258.

Der Glaube an ein untergegangenes Geschlecht der Riesen ist alt und weit verbreitet. Überall auf der Geest nennt man die Steindenkmäler Hünensteine. Überall heißt es, riesige Menschen, die an Größe und Kraft die heutige Menschheit um ein bedeutendes überragten, Hünen genannt, hätten sie zusammen [502] getragen und aufeinander getürmt. Gerade so urteilte das Volk schon vor bald anderthalb tausend Jahren über die Hünensteine. In dem angelsächsischen Beowulfliede, um das Jahr 600 entstanden, läßt der Dichter in einem Hünengrabe einen Drachen hausen und nennt das Steindenkmal das Werk der Riesen. War der Glaube an Riesen einmal da, dann mußte die Phantasie allerlei Beschäftigungen jener kraftvollen Menschen aushecken. Ein einsamer Findling in der Heide wurde ein Ball, der beim Kegelschieben abgesprengt und als »Pumpe« im Sande stecken geblieben war. Ein Sandhügel war eine Handvoll Sand gewesen, den ein Riesenkind in seiner Schürze getragen und unterwegs verschüttet hatte und dergl. mehr. Geschichten von Riesen, die weit von einander wohnten undeinen Backofen benutzten, finden sich mehrfach (Arkeburg-Otteburg-Astrup, Bösel-Altenoythe-Thüle, Falkenrott-Calveslage usw.). Bei aller Stärke sind die Riesen gutmütig gewesen, aber auch einfältig oder dumm. Kam es auf rohe Kraft an, dann blieben sie im Kampfe mit den Menschen Sieger, gab Geschicklichkeit und Überlegung den Ausschlag, dann zogen sie meist den kürzeren. Dies hat denn auch schließlich ihren Untergang herbeigeführt. – Vielfach herrscht auch der Glaube, die fortschreitende Kultur habe die Menschen überhaupt weichlicher und damit immer kleiner gemacht, je weiter man in die Vergangenheit zurückgehe, desto größer und kräftiger sei die Menschheit gewesen. Als 1864 beim Neubau der Lüscher Kapelle ein mittelalterlicher Kirchhof bloßgelegt wurde, kamen Skelette von ungewöhnlicher Größe zum Vorschein, und man schloß aus den Funden, daß in längstvergangenen Zeiten in Lüsche ein Riesengeschlecht gewohnt habe.

a.

Bei Steinkimmen, Ksp. Ganderkesee, liegen mehrere Gruppen großer Steine, Hünensteine genannt, weil mit ihnen die Hünen vor Zeiten Ball gespielt haben. »Minsken harren dat woll laten schullt, de so binanner to släpen«, sagte ein Bauer, dessen Gehöft von seinen Vorfahren mit Steinen derselben Art und Größe eingefriedigt war. – Südlich von Steinfeld liegen in einem herrschaftlichen Fuhrenkamp mehrere Hünensteine. Unter einem der größten haben die Hünen ihre Küche gehabt, unter einem zweiten haben sie geschlafen. Mit den übrigen haben sie Ball gespielt und haben sie über den Thorsbarg geworfen, der nicht weit davon ist und zu den Dammer Bergen gehört. In einem Steine finden sich noch [503] zehn Löcher, das sind die Fingermale der Riesen. – Auf dem Kleinenkneter Felde, nicht weit von Pestrup, Ksp. Wildeshausen, liegen zwei große Gruppen von Hünensteinen und ebenso auf der jenseits der Hunte befindlichen Heidhöhe von Rüdebusch, die haben sich die Hünen gegenseitig zugeworfen. In dem größten Steine auf dem Kneter Felde sind noch die fünf Eindrücke der Finger eines Hünen zu sehen. In der ganzen Gegend von Pestrup haben ehedem viele Hünen gelebt, aber eine Pest hat sie alle dahingerafft. Daher kommen die vielen Hünengräber, die sich bei Pestrup finden, daher kommt auch der Name Pestrup, d.i. Pestdorf. – Andere Arten von Riesengräbern 552 f, 554b, 584c.

b.

