[184] Sonette aus dem ungedruckten Roman: Alma, ein Buch der Liebe

Was ist doch, fragt der Irdische, die Liebe? –
Für euch, ihr Armen, nur ein tief Verhüllen,
Ein dunkler Tod im eignen Widerwillen,
Ein Aengsten, das gern stumm verschlossen bliebe.
Doch wen anlächelt Aug' und Mund der Liebe,
Der fühlt im Herzen Wunderströme quillen,
Ein seelig Ahnden, niemals zu erfüllen: –
Wozu, daß ich den Geist im Wort beschriebe?
Wem einmal Töne, Lichter, Farben, Sterne
Geschwisterlich aufgingen, und im Blühen
Aus Thränen ihre Nahrung sog die Blume:
Fühlt der in Gott ein Nahe noch und Ferne?
Muß nicht sein Herz in Ewigkeiten glühen?
Antworte du, wohnend im Heiligthume.

[Du forderst von mir, Alma, diese Sünde]

[185]
Du forderst von mir, Alma, diese Sünde,
Ein heilges Wort, das Trauer durfte sprechen,
Mir Trost zugleich, muthwillig zu zerbrechen,
Ein sehnend Leid, wie Frühlingsluft gelinde.
Und wie das Lied ich sinnend lös' und binde,
Erscheint mir mein Beginnen ein Erfrechen,
Ein jeder Laut will meine Seele stechen,
Wie wenn ich kalt vor diesen Thränen stünde.
So muß ich mit Gewalt mich selbst bezwingen;
Erst rührte mich der Inhalt dieser Klagen,
Jetzt mehr, daß ich gefühllos sie soll meistern.
So muß ich sprechend auch zu Boden ringen,
Was immer dir die Seele möchte sagen,
Nur stummes Weinen bebt in allen Geistern.

[Doch lieblich ist dies Lied nunmehr vermischet]

[186]
Doch lieblich ist dies Lied nunmehr vermischet,
Ein fremd Wort liegt dem deinigen am Herzen,
Mir ist als säh ich spielend Engel scherzen,
Wie Ton sich liebevoll im Ton erfrischet.
Und wenn mir alles Leben nun erlischet,
So brennen doch die beiden schönen Kerzen,
Sie leuchten nun von selbst zweifache Schmerzen,
Was jeder klagt unkenntlich hier vermischet.
Wie süße Ahndung, daß zur dunkeln Pforte,
Zur ewgen Mutter, zu der unbekannten,
Ein unnennbares Weh mich niederziehet!
Ich weine nicht, daß mir kein Frühling blühet,
Da mir sie deine süssen Lippen nannten
Sind Tod und Grab mir nun die schönsten Worte.

[Zeit ist's, ich fühl es, endlich zu beschließen]

[187]
Zeit ist's, ich fühl es, endlich zu beschließen,
Denn auch Maria will nicht mehr beschirmen,
Sie giebt dich Preis den Wettern, die sich thürmen,
Kein Stern soll mir in öden Nächten sprießen.
Weh mir! daß Morgenroth mich wollte grüßen,
Ein lächelnd Blicken, herzlich, lieblich Schirmen!
Nun, Herz, vergeh sogleich in schnellen Stürmen,
Laß nicht dein Leben tropfenweis vergießen!
Die Nacht empfängt mich wieder, ödes Schweigen,
Ein schwarz Gewässer, Gram, Qual, Angst und Weinen:
O Licht! o Blick! was mußtest du dich zeigen?
Mir schadenfroh in meiner Wüst' erscheinen,
Daß dieser Schmerz mir auch noch würde eigen?
Und keinen Blick und Trost, Maria? – Keinen!

[Das war es, was mir Ahndung wollte sagen]

[188]
Das war es, was mir Ahndung wollte sagen,
Das bange Herz, das heimlich oft im Beben
Mir eine treue Warnung hat gegeben:
Du sollst, du sollst noch nicht dein Letztes wagen.
Welch Kind hab' ich empfangen und getragen!
Der größte Schmerz führt schon in mir sein Leben,
Bald wird er reißend nach dem Lichte streben,
Dann wird das matte Herz von ihm zerschlagen.
So blute denn mit Freuden, Todeswunde,
Fühl' noch, o Herz, im Schmerz die lichten Blicke,
Das süße Lächeln, höre noch die Töne,
Durchdringt dich ganz im Tiefsten, welche Schöne
Aufstrahlt' im Lächeln, Klang, zum Liebesglücke, –
Dann fühl' dein Elend, brich zur selben Stunde!

