529. Visbek.

a.

Visbek soll die erste christliche Gemeinde in der ganzen Umgegend gewesen sein. Es gehörten zu ihr die Dörfer bis nach Holle und Moorhausen hin, daher gab es denn auch in der Kirche an der nördlichen Seite eine besondere Tür, welche die Moorriemer Tür hieß, in späterer Zeit aber zugemauert wurde.


Vgl. 552b, c.

b.

Im Jahre 800 feierte Karl der Große mit seinen Feldobersten zu Visbek das Osterfest. Da kam Wedekind, welcher damals wie auch sonst oft sein Hoflager auf der Wedekindsburg zu Wildeshausen hielt, als Bettler verkleidet nach Visbek, in der Absicht, sein eigenes Leben zu wagen, um Karl den Großen zu ermorden. Wedekind traf gerade zu der Zeit in Visbek ein, als Karl mit seinen Feldobersten zum Abendmahl gegangen war. Er schlich deshalb vor die Kirchtür, um Karl, wenn er heraustreten würde, mit einem unter seinen Kleidern verborgenen Dolch zu durchbohren. Wohl hatte er Karl nie gesehen, aber er dachte ihn schon zu erkennen, denn wer ihm an der Kirchtür das größte Almosen reichen werde, das müsse sicherlich der Kaiser sein. Neugierig sah er durch die halbgeöffnete Tür, wurde aber von Schauder ergriffen, denn er sah, wie der Priester aus einem schönen Gefäße ein kleines Kind herausnahm und den Kriegern zum Empfange darreichte. Das Kind war von einem solchen Glanz umgeben, daß Wedekind fast die Augen geblendet wurden. Wedekind sah, wie das kleine schöne Kind die Arme ausstreckte und sich willig hinreichen ließ, bis die Reihe an einen der Offiziere kam. Da sträubte sich das Kind, und erst nach einigem Widerstreben konnte dieser es empfangen. Wedekind sah aber ganz deutlich, wie das Kind sein sonst so liebevolles Antlitz plötzlich [317] ganz veränderte. – Wedekind war mit einemmale ganz verwandelt. Anstatt Karl zu ermorden, sann er nun auf einen Plan, was er zu tun habe, um Christ zu werden; und als Karl mit seinem Gefolge aus der Kirchtür herauskam, rief Wedekind mit lauter Stimme: »Karl, ich bin Wedekind und bin gekommen, dich zu ermorden«; aber, indem er den Dolch wegwarf, sprach er: »Verzeihe mir, auch ich will Christ werden.« Und er erzählte ihm, was er soeben gesehen, und wie das schöne Kind sich vor dem einen Offizier so sehr gesträubt und sein sonst so liebevolles Antlitz auf einmal sich in ein zornfunkelndes verwandelt habe, und er zeigte ihm den Offizier. Als dieser von Karl sogleich zur Rechenschaft gezogen wurde, erschrak er und bekannte, er sei ohne Bekehrung, also unwürdig, zum Abendmahl gegangen. Wedekind beriet nun mit Karl, wie er es anzufangen habe, um Christ zu werden, denn seine Sachsen würden es nicht zugeben, sondern ihn töten; sie verabredeten eine Schlacht, welche Wedekind schlecht anzuführen versprach. Wedekind ging daher nach Wildeshausen zurück und brach mit seinem ganzen Heere auf, um, wie er sagte, Karl in Visbek zu überfallen. Aber Karl zog ihnen entgegen, und es kam zu einer mörderischen Schlacht in der Gegend der jetzigen Bauerschaft Endel. So schlecht Wedekind die Sachsen auch anführte, konnte Karl sie doch nicht zum Weichen bringen; sie fochten ganz verzweiflungsvoll. Karl verlor viele seiner Feldobersten und Ritter und mußte fliehen. Zum Andenken an diesen Sieg wurden von den Sachsen viele große Steine als Denkmäler aufgerichtet und unter denselben die Asche der gefallenen Feldobersten beigesetzt. Noch heutigen Tages sind die Steine zu sehen. Karl zog sich hinter Visbek zurück, und etwa eine halbe Stunde südlich von Visbek, in der Kiebitzheide, kam es zu einer zweiten Schlacht. Schon bei dem ersten Angriff flohen Karls Truppen, obwohl Wedekind alles aufbot, um seine wütenden Sachsen aufzuhalten. Karl wandte sich jetzt südlich, zog durch Wälder und Moräste und ging zwischen Vechta und Lohne über das Moor. In der Gegend von Diepholz sammelte Karl sein Heer und lieferte Wedekind abermals eine Schlacht. Wieder konnte Wedekind nicht hindern, daß seine Scharen, ungeachtet der absichtlich schlechten Führung siegten. Da, in dem entscheidenden Augenblick, erhob Wedekind seine Hände zum Himmel und rief mit lauter Stimme. »Sancte Hülfe, Sancte Hülfe!« Als dies [318] seine Krieger sahen und hörten, wußten sie nicht, was es zu bedeuten habe, und kamen darüber in eine solche Verwirrung, daß der anfängliche Sieg sich in eine gänzliche Niederlage verwandelte. Wedekind wurde gefangen genommen, ließ sich taufen und wurde ein Christ. An der Stelle, wo Wedekind jenen Ausruf getan, wurde zum Andenken eine Kapelle erbaut, welche den Namen Sanct Hülpe erhielt. (Von einem Landmann aus der Gemeinde Visbek, welcher angab, die Erzählung auf einem mit alter Schrift bedruckten Blatte, das er in der Heide gefunden, gelesen zu haben; kürzer auch aus Wildeshausen. Keime der Sage, soweit sie die Bekehrung Wittekinds behandelt, finden sich beiKrantz, Saxonia, II. c. 23. und Baron. annal. ecclesiast. zum Jahr 785. Die Erklärung des Namens St. Hülpe ist ziemlich weit verbreitet und bekannt. Die Erzählung von der Schlacht bei Endel dagegen halte ich für einheimischen und volksmäßigen, wenn auch vielleicht neueren und jedenfalls durch Lektüre beeinflußten Ursprungs. So Strackerjan. Vgl. den Artikel »Der Birkenbaum bei Endel« im Jahrbuch, XIV. S. 125 ff.)