In Barßel wohnten einst sieben und in Lohe acht Bauern, die kamen mit einander überein, daß sie zusammen eine Kirche bauen wollten und zwar in der Mitte zwischen Lohe und Barßel. Die Steine, Hölzer etc., waren schon hingeschafft. Aber da trugen die Hünen in einer Nacht sämtliches Material nach Barßel und bauten dort die Kirche. – Nach einer andern Nachricht haben sie den Kirchhof, der sehr hoch ist, hergestellt.

c.

Die Steine zu den saterländischen Kirchen sind von Hünen gebacken, welche im Lehmdobben, westlich von Scharrel, ihre Wohnung und ihre Ziegelei hatten. Als sämtliche Steine zu den drei Kirchen fertig waren, wollten die Hünen aber nicht wieder weichen und hielten sich große Hunde, durch welche die Scharreler in Furcht gehalten wurden. Endlich aber ermannten sich die Scharreler und vertrieben die Hünen; sie tichelten, d.i. schlugen dieselben fort. Seitdem heißen die Ziegelarbeiter im Saterlande Tichelers. (Die Ziegeler heißen auch anderswo Tichelers; denn ticheln ist hochdeutsch ziegeln.) – Eine Hünenbrücke in Moorriem 562a.

d.

Zwischen Ahlhorn und Sage bei Regente, Ksp. Großenkneten, liegt im Chausseegraben ein großer Stein. Och, der König der Riesen, legte sich einst ermüdet dort nieder und aß. Während des Essens bemerkte er etwas Hartes zwischen den Zähnen und spie es aus, das war dieser Stein. Andere sagen, der Stein habe in König Ochs Siegelring gesessen und sei herausgefallen. Anfangs, so heißt es, hatte er die Absicht, ihn wieder einsetzen zu lassen, doch dachte er, solch einen Zierstein fände er leicht und allenthalben wieder, ließ ihn liegen und ging davon. – Einst ritt Kaiser Karl auf die [504] Jagd, da kam er an eine Höhle, deren Ende er nicht absehen konnte. Neugierig ritt er weiter und weiter in die tiefe Dunkelheit hinein, bis nach langer Zeit er vor sich eine Helle aufdämmern sah und endlich nach fernerem langen Reiten wieder an das Tageslicht kam. Wie er die Höhle nun genauer untersuchen ließ, fand es sich, daß er durch den Beinknochen des Riesen Och geritten war.

e.

In den Gehölzen bei Norddöllen sollen früher drei Hünen gewohnt haben, nämlich der eine in Holthausen, Ksp. Oythe, der zweite auf der Harkeburg und der dritte auf der Otteburg, südlich von Astrup. Die drei mußten immer zusammen ihr Brot backen, denn nur der zu Holthausen hatte einen Ofen. Als sie nun einstmals zusammen zu backen verabredet hatten, wurden die zwei, welche keinen Ofen hatten, von dem zu Holthausen hintergangen, und als sie zur bestimmten Zeit kamen, war es noch viel zu früh. Darüber gerieten sie in Zank und Streit und endlich in eine solche Wut, daß sie Bäume aus der Erde rissen und sich alle drei damit totschlugen. – Einst wohnten vier Riesen in der Umgegend von Bösel, der eine bei den Böseler Hünengräbern, der andere bei der Böseler Ziegelei, der dritte bei Altenoythe und der vierte bei Thüle. Alle vier hatten zusammen einen Backofen, der bei der Höhle des Thüler Riesen stand. Einst ist es wegen der Feuerung des Ofens zu Zank und Streit gekommen, es hat einen Kampf abgesetzt, und einer der Riesen ist erschlagen. Die Leiber der vier Riesen ruhen in den Böseler Hünengräbern.

f.

