letzte kaput schlägt, ist Königin, wer die zweitletzte, Nebenkönigin. Wer überhaupt eine Satte zerschlagen hat, bekommt einen Preis, wie auch die Knaben Preise bekommen, die ein [83] Stück vom Vogel getroffen oder heruntergeschossen haben. König und Königin werden mit Kränzen geschmückt. Vor der Rückkehr wirft die Königin für 1 Mark Moppen unter die Kleinen. Auf dem Marktplatz angekommen, von wo aus der Auszug erfolgte, stellen sich alle unter dem Kranze um die gekrönten Häupter, singen Lieder, lassen König und Königin hochleben und verfügen sich darauf nach Hause. – In Vechta werden am ersten Pfingsttage nachmittags in den verschiedenen Straßen Taue über die Straßen gespannt; in der Mitte hängt eine Krone, mit Grün, Blumen und Bändern geziert. Unter der Krone vollführen Kinder und Erwachsene an beiden Tagen Reigen unter Absingung uralter Pfingstlieder, die man nur in Vechta kennt. Die Stadt ist seit dem Mittelalter in Nachbarschaften eingeteilt, Vereinigungen von Bürgern nach Straßen zu gegenseitiger Hilfeleistung in Not und Tod. Auf Pfingsten fand Rechnungsablage statt bei Bier und Branntwein. Den Schluß bildete der Tanz unter dem Pfingstkranz. Wir lassen die unter dem Pfingstkranz gesungenen Lieder hier folgen:

a.

Einige stehen im Kreise und singen vor, der Chor wiederholt jede Strophe.

1.
Jammer, Jammer über Jammer,
hört, was ich Euch sagen will.
2.
Ich hab verloren meinen Schatz,
macht auf, macht auf den Gartenplatz.
3.
Ich will gehen und will stehen,
wo ich ihn nur treffen kann.
4.
Freude, Freude über Freude,
hört, was ich euch sagen will.
5.
Ich hab gefunden meinen Schatz,
macht auf, macht auf den Gartenplatz.
6.
Schaut mal an, das ist mein Schatz,
dem fall ich zu Füßen,
7.
Der mir die Ehre gegeben hat,
ihm die Hand zu küssen.

b.

Einige stehen im Kreise und singen vor, jede Strophe wird vom Chor wiederholt.

1.
Heute wollen wir Hafer mähen (Rosen pflücken),
morgen wollen wir binden.
2.
Wo ist dann der Liebste mein (mein liebster Schatz)?
wo soll ich ihn finden?
[84] 3.
Gestern abend sah ich ihn
wohl unter einer Linden.
4.
Dies und das und dies ist mein,
das soll mein Herzliebster sein.
5.
Tanzen wollen wir beide,
beide wollen wir tanzen.

c.

Einzelne und Chor wechseln.

1.
Peter zieh den Blaurock an,
Blaurock an,
Ei was sagt der Mai (für »sagt der« sagte man früher »sickere«),
ei was der Mai Mai Mai,
ei was sagt der Mai.
2.
Er nahm das Mädchen bei der Hand,
bei der Hand,
Ei was sagt usw.
3.
Das Mädchen das muß stille stehn,
stille stehn,
Ei was sagt usw.
4.
Der Knabe der muß wandern gehn.
5.
Der Knabe der muß stille stehn.
6.
Das Mädchen das muß wandern gehn.
7.
Sie müssen beide tanzen gehn,
tanzen gehn,
Ei was sagt der Mai,
ei was der Mai Mai Mai,
ei was sagt der Mai.

d. Wechselgesang.

Er. Jumfer Liesken treckt de Schullern up,
wat mag se denn woll willen?
Sie. Wenn ick denn nich räden draff,
so mot ick swigen stille.
Er. Wo stah ick hier, wo stah ick da,
wo stah'k an allen Kanten?
Sie. Bün ick ju nich schön genog,
also friet en andre.
Er. Sieh da, dat is min rechte Hand,
schöne Jumfern pries' ick.
Beide: Beide möt wi danzen,
danzen möt wi beide.

[85] e.

Einer fragt, die übrigen antworten.

1.
Guter Freund, ich frage dich.
– Bester Freund, was fragst du mich?
Sag mal (mir), was ist eine?
– Einmal ein ist Gott allein
(oder: eins und eins ist Gott der Herr),
der da lebt,
der da schwebt
im Himmel und auf Erden.
2.
Guter Freund, ich frage dich.
– Bester Freund, was fragst du mich?
Sag mal, was ist zweie?
– Zwei Tafeln Mosis,
Einmal ein ist Gott allein,
der da lebt,
der da schwebt
im Himmel und auf Erden.
3.
– – Sag mal, was sind dreie?
Drei Patriarchen,
zwei Tafeln Mosis,
einmal ein ist Gott allein usw.
4.
– – Sag mal, was sind viere?
Vier Evangelisten usw.
5.
– – Sag mal, was sind fünfe?
Fünf Wunden Christi
(oder fünf Gebote der Kirche) usw.
6.
– – Sag mal, was sind sechse?
Sechs Krüge mit rotem Wein
schenkt der Herr zu Cana ein,
zu Cana in Galiläa.

(Von jetzt an werden die Wiederholungen aus Nr. 1-5 weggelassen.)

7.
– – Sag mal, was sind sieben?
Sieben Sakramente,
Sechs Krüge mit rotem Wein
schenkt der Herr zu Cana ein,
zu Cana in Galiläa.
8.
Acht Seligkeiten.
9.
Neun Chöre der Engel.
10.
Zehn Gebote Gottes.
11.
Elftausend Jungfrauen.
[86] 12.
Guter Freund, ich frage dich.
– Bester Freund, was fragst du mich?
Sag mal, was sind zwölfe?
– Zwölf Apostel,
Elftausend Jungfrauen,
zehn Gebote Gottes,
neun Chöre der Engel,
acht Seligkeiten,
sieben Sakramente,
sechs Krüge mit rotem Wein
schenkt der Herr zu Cana ein,
zu Cana in Galiläa.

License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 318. [In alten Zeiten wurden zu Pfingsten überall Schützenfeste abgehalten]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3146-6