c.

In Visbek soll früher an einem ersten Ostertage die Glocke aus dem Turm und bis hinter Erlte in einen Wasserpfuhl geflogen sein. Es ist nicht möglich gewesen, sie aus diesem Pfuhle wieder herauszuholen, aber wenn am Ostermorgen zu Visbek von dem Turm herabgerufen wird: »Christus ist auferstanden!« so fängt die Glocke im Wasser an zu läuten und ist schon von vielen gehört worden, vgl. 192c. – Die Stiftung des großen Kreuzes auf dem Hochaltare: 34a. – Die Stiftung der Vicarie St. Anna: 113b. Die von Bienen geschützte Hostie: 264.

d.

Zwischen Norddöllen und Visbek in der Kibitzheide soll im siebenjährigen Kriege ein hannoverscher Dragoner, welcher zu Norddöllen einquartiert gewesen, seine Frau umgebracht haben. An dieser Stelle geht nachts ein großer schwarzer Hund, welcher von vielen gesehen ist. Die Stelle wird daher nachts möglichst gemieden. – Auch spukt in dieser Heide ein erschlagener Fuhrmann: 181b.

e.

Südlich von Norddöllen liegt ein Gehölz, genanntGosehof, in welchem sich die Reste einer kleinen alten Burg befinden. Es sind noch die Spuren von zwei Gräben vorhanden, der eine Graben ist noch ziemlich gut erhalten. Die Erdwerke tragen den Namen Gosewall. Auf dieser Burg soll vor Zeiten [319] ein Räuber gehaust haben, namens Gosel oder von Gosel, welcher der Schrecken der umliegenden Ortschaften und insbesondere der Bauerschaft Norddöllen war. Seine Burg war durch zwei breite und tiefe Gräben unzugänglich gemacht, die Zugbrücke fortwährend aufgezogen. Wenn er draußen war, wußte er seinen Verfolgern stets durch eine List zu entkommen, denn er hatte seinen Pferden die Hufeisen verkehrt anschlagen lassen, und wenn seine Feinde glaubten, ihm auf der Spur zu sein, verfolgten sie grade die entgegengesetzte Richtung. Auch durften ihm drei Mann noch nicht ankommen, denn er war sehr groß und stark, ein halber Riese, und trug zu seinem Schutze stets einen eisernen Harnisch. Alles fürchtete sich vor ihm, und niemand war vor ihm sicher. Endlich entzweite er sich mit einem anderen Räuber, mit Namen Glülig, welcher nicht weit davon in Hölterhagen eine Burg bewohnte, deren Spuren gleichfalls noch vorhanden sind und Glühenburg genannt werden. Lange waren sie Feinde, und jeder sann auf das Verderben des andern. Nun geschah es einmal, daß sie sich in der Gegend des jetzigen Westerlutten begegneten. Schnell forderte Gosel den Glülig zum Zweikampfe heraus. Glülich aber war feige, schlug den Zweikampf aus und suchte sich durch die Flucht zu retten. Indessen Gosel holte ihn gerade vor seiner Burg wieder ein, und nun er mußte, wehrte sich Glülig auch tapfer. Den ersten Hieb tat Gosel, aber Glülig