Zu Hohesüne, Ksp. Huntlosen, wohnten einst zwei Brüder von ungeheurer Größe und Stärke. Einen Baum, den kaum vier Pferde gezogen hätten, trugen sie von Döhlerwehe nach Hohensüne. Einer der Brüder siedelte später nach dem Ksp. Dötlingen über, wo er ein Haus auf der Helmshöhe in der Nähe von Ostrittrum bewohnte. Da bei diesem Hause kein Backofen war, so pflegte er sein Brot in dem Ofen seines Bruders gar zu machen. Auch backten sie immer zugleich, um Feuerung und Mühe zu ersparen. Einst wollten sie auch backen und hatten eine frühe Morgenstunde verabredet. Als der Helmshöher am Morgen erwachte, hörte er ein Geräusch von Hohesüne her und glaubte, sein Bruder habe den Ofen schon heiß und reinige ihn bereits vom Feuer. Rasch ergriff er eine Axt, warf sie seinem Bruder hin und [505] rief ihm zu, er möge noch etwas Holz spalten und in den Ofen werfen, er, der Helmshöher, sei noch nicht fertig. Bald darauf packte er seinen Teig auf den Rücken und war sehr bald in Hohesüne. Aber hier fand er, daß der Ofen noch nicht heiß war, und der Bruder sein Brot noch nicht fertig hatte. Er drückte seine Verwunderung hierüber aus und bemerkte, er meine doch schon vorher das Reinigen des Ofens, ein Kratzen und Scharren gehört zu haben. Da lachte der Hohesüner und sagte: »Als ich erwachte, juckte es mich auf den Rippen, und ich kratzte mich etwas stark, das magst du gehört haben!« Und wirklich war dies das Geräusch gewesen, welches der auf Helmshöhe gehört hatte. – Hohesüne ist in grader Linie etwa 1 Stunde von der Helmshöhe entfernt. – Ähnliche Geschichte wird von zwei Riesen berichtet, wovon der eine in Calveslage, der andere in Falkenrott wohnte. Beide hatten einen Ofen; war der eine mit dem Backen fertig, so kam der andere heran. Einst hatte der Calveslager den Teig im Troge getreten und schabte mit einem Messer den an den Beinen sitzen gebliebenen Teig ab. Dies hörte der Falkenrotter Riese und glaubte, sein Kollege zöge die garen Bröte aus dem Ofen. Rasch machte er sich auf, um für sich den warmen Ofen zu benutzen, mußte aber die Entdeckung machen, daß er zu früh gekommen. Er drehte sich um, tat 2 bis 3 Schritte und war wieder bei seinem Heim angelangt. – Auch in der Gegend von Westerburg wohnten zwei Riesen, die einen gemeinsamen Backofen hatten. Als einst der eine Riese auf dem Wege zum Backofen sich mitten in der Westerburger Marsch befand, schüttete er den Sand aus seinen Holzschuhen aus. So ist der sandige Ahrensberg an der Hunte hinter Höfen entstanden.

g.

In alten Zeiten, als die Weser noch nicht eingedeicht war und bei hoher Flut ihre Wogen bis an die Ganderkeseer Geest wälzte, spielten die Hünen am linken Weserufer mit denen am rechten manchmal Ball, wobei die ersteren auf dem Bokholtsberge bei Hohenböken, die letzteren auf der Höhe von Rönnebeck standen. Daß die Hünen bei diesen Spielen ungeheure Bälle und Schlägel gebrauchten, läßt sich denken. Einstmals rief der Hüne von Bokholtsberge dem von Rönnebeck zu, er möge ihm sein Beil einmal herüberwerfen, damit er sich einen Ballschlägel abhauen könne. Der Rönnebecker warf das Beil, traf aber unglücklicher Weise seinen Spielkameraden [506] mit der Schneide in die Brust, sodaß dieser auf der Stelle getötet wurde. Im nächsten Winter, als die Weser gefroren war, kam der Rönnebecker einmal herüber, um sich nach seinem Spielkameraden umzusehen, und fand denselben zu seiner Betrübnis tot auf dem Bokholtsberge liegend, das Beil noch in der Brust. Er grub ein tiefes Grab, legte den Leichnam hinein, füllte Erde wieder auf und legte darüber zwei große Steine. Und diese beiden großen Steine sind auf dem Bokholtsberge noch zu sehen bis auf den heutigen Tag. – Die Hünen auf dieser Seite besuchten dann und wann die Hünen auf der anderen Seite bei Rönnebeck und Vegesack. Durch das Waten im Sande auf der Geest füllten sich ihre Schuhe mit Sand. Wenn sie dann aber in die Marsch wollten, schütteten sie zuvor ihre Schuhe aus, und daraus sind die Sandhügel entstanden, die man bei Stenum und Rethorn findet. – Waren die Hünen von beiden Ufern einmal in Streit geraten, so warfen sie sich hin- und herüber mit großen Steinen, daher lagen noch bis in die jüngste Zeit hunderte und tausende solcher Steine an dem Rande der Ganderkeseer Geest zerstreut.