[Was hast du mir denn, Leben, schon gegönnet]

[189]
Was hast du mir denn, Leben, schon gegönnet,
Daß ich als Gut dich theuer sollte schätzen?
Warst du ein gier'ger Dolch nicht im Verletzen
Der Brust, die immerdar in Wunden brennet?
Der liebe dich, der dich noch nicht erkennet,
Wer blind unwissend lüstert deinen Schätzen:
Magst du nur Weh und Jammer auf mich hetzen,
Dein wildes Heer, das uns zum Grab nachrennet,
So kann ich auch als argen Feind dich hassen;
Nur nicht mehr täusche mit holdselgen Mienen,
Zeig mir dein Furien-Antlitz, Haar von Schlangen!
Davor wird nie mein starkes Herz erbangen:
Doch daß du mir als Liebe bist erschienen,
Den Trost, Schmerz, Trug, weiß ich noch nicht zu fassen.

[Nie hat die Eitelkeit mein Herz betrogen]

[190]
Nie hat die Eitelkeit mein Herz betrogen,
Um, leeren Sinn's, mit Liebe nur zu spielen,
Und wollten schöne Augen nach mir zielen
Hat blöde sich mein Sinn zurück gezogen:
Nie hab' ich Lust, nie Schmerzen mir gelogen,
In Ahndung und Gedicht mich selbst zu fühlen,
Ein frommer Zweifel löschte mit dem kühlen
Gewässer jeden Brand mit sanften Wogen.
Zuerst muß ich das Wort mir selber sagen,
Jetzt weiß ich ohne Trug, ich leb' und liebe,
Dies eine nur sey Glück mir und Verderben.
Empfind' es, Herz, verschließ, o Mund, die Klagen;
Beglückt, wenn ich auch unverstanden bliebe,
Gern will ich doch der einzgen Liebe sterben.

[Woher, du süsser Ton mit deinem Klingen?]

[191]
– »Woher, du süsser Ton mit deinem Klingen?
Der wie ein Zauber blitzend in mich schläget,
Daß furchtsam sich das Herz nur zitternd reget,
Vor Sehnsucht, Lust vom Auge Thränen entrinnen?« –
– Siehst du denn nicht, wie dieses holde Singen
Sich von dem Glanz der Lippen herbeweget,
Vom Mund der rothen Liebreiz in sich heget?
Den süssen Flammen muß sich Feu'r entschwingen. –
– »Ja, peinigend versehrst du, doch die Flammen
Trösten im Brande, Tod wird zum Entzücken,
In diesen Gluthen fühlt mein Herz sein Leben,« –
– »Weil diese Tön' dem Geiste selbst entschweben;
Der ist ein Liebesothem, Trost, Erquicken:
Aus Liebe nur kann Ton der Liebe stammen!« –

[Wenn vor dem Schlaf in tiefer Nacht zum Beten]

[192]
Wenn vor dem Schlaf in tiefer Nacht zum Beten
Mein Herz inbrünstig kehrt, ein heilges Weinen
Sich sehnet nach den stillen Todesstäten,
Nahn Engel, die mit mildem Licht erscheinen.
Wie ich den Blick versteh, muß vor mich treten
Dein holdes Bild, dein süsses Blicken, meinen
Thränen du lächelst, mir ist als umwehten
Mich Himmelsdüft' in Paradieseshainen.
Schlummernd streck' ich die Händ in schöner Trauer,
Im Herzen bist du, quillst aus allen Thränen,
Nun wollen Arme dich und Busen fassen;
Du weichst mit stillem Wink wie Nebelschauer:
Stets blieb des Lebens Schönstes mir ein Wähnen,
Es zog hinweg, hat einsam mich gelassen.

[O lichtes Strahlen dieser holden Blicke!]

[193]
O lichtes Strahlen dieser holden Blicke!
Sind's Himmelskräfte, die sich aus euch gießen?
Lächeln, willst du auf rothen Lippen sprießen,
Ist mir, als ob ich Himmelsfrucht erblicke.
Ton! Wort! Gesang! o Wahn! o holdes Glücke!
Wehmuth und heitre Lust die nieder fliessen,
Des Herzens Schmerz in Andacht zu versüßen!
Spricht Ton, Gesang aus, wie ich mich beglücke?
Nur heilge Thränen können es verkünden,
Wenn im Gebet sie aus den Augen fluthen,
Im heitern Licht die Geister sich entzünden,
Dann läutert sich in der Entzündung Gluthen,
Dann reißt, was mich der Erde will verbünden,
Wenn Lieb' und Alma aus den Wunden bluten.