fing ihn mit seinem Schwerte so auf, daß Gosels Schwert in der Mitte durchbrach. Jetzt bat Gosel um Gnade, aber Glülig schlug sie ihm ab. Da faßte Gosel alle seine Kräfte zusammen und wollte Glülig mit dem Schwertstumpfe vom Pferde stoßen, aber Glülig wich aus, Gosels Pferd strauchelte, und er selbst fiel zur Erde. Schnell sprang nun auch Glülig vom Pferde, stürzte sich auf ihn und stach ihn mit solcher Kraft unter dem Arme in die Brust, daß das Schwert auf der anderen Seite vor den Harnisch stieß. Gosel starb auf der Stelle. Glülig plünderte ihn aus, nahm ihm die Schlüssel zu seiner Burg und ritt hin, um auch diese zu berauben. Als er nun beschäftigt war, einen Teil der Kostbarkeiten nach seiner Burg zu bringen, vergaß er, die Zugbrücke aufzuziehen. Dies bemerkte ein Hirt, welcher in der Nähe war, lief gleich nach Hause und erzählte, was er gesehen. Da lief alles, jung und alt, aus der Bauerschaft nach der Burg, zündeten sie an, und alle Kostbarkeiten wurden ein Raub der Flammen. Nachher wurde auch die Glühenburg, [320] welche damals noch im Dickicht lag, von den umliegenden Ortschaften mit gesamter Hand erstürmt, angezündet und von Grund aus zerstört.

f.

Nordöstlich von Varnhorn, etwa 1/4 Stunde vom Orte entfernt, ist vormals eine Bauerschaft gewesen, welche den Namen Lüttke Bögen geführt hat. Vor Jahren hat Zeller Kock in Varnhorn beim Niederroden eines Walles dort noch eine Feuerstelle gefunden (Steine und Asche). Von der ganzen Bauerschaft lebten zuletzt nur noch zwei Mädchen, alle andern Einwohner waren der Pest zum Opfer gefallen. Eines dieser Mädchen heiratete den Zeller Koops in Visbek. Noch um 1860 verkaufte Koops eine bei Varnhorn gelegene Fläche Landes.

In Visbek spukt der Vogt Schwietering: 179t, neben Funken Kamp vor Visbek ein Mann mit einem Ochsenfell: 172c, auf dem Esche Gränzverrücker: 182d, q. – Der Sandbrink bei Erlte ein Hexenplatz: 219g. – In den Hamberger Bergen ein Hexenplatz, 218h, m, ein Schatz: 173l. – Zwischen Hohenbögen und Rechterfeld spukt einer: 184 f. – Bei Wöstendöllen im Busch Spuk: 180a, b, 194i. – Zwischen Wöstendöllen und Norddöllen der greise Mann: 184e. – In Norddöllen spuken Hunde: 186h, zwischen dem Dorfe und dem Holze ein Mann: 185l, im Stubbenkamp desgl.: 184g, im Holze ein Jäger: 176g, der rufende Kerl: 181a. – In Astrup spukt ein Hund, 186i. Bei Astrup ist die Otteburg, von welcher Sagen: 179y, 258e, 528c. – Im Holze Holvedehusen spukt ein Förster: 184a, 615q, r. – In Hagstedt ist eine Straße nicht geheuer: 185 f.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 529. Visbek. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3550-3