h.

Einer von den Hünen, die bei Dingstede wohnten, hatte einen Menschen zum Knechte. Eines Morgens sagte er zu dem Knechte, sie wollten zusammen einen großen Baum holen. Der Knecht aber war ein Schalk, stellte sich hinten an die Zweige, und als der Hüne vorn zog, sprang der Knecht hinten in die Zweige, und der Hüne mußte ganz allein den Baum und den Knecht dazu heimschleppen (Ksp. Hatten.)

i.

Eine Riesin bei Dingstede fand einst auf dem Felde einen Bauern, der mit vier Pferden und einem Jungen pflügte. Sie packte alles zusammen in ihre Schürze und zeigte es, Bauer, Junge, Pferde und Pflug durcheinander und in die Taue verstrickt, ihrem Manne. »Sieh, wie das krabbelt,« sagte sie. Aber der erwiderte: »Laß die zufrieden, die müssen uns alle ernähren,« nahm die Dinger sorgfältig aus einander und brachte sie an ihre Stelle zurück.

k.

In Blohen Hause zu Bloh bei Oldenburg diente in alten Zeiten ein Knecht, der war so stark, daß ihn die Leute fürchteten und gern los geworden wären, aber er ließ sich nicht ankommen. Einmal mußte er einen Brunnen graben, da rollten die Hausgenossen große Steine herbei und ließen sie ihm auf den Kopf fallen. Da rief er aus dem Brunnen heraus: [507] »Jagt de Höhner weg, da krabbelt mi wat up den Kopp!« – Ein ander Mal sollte er Brot aus dem Backofen ziehen. Als er wieder kam, wurde er gefragt, wie viel Bröte er herausgezogen habe. Er erwiederte: »Brot hebbe ich nich funnen, awer da legen 'n Stücker foftein Krömen, die hebb ick achter de Kusen stäken.« (Ebenso in Dingstede von einem dortigen Hünen) – Später mußte er einmal den Stall streuen. Wie er dabei war, entfuhr der Hausfrau ein Wind, und sie rief dem Knechte zu: »Den Dwärwind hal wedder!« Wie der Blitz war er dahinter her und verschwand in einem Wirbelwind. Seitdem sagt man in Bloh, wenn ein Wirbelwind geht: »De Bloher Knecht Dwärwind jagt doer't Feld« oder »De Bloher Knecht is achter den Dwärwind to gripen.«


Vgl. 204m.

l.

