152. Wunsch.

Ein recht aus dem Herzen hervorquillender Wunsch, die der heißen Leidenschaft entsprungene Verfluchung und die frevelhafte Verwünschung, haben nicht selten die Wirkung, daß das gewünschte oder doch herbeibeschworene Ereignis wirklich eintritt. Im allgemeinen sind freilich die Zeiten, wo das Wünschen noch half, vorbei. Wer seinen Wunsch erfüllt haben will, muß schon besondere Umstände benutzen (85, 86, 127), und der gottlose Wunsch, der auf den Tod eines Menschen zielt, bewirkt sogar nach dem Sprichworte das Gegenteil. »Hapedod läwt am längsten,« heißt es, und »Use Herrgott nimmt kien Gäwelgod.« Aber die Sage hat doch verschiedene Beispiele erhalten, in denen der Wunsch oder die Verwünschung sich zu verwirklichen vermocht hat, und der Glaube an die Kraft der Verfluchung ist auch heute noch keineswegs ausgestorben. Auch der Teufel (190 d.e.f.) und die Waldridersken (251, 252) müssen der Verwünschung gehorchen.


Vgl. auch 175.

a.

Im Wüstenlande ist einmal eine Frau gewesen, die große Stücke auf das Spinnen gehalten hat. Es ist ihr nie genug gesponnen worden, sodaß sie einmal ausgerufen: »Ich wollte, daß ich ein Rad besäße, welches immerfort spönne!« Da ist alsbald ein Rad gekommen, das hat immerfort gesponnen, und ist kein Flachs dagegen zu kriegen gewesen; von dem Garn aber hat niemand was zu sehen bekommen. Das Rad hat stets etwas auf dem Rocken haben wollen; und wenn nichts darauf gewesen ist, so ist es der habsüchtigen Frau in die Haare geraten und hat ihre Haare verspinnen wollen. Da hat die Frau dem Rade Heu gegeben, das hat es auch versponnen, immer und immer ohne aufhören. Endlich hat es ihm Haide gegeben, das hat es nicht verspinnen können und ist wieder verschwunden (Holle).

b.

In einem Dorfe nicht weit von Wildeshausen lag eine Frau krank. Sie verspürte ein großes Gelüste nach einem Stücke Schinken; aber obwohl ein Schinken über der Diele hing, weigerten sich doch die Hausgenossen hartnäckig, ihr [129] etwas davon zu geben. Da verwünschte die Frau den Schinken und sprach: »So wollte ich, daß der Schinken ewig dort hängen müßte!« Und so ist es gekommen. Der Schinken hängt noch im Hause, im Laufe der Jahre vom Rauche ganz geschwärzt, und wenn man ihn heute fortbringt, ist er morgen gleich wieder zur Stelle.

c.

»Daß X so wenig Glück mit seinen Kindern hat, das kommt wohl von den vielen Verwünschungen, die auf ihm lasten. Ich habe das schon einmal erlebt, als ich in der Fremde war. In Z. war ein Torschreiber, der hauptsächlich darauf zu passen hatte, daß die Bauersleute von den Sachen, die sie zum Verkaufe in die Stadt brachten, ihre Steuer auch richtig bezahlten. Er hatte ein nettes Vermögen und drei Kinder, drei schöne gesunde Töchter, denen er jeder 1000 Taler auf Abschlag mitgeben konnte, und für sich selbst behielt er noch genug. Die drei Töchter verheirateten sich denn auch bald; zwei verzogen nach M., eine blieb in Z. Er hatte ein festes Gehalt, und was er von Butter, Mehl und dergleichen Waren, welche die Bauern einschmuggeln wollte, abfaßte, das behielt er auch. Nun kam eines Tages eine Bäuerin, der nahm er auch ebenfalls einen Schlag Butter weg. Die Bäuerin versuchte es erst mit Bitten; als das aber nichts half, fing sie an zu fluchen: ›Verflucht seist du selbst,‹ sagte sie, ›verflucht dein Weib, verflucht deine Kinder und Kindeskinder, verflucht alles was von dir kommt und zu dir gehört, verflucht die Erde, die dich trägt, und die Sonne, die dich bescheint,‹ und ich weiß nicht, was sie sonst noch sagte, aber es war ein schrecklicher Fluch, wie ich noch nie einen gehört hatte und auch keinen wieder gehört habe. Der Torschreiber war ein alter ausgedienter Soldat und fürchtete sich vor Gott und dem Teufel nicht, aber diesmal wurde es ihm doch wunderlich. ›Mutter,‹ sagte er zu seiner Frau, ›Mutter, sieh zu, daß du die Butter verkaufst; Gott soll mich bewahren, daß ich auch nur eine Messerspitze voll davon esse.‹ Das half ihm aber nichts, denn es dauerte keine fünf Jahre, da war die ganze Familie, Mann, Frau und Kinder, alles miteinander, in Not und Elend verkommen und untergegangen. Und so soll's mit X seinem Unglück auch wohl zusammenhängen.« – »Aber die beiden Leute haben ja nur ihre Pflicht getan, wenn sie Schmugglerwaren anhielten?« – »Das mag schon sein, aber die Verfluchungen hangen ihnen doch an; warum nahmen sie solche Pflichten auf sich. [130] Ich weiß wohl, Sie halten das für Aberglaube, aber ich glaube es doch, und ich bin's auch nicht allein, der das tut« (Oldenburg).

d.

