33.

Der Aberglaube stellt gewisse Sätze oder Regeln auf, wie man sich verhalten soll, um Gutes sich zuzuwenden und Übles abzuwenden. Er beruft sich dabei auf Überlieferung und Erfahrung.

a.

Nach dem Volksaberglauben wird jede Schuld von Gott schon auf Erden gerächt. Der eine verarmt, der andere wird unheilbar krank, der dritte erliegt einem jähen Tode. Unrecht Gut gedeihet nicht, und wenn der Erwerber dasselbe zusammenhält, so zerfließt es bei seinen Kindern oder Kindeskindern. »Unrecht Good deihet nich, kummt nicht up den drüdden Arwen.« »Man kann wol unrecht Good arwen, aber nich verarwen.« »Een unrechten Groten nimmt twintig Daler mit.« »Das wundert mich nicht,« sagte eine Frau in Oldenburg, »daß der N.N. wieder zum Konkurs gekommen, er hat einmal einen falschen Eid geschworen.« Einen Meineidigen kann man daran erkennen, daß er in einer taubenetzten Wiese keine Spuren hinterläßt (Bösel). In Cloppenburg sagt man, der Meineidige werde blind und verliere die Sprache. Die Kinder eines wohlhabenden Kaufmanns kamen alle an den Bettelstab. »Dar is kin Sägen up wäsen,« urteilten die Leute, »de Vader was en Wucherer. He hett de armen Lüde bedrücket.« Schlösser und Ritterburgen, ganze Dörfer werden in Sage und Überlieferung wegen des gottlosen Treibens ihrer Bewohner dem Untergange geweiht. – Diese Auffassung, daß jeder bösen Handlung eine entsprechende Strafe (nicht bloß die richterliche) auf Erden mit Sicherheit nachfolgt, führt dahin, daß der Aberglaube förmlich darauf ausgeht, diese Strafen beim Menschen zu entdecken oder Strafen zu sehen, wo keine sind. So kommt er zur Aufstellung einer Reihe von Sätzen [41] oder Verhaltungsregeln zur Abwendung unheilbringender Handlungen oder Strafen. Z.B.: Wer die Mutter schlägt, dem wächst die Hand aus dem Grabe. Wer in die Spur eines Ehebrechers tritt, bricht das Bein u. dgl. mehr.

b.

Eine zweite Klasse von Verhaltungsregeln enthält im Grunde vernünftige Ratschläge oder praktische Lebensregeln, nur in der Form, wie sie gegeben werden und in ihrer Anwendung erweisen sie sich als abergläubisch. Wenn es z.B. heißt: Wer die Butter zuerst anschneidet, bekommt in 7 Jahren keine Frau, so liegt darin, wie schon bemerkt wurde, eine Mahnung an die jüngeren Leute einer Tischgesellschaft, älteren Leuten den Vortritt zu lassen, d.h. ihnen zuerst den Butterteller anzubieten, das macht sie beliebt, nicht zuletzt bei der weiblichen Welt.

c.

Eine dritte Klasse schlägt in das Gebiet der Sympathie hinein (geheimnisvolles Wirken eines Körpers auf einen andern), z.B. Hufeisen auf der Türschwelle Glück im Hause. Findet man ein Hufeisen, so soll man es nicht aufnehmen, wenn das runde, geschlossene Ende einem zugekehrt liegt. Es bringt dann Unglück. Liegt dagegen die offene Seite einem zugekehrt, so soll man das Eisen mitnehmen und es über dem Bette aufhängen, es bringt dann Glück (Jeverland). – Einen löcherigen Feuerstein soll man über dem Bette aufhängen, dies schützt gegen Krankheiten (Friesische Wede). Hier sind Hufeisen und Feuerstein vorbedeutend und zauberkräftig. Es kommt darauf an, worauf man den Ton legt. Will man die Vorbedeutung betonen, dann gehören die Sätze in diesen, will man den Ton auf Sympathie legen, in den folgenden Abschnitt vom Zauber. Demnach findet der Leser einiges in diesem, anderes im folgenden Abschnitt.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 33. [Der Aberglaube stellt gewisse Sätze oder Regeln auf, wie man sich]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-36B7-4