In der Bauerschaft Neuenwege, Ksp. Varel, nahe an der Oldenburger Chaussee liegt ein ziemlich hoher Sandhügel, der Rapelsberg genannt. Vor Zeiten, als auf der Wapel noch Schiffe bis Conneforde fahren konnten, hauste in einer Höhle jenes Berges, die mit einem großen Steine verschlossen war, ein Riese namens Rapel, der nur von Mord und Raub lebte, die ganze Umgegend unsicher machte und selbst die Schiffe auf der nahe vorbeifließenden Wapel plünderte. Von seiner Höhle aus hatte er einen Faden über die Landstraße gezogen, und jedesmal, wenn ein Reisender den Faden berührte, erklang in der Höhle eine Klingel, welche an dem Faden befestigt war, und der Riese eilte hinaus und erschlug und beraubte den Reisenden. Die getöteten Menschen fraß er auf und bewahrte die Knochen in seiner Höhle. So viel Menschen auch verschwunden, so viel Güter geraubt waren, so wußte doch niemand, wo der Räuber sich aufhielt. Wenn er zu Pferde ausritt, so verwirrte er die Spuren, indem er die Hufeisen verkehrt unternagelte. Einmal hatte der Riese ein Mädchen aus dortiger Gegend geraubt und mit in seine Höhle genommen, wo sie ihm den Haushalt führen mußte. Sie gebar ihm im Laufe der Zeit mehrere Kinder, aber der Riese fraß dieselben immer wieder auf. Der Kummer hierüber und über den Verlust ihrer Freiheit machte die Gefangene endlich krank, und der Riese verstattete ihr zuletzt, daß sie zu ihrer Erholung einmal an einem Sonntag nach Varel gehe; doch mußte sie ihm schwören, keinem Menschen ihren Aufenthalt zu entdecken und gleich wieder zu kommen. So ging sie denn hin nach [508] Varel, und als die Leute aus der Kirche kamen, stellte sie sich an die Kirchenmauer und erzählte dieser ihre Geschichte und sagte, sie wolle eine Kanne Erbsen auf den Weg streuen, der zu ihrer Wohnung führe, denn sagen dürfe sie ihn nicht. Die Kirchleute hörten die Erzählung, und es ward dafür gesorgt, daß jemand ihre Spur verfolge. Als so der Aufenthalt des Riesen ausgekundschaftet war, wurde der Landsturm aufgeboten, die Höhle umstellt und ein Kessel mit siedendem Wasser bereit gehalten. Inzwischen war es Abend geworden, und der Riese wälzte den Stein vor der Höhle weg, um seinen Raubzug zu beginnen. Aber in demselben Augenblicke wurde ihm der Kessel voll heißen Wassers ins Gesicht gegossen, Hören und Sehen verging ihm, und er ward von dem Landsturm erschlagen. In der Höhle fand man unermeßliche Schätze, aber auch eine große Menge von Menschenknochen und Totenköpfen, welche alle reihenweise aufgestellt waren. Die Höhle im Rapelsberge ist eingestürzt, der Stein aber, der sie verschloß, soll noch dort liegen.


Vgl. die Sage vom Mordkuhlenberge bei Damme 536b.

m.