Auf der Molkenstraße, Ksp. Bakum, wurde einmal in alten Zeiten ein Haus von Räubern zerstört. Die Frau vom Hause wurde entführt und mußte bei den Räubern junge Hunde säugen. Nach mehreren Jahren erhielt die Frau Erlaubnis, ihren Wohnort wieder zu besuchen. Da bat sie den Bauer Stallmann, er möge ihr doch einige Vitsbohnen geben, die wollte sie auf dem Wege nach den Räubern pflanzen, damit man ihr nachgehen könne. Stallmann verweigerte ihr aber die Bohnen. Da wünschte ihm die Frau, sein Haus möge versinken. Und nach und nach begann das Haus zu sinken, sank immer tiefer, und jetzt ist an derselben Stelle ein Teich von Größe und Form eines Bauernhauses, der heißt »Stallmanns Diek.« – Eine andere Mitteilung (1907) lautet: In der Molkenstraße befand sich früher eine Bauernstelle mit Namen Große Stallmann, in Mitte des 19. Jahrhunderts zerstückelt. Die Frau des Hauses wurde eines Tages von Erd- oder Heinzelmännchen entführt. Nach einiger Zeit erschien sie ihrem Manne wieder und sagte ihm, daß sie unter einer Bedingung erlöst werden könne. Er solle eine Stola aus der Kirche holen, diese an der Haustüre aufhängen, darunter müsse sie hergehen und so das Haus betreten, dann wäre sie frei, und die Erdmännchen könnten ihr nichts mehr anhaben. Der Mann weigerte sich die Stola zu holen, worauf die Frau einen Fluch über das Haus ausstieß und in der Erde verschwand. Von Stunde an begann Stallmanns Haus zu sinken. Schon nach einem Jahre konnte keine Türe mehr geöffnet werden. Alle dagegen angewandten Mittel nutzten nichts, weil man keinen festen Boden unter dem Hause finden konnte. Man war gezwungen, die Wohnung abzubrechen und an einem anderen Orte wieder aufzubauen. Noch heute zeigt man die Kuhle, wo das Haus früher gestanden, ein Pfuhl von Morast und Schlamm. – Nach einer dritten Nachricht haben die Bewohner gottlos gelebt und ist das Haus am Ostermorgen mit allen Bewohnern versunken, nachdem die Heinzelmännchen den Boden unterwühlt hatten.

e.

Zu der Frau des ersten Gutsherren in Welpe, Ksp. Vechta, kamen drei Bettler und baten um ein Almosen, aber die Frau fuhr sie hart an und wies sie aus dem Hause. Da [131] wünschten die Bettler der Frau, daß sie sieben Kinder gebären möge. Und noch in demselben Jahre gebar die Frau sieben Kinder. Sechs derselben legte sie in einen Kasten und übergab diesen ihrer Magd mit dem Auftrage, den Kasten in den Teich zu werfen, es seien sechs Welpches (junge Hunde) darin. Der Magd begegnete auf ihrem Wege der Hausherr, und als er den Kasten sah, frug er, was darin sei. Sechs Welpches, antwortete die Magd, die solle sie nach dem Teiche bringen. Der Herr machte den Kasten auf und fand die sechs Kinder, nahm dieselben wieder mit und ließ sie heimlich erziehen. Als die Kinder erwachsen waren, zeigte der Vater sie seiner Frau und sagte, das seien die sechs Welpches, die sie habe ertränken wollen. Nachmals ist die Familie gänzlich verarmt, und alle sieben Kinder haben ihr Brot erbetteln müssen. Das Gut aber hat von ihnen seinen Namen Welpe empfangen. – Von anderer Seite hört man, die Kinder hätten wie junge Wölfe (so erklärt man Welpches) ausgesehen, und daher sei der Name Wölpe oder Welpe entstanden. Im 17. Jahrhundert lebte auf dem Gute ein Wulfert von Dorgeloh, der als Schürzenjäger berüchtigt war und im Volke als solcher noch fortlebt. Möglicherweise verdankt diesem Junker Wulf und seinen unehelichen Kindern die Sage ihr Dasein.

f.