Zu Vrees, einem Dorfe auf dem Hümmling, nicht weit von Lindern, lebte vor reichlich 100 Jahren ein großer gewaltiger Mann, der hatte so viel Kraft wie zehn andere. Eine Schwester hatte er, die war beinahe ebenso stark. Dieser Mann hieß Wille Bäkmann und soll der letzte der Hünen gewesen sein. – Einst war er an einem Musiktage im Wirtshause in Markhausen, und wie es gewöhnlich geht, entstand zuletzt Streit unter den jungen Leuten, und auch Bäkmann wurde hineingezogen. In seiner Wut riß er einen Vorschöttel (Fäsken), woran man im Kuhstalle Kühe und Kälber festzubinden pflegt, los und schlug damit um sich herum. Bald hatte er denn auch das ganze Haus leer geschlagen, und als er nun wieder zu Verstande kam und seinen Vorschöttel einmal ansah, hing ein Kalb daran. – Ein anderes mal war Bäkmann auf Heidbrügge bei Esterwege, wo die saterschen Bootjer (Bootfahrer) die großen Feldsteine einnahmen. Ein junger Bootjer, beinahe noch ein Knabe, wurde beim Laden von den anderen zurückgedrängt und fing an zu weinen, weil er nicht zeitig genug zum Laden kommen konnte. Dies sah Bäkmann und, gutmütig wie er war, ging er zu dem weinenden Knaben und fragte ihn, wo er sein Boot liegen habe. Der zeigte es ihm. Da nahm Bäkmann einen großen Feldstein, [509] wohl eine halbe Last schwer, in seine Arme und wollte damit durch die anderen Boote gehen, um damit zu dem des Knaben, das ganz zurückgedrängt war, zu gelangen. Aber als die anderen Bootjer das sahen, legten sie schnell ihre Boote weg, denn sie befürchteten, Bäkmann möge mit dem Stein durch den Boden der Boote treten. So hatte der Knabe sein Boot zuerst beladen, denn Bäkmann brachte nur zwei Steine hinein, und das war eine Last. – Wieder ein anderes mal war Bäkmann auf Ellerbrok. Viele Bootjer und andere Leute saßen im Wirtshaus am Feuer, denn es regnete. Da kamen zwei Cloppenburger, die fingen von Bäkmann zu sprechen an und bezweifelten, daß er so stark sei. Sie in Cloppenburg hätten auch Leute, die könnten einen Malter tragen, und das solle Bäkmann wohl lassen. Sie hatten aber Bäkmann noch nie gesehen, und der saß in einer Ecke und schlief. Da rüttelte einer ihn wach und erzählte ihm, was die Cloppenburger gesagt hatten. »So?« sagte Bäkmann, »einen ganzen Malter können sie in Cloppenburg tragen? das ist viel, aber an mich hängt, so viel ihr wollt.« Und damit stellte er sich mitten in die Küche hin. Da holte man denn ein starkes Tau, legte es zweimal doppelt um seinen Nacken und band an jedes Ende zwei Sack zu vier Vierup Rocken, dann legte man auf jede seiner Schultern zwei Sack, und endlich nahm er noch selbst unter jeden Arm zwei Sack. Da machten die Cloppenburger große Augen und meinten, das hätten sie nimmer geglaubt. Er trug aber vier Malter, denn ein Malter hat sechs Vierup oder zwölf Scheffel. – Auch ein Bauer war, der nicht recht an Bäkmanns Stärke glauben wollte. Da ging Bäkmann eine Wette ein, er wolle stärker sein als des Bauern ganzes Gespann Pferde. Bäkmann ließ sich zu dieser Probe eine Grube graben, so tief, daß nur der Oberkörper herausguckte, dann faßte er den großen »Knüppel« an, an welchen die Pferde gespannt waren. Aber der Bauer hatte es auf'n Schelm vor und trieb die Pferde an, ehe Bäkmann fertig war; aber dennoch holte Bäkmann die Pferde zurück, daß sie zu sitzen kamen, wie man Hund und Katze sitzen sieht. – Es war im Spätsommer, wenn die Ernte heimgefahren wird, als ein Bauer im Geburtsort Wille Bäkmanns Samstags ein Fuder Rockengarben geholt hatte, aber unterwegs von einem Regenschauer überrascht worden war, sodaß sein Fuder Garben von außen naß geworden. Weil es am Sonntag schönes Wetter [510] war, ein scharfer trockner Ost über die Stoppeln fegte und die Sonne recht prall dabei schien, hatte der Bauer sein Fuder zum Abtrocknen wieder aus dem Hause geschoben. Gegen Abend, als der Tau zu fallen anfing, wollte der Bauer sein Fuder wieder ins Haus haben, aber der Wagen stand in der Miststätte, die bedeutend niedriger war als der Dielenraum. Nun waren ihrer etwa zehn junge Burschen bei dem Bauern auf Nachmittagsbesuch, denn er hatte drei hübsche Töchter, und man hatte schon lange hin und her überlegt, wie man den Wagen am besten ins Haus bringe, ohne eben die Pferde vorzuspannen. Da kam zufällig Wille Bäkmann, ein Freund des Bauern. Lächelnd sah Wille den jungen Burschen eine zeitlang zu, wie sie um den Wagen herumstanden, bald beratschlagten, bald vor den Rädern kleine Unebenheiten beseitigten, im ganzen aber nicht wußten, was sie anfangen sollten, um den Wagen mit vereinten Kräften die Höhe hinauf zu schieben; dann trat Wille näher, sagte spottend: »Na Jungens, so geit dat nich, anpacken gelt,« und faßte die Deichsel an. Dieser Spott angesichts der dabeistehenden Mädchen verdroß die bis dahin unschlüssigen Burschen, und wie aus einem Munde flüsterten sie sich zu: »Zurückhalten, zurückhalten!« Aber ungeachtet die zehn kräftigen Burschen die Speichen der Räder faßten und rückwärts schoben, zog Wille an der Deichsel den Wagen die steile Bahn hinan, ohne sich eben dabei anzustrengen. Der Bauer stand verwundert dabei und fragte Wille, als der Wagen auf der Diele stand: »Nu Wille, güng et uk stur?« »Och,« erwiederte Wille, »dat was en lütteck, man väl noch nich.« – (Scharreler Mundart.) Bäkmanns Wille was in sin olde dege scheper. Det alder hidde weil sin hëire blek't un sin reg krûm maket, man hi hidde nog kraft for tjen ourswêike. Dit mate ungefär in do tid wäse, as op 'e Gälenbëirg nog nen husse wierne un ok was op 'e Barenbëirg nog nen hus; dann do kemene erste as di grote bround 1821 in Scherrel wäsen was un vull van do verbarnde plaze op 'e Barenbëirg nemene. Vartied was die Barenbëirg un ganz Swotefan un ok, weir nu Gälenbëirg leit, meente wëide. Di Barenbëirg heerde do Seter, un di Gälenbëirg heerde do Hummelske, man so jüst gingt med' weedjen nit tou, un de Hummelske kemen ofte op des Seter. Do was ôk Bäkmanns Wille inzen op 'e Bärenbëirg med sin koppel schëipe. Ofte hidden do Scherreler al dëir op luret, [511] do Hummelske bi't been tou krigen, man al tide wiërne dëirop jo him nog entkemen dan do schëipe wiëerne ongjucht, un wan die scheper man floitede, dan ronnene do schëipe al dat se wegkemene. Man ditmal mendene do Scherreler dog, jo wilne den olden Wille weil krige. Twein ut Scherrel hiddene den ganzen dej al op him luret un wiërne al vor di dej utgan un hiddene sik in un sloot verkrepene. As Wille nu fiër genoug op' e Barenbëirg herope was, do gingene do bee op him tou un wilne him do schëipe nime; man as hi det merkede quad hi: »No Jungens, will ji mi dei Schape nehmen? dat schall abers int Gode nich passeiren!«un do nohm hi den tjukke stock, den hi in do honde hidde, un trahlde 'ne stuf ouw, det do splittere herum fleine. Di stock was weil un eirm tjuck un dëirtou un ekene. As do bee Scherreler det sigene, gingene jo slipsteiten weg un litene Bäkmanns Wille sille weedje. (Bäkmanns Wille war in seinen alten Tagen Schäfer.) Das Alter hatte wohl seine Haare gebleicht und seinen Rücken krumm gemacht, aber er hatte noch Kraft für zehn andere. Es mochte ungefähr in der Zeit sein, als auf dem Gälenberg (Neu-Arenberg) noch keine Häuser waren, auch war auf dem Bärenberg (Neuscharrel) noch kein Haus, denn die kamen erst, als der große Brand 1821 in Scharrel gewesen war und viele von den Abgebrannten Wohnplätze auf dem Bärenberge nahmen. Vor Zeiten war der Bärenberg und das ganze Schwarzemoor und auch, wo nun Gälenberg liegt, gemeine Weide. Der Bärenberg gehörte den Saterschen, und der Gälenberg gehörte den Hümmlingschen, aber so genau gings mit dem Weiden nicht zu, und die Hümmlingschen kamen oft auf das Satersche. Nun war auch Bäkmanns Wille einst auf dem Bärenberg mit seiner Schafherde. Oft hatten die Scharreler schon darauf gelauert, die Hümmlingschen beim Bein zu kriegen, aber immer waren sie ihnen noch entkommen, denn die Schafe waren darauf abgerichtet, und wenn der Schäfer nur pfiff, dann rannten die Schafe schon, daß sie wegkamen. Aber diesmal meinten die Scharreler doch, sie wollten den alten Wille wohl kriegen. Zwei von Scharrel hatten den ganzen Tag schon auf ihn gelauert und waren schon vor Tag ausgegangen und hatten sich in einem Graben verkrochen. Als Wille nun weit genug auf dem Bärenberg herauf war, gingen die beiden auf ihn zu und wollten ihm die Schafe nehmen. Aber als er das merkte, [512] sagte er. »Na, Jungens, will ji mi dei Schape nehmen, dat schall abers int Gode nich passeiren!« und dann nahm er den dicken Stock, den er in Händen hatte, und schlug ihn stumpf ab, daß die Splitter herumflogen. Der Stock war wohl armsdick und noch dazu ein eichener. Als die beiden Scharreler das sahen, gingen sie schliepsterts – eigentlich mit schleifendem Schweife wie ein retirierender Hund – weg und ließen Bäkmanns Wille ruhig weiden).