Im Jahre 1289 vermachte eine fromme Frau zu Wildeshausen ihr gesamtes Vermögen dem Erzstifte zu Bremen mit der Bestimmung, daß zunächst für die Alexanderskirche zu Wildeshausen eine neue große Glocke daraus gestiftet werde. Bei dem Tode der Frau fand sich aber, daß zur Herstellung einer solchen Glocke, wie die Frau sie gewollt, das ganze Vermögen verbraucht werden müsse, und das Erzstift hielt es für ratsam, von dieser Verwendung abzusehen. Als das Kapitel zu Wildeshausen auf Vollstreckung des Testamentes bestand, weigerte sich das Stift anfangs, da die Erblasserin in einem mündlichen Testamente kurz vor ihrem Tode die Verwendung des Vermögens dem Ermessen des Stifts überlassen habe. Endlich aber nach heftigen Streitigkeiten wurde eine Glocke für die Alexanderskirche angeschafft, jedoch bei weitem nicht von der Größe, welche die Erblasserin bestimmt hatte. Als der Vorsitzende des Stifts, der am meisten gegen die Ansprüche der Wildeshäuser gekämpft hatte, durch Stimmenmehrheit genötigt wurde, seinen Namen unter die bewilligende Verfügung zu setzen, wütete er in gottlosen Reden und verfluchte die Erblasserin [132] und ihr ganzes Geschenk in den Abgrund, verfolgte auch mehrere Wildeshäuser Geistliche auf das heftigste. Die Glocke ward in dem Turm aufgehängt, aber man versäumte, sie zu weihen. Als sie nun am Sulpiciustage 1 1293 zum ersten Male gebraucht werden sollte, riß sie sich mit unsichtbarer Kraft von ihrem Platze los und flog in die Stöckenkampswiese, wo sie tief einsank, so daß keine Bemühungen, sie wieder herauszubringen, gelangen. An der Stelle, wo sie einsank, entstand ein tiefer Kolk, der jetzt ausgefüllt, aber eine Niederung geblieben ist. Alljährlich am Sulpciustage kommt die Glocke aus der Tiefe hervor, so daß sie oben an der Oberfläche gesehen werden kann, und fängt an zu läuten. Wer sie sieht und hört und eine Sünde wider Gott begangen hat, ohne Buße getan zu haben oder desselben Tages zu tun, hat auf Erden keinen frohen Augenblick mehr. (Nach W.M. Krito, Nachrichten über Wildeshausen, § 2, Manuskript der öffentlichen Bibliothek zu Oldenburg).

Fußnoten

1 Es gibt 2 h. Sulpicius, sie fallen auf den 14. Januar und 3. Oktober.

g.

Als Graf Anton Günther das Schloß zu Oldenburg erbaute, wollten die Mauern nicht stehen bleiben. Da nahmen die Mauerleute einer Mutter, die mit ihrem Kinde vorüberging, das Kind fort und mauerten dasselbe lebendig ein. Von der Zeit an blieb der Bau stehen. Die Mutter aber sprach einen Fluch über das Schloß aus, daß bis zum fünften Gliede kein Kind, das in dem Schloß geboren werde, seine Mutter kennen lernen solle. – Nach anderen gilt der Fluch für alle Zeiten und ist ausgesprochen von dem Fräulein von Ungnad, der Geliebten des Grafen Anton Günther, als sie der Graf verstieß und ihr zugleich ihren Sohn, den nachmaligen Grafen von Aldenburg, nahm. – Der Fluch kann gelöst werden, wenn einmal eine neu vermählte Landesfürstin mit einem Gespann von sechs Schimmeln, dem ein Vorreiter auf einem Schimmel beigegeben ist, eingeholt wird. Als im Jahre 1852 der Großherzog seine Gemahlin heimführte, waren daher die nötigen Schimmel, der Sicherheit wegen sogar neun, bereit gehalten. Indeß ganz kurz vor dem Einzuge wurde erst der eine, dann ein zweiter und endlich auch ein dritter krank und unbrauchbar, so daß die Einholung zuletzt doch mit dunklen Pferden geschehen [133] mußte. Dennoch hat sich der Fluch nicht erfüllt. Die 1852 eingeführte Fürstin starb hochbetagt mit Hinterlassung zweier Söhne, des jetzigen Großherzogs Friedrich August und des Herzogs Georg Ludwig.

In einem Märchen verwünscht eine Mutter in der Übereilung ihre drei Söhne in drei Raben 625. Ein Mann in den Mond verwünscht 331b. Ein Mädchen wird durch einen Wunsch zur Mutter 633.

[134]

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 152. Wunsch. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3210-9