Einige Stunden von Vrees, in Stapelfeld bei Cloppenburg, wohnte ein großer kräftiger Mann, den man den groten Schipper nannte. Dieser bekam eines Tages Lust, mit Bäkmann ein Ringen zu veranstalten. Er bricht nach V. auf, trifft dort auf dem Acker einen großen Mann hinter dem Pfluge und frägt diesen, wo der Riese Bäkmann wohne. Der Pflüger faßt an den Pflugsterz, hebt den ganzen Pflug in die Höhe und zeigt damit nach einem Hause: »Dar woahnt de Bäkmann«. »Is de noch stärker es ji«, frägt der Fremde. »Dar bin ick man ein Kind kägen«, ist die Antwort. Der Fremde dreht sich um und hat das Haus des Bäkmann niemals aufgesucht. Die Holzschuhe, welche Bäkmann getragen, wurden noch vor einigen Jahren gezeigt, sie faßten 10 Liter Roggen.

n.

Der Kolon Dusse im Kirchspiel Neuenkirchen galt als ein Mann von großer Körperkraft. In der französischen Zeit wurde ihm ein Franzose ins Haus gelegt, mit dem er sich eines Tages entzweite. Dieser rief eine Anzahl Kameraden herbei, die mit Dusse Händel anfangen und ihn schließlich verprügeln sollten. Die Soldaten ließen sich beim Feuer nieder und verübten allerlei Schabernack, um den Bauer zu ärgern. Dusse war auf der Diele mit Kornreinigen beschäftigt und tat, als wenn er nichts hörte. Als er mit seiner Arbeit fertig war, füllte er das gereinigte Korn in Säcke und schickte sich an, diese auf den Boden zu tragen. Zu dem Ende mußte er eine Treppe benutzen, die hinter dem Feuer auf den Kornboden führte. Jedesmal nun, wenn er mit einem Sack herankam, wurde der Zugang zur Treppe von einem Franzosen, der sich mit seinem Stuhle davor setzte, versperrt. Dusse schob ein paar Male den lästigen Gast zur Seite und schritt ruhig die Treppe hinauf. Als dann der Soldat lästiger wurde, erfaßte den Gefoppten der Grimm. Mit einem Sack auf dem Rücken, der sechs Scheffel Roggen enthielt, kam er wieder von der Diele [513] zur Treppe, faßte trotz der Last, die er trug, den Stuhl, worauf der Franzmann saß und warf ihn mit dem darauf Sitzenden über das Feuer hinweg mitten auf die Diele. Dann ließ er den Sack mit Korn zu Boden fallen, um auch den übrigen einen Denkzettel zu verabreichen. Dazu kam es aber nicht mehr, alle hatten schleunigst das Weite gesucht.


Vergleiche auch 374a.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 258. [Der Glaube an ein untergegangenes Geschlecht der Riesen ist alt]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-382C-0