[Viel Wunder in der Dichtkunst Garten blühen]

[194]
Viel Wunder in der Dichtkunst Garten blühen.
Es drohet als verschlingend Ungeheuer
Allem, was lebt, das hunger-grimme Feuer,
Mit seinem Raub dem Abgrund zuzufliehen:
Nur einer Kreatur dräut nicht sein Glühen,
Dem Salamander zeigt es sich getreuer,
Der fühlt sich in der Heimath, hold und theuer
Ist ihm rundum der Flammen rothes Sprühen.
Dies ist ein Bildniß treuer Liebesherzen:
Bist du mir nah, bin ich umweht von Flammen,
Und jeder Blick saugt heiß an meinem Blute,
Doch lebt das Herz so mehr im Liebes-Muthe,
Als um mich näher schlägt der Brand zusammen,
Erlischt er, tödten mich der Sehnsucht Schmerzen.

[Wie Wiesen nach dem Gruß der Quellen schmachten]

[195]
Wie Wiesen nach dem Gruß der Quellen schmachten,
Die Saaten nach dem ersten Frühlingsregen,
Die Fluren hoffen auf der Sonne Seegen,
Daß Wies' und Feld in heitern Farben lachten;
Wie grüne Waldeszweig' in stillem Trachten
Warten auf Wind und Vogelsang; es regen
Träumend den Sternen Blumen sich entgegen,
Bis von dem Schlaf die bunten Augen wachten:
So steht auch matt meines Herzens Gefilde,
Alma, wenn du in Träumen mich umgeben,
Stillharrend auf den frühen Schein der Augen,
Aus diesen Sonnen muß ich Labung saugen,
Dann führt Frühling in mir sein junges Leben,
Blühn auf und prangen liebende Gebilde.

[Wann ich in tiefen Nächten einsam sinne]

[196]
Wann ich in tiefen Nächten einsam sinne,
In tiefes Leid andächtig mich versenkend,
Den durftgen Schmerz mit Sehnsucht, Seufzern tränkend,
Im Innern meiner Quaal mein Glück gewinne:
Dunkle Lust! heller Schmerz! göttliche Minne!
So sagt mein Herz; dich Alma, dann gedenkend,
Den müden Geist zum Paradiese lenkend
Fühl' ich, wie heiß der Strom der Thränen rinne.
Da klingt dein Ton wie ferne Nachtigallen,
Schlägt zitternd mit den Flügeln mir im Herzen,
Es tönt, als wenn von Bergen Quellen fallen,
Die Nacht quillt um mich auf in Frühlingslauben,
Zu Wunderblumen werden alle Schmerzen,
Dich muß ich dann und ew'ge Liebe glauben.

[O schönster Zweig von allen grünen Zweigen!]

[197]
O schönster Zweig von allen grünen Zweigen!
Du Myrthenreis, wie ich dich vor mir sehe,
Flieht vor dem stillen Grün mein Leid und Wehe,
Und Wonneschau'r in meine Seele steigen.
Mein bist du jetzt; als du noch dorten eigen
Der reinsten Brust, war mir der Fittig wehn
Des Lenzes schon, es schwebt in deiner Nähe
Ein Herz, es will ein Kreuz sich dunkel zeigen.
Wie schlang das kleine Herz sich an die Myrthe,
Als wollten sie liebkosen sich in Küssen,
Als wenn ein Täubchen um ein Blümlein girrte;
Ach, Kreuz, gedrückt von dir wurden zerrissen
Die zarten Blätter: jetzges, künftges Weinen,
Mein Glück, mein Leid sah' ich mir so erscheinen.

[Oft will die Erde zürnend mich erfassen]

[198]
Oft will die Erde zürnend mich erfassen,
Wie Felsen steigt es stürmend in die Seele,
So daß ich mich in grimmen Zweifeln quäle,
Als müß' ich Lieb' und Herz und Himmel hassen.
Dein süsses Bild hat furchtsam mich verlassen,
Nichtsein und Tod ist was ich dann erwähle,
Doch wie das leere Herz im Trotz sich stähle
Muß ich doch zitternd vor mir selbst erblassen.
Wie Geisterhände wohl an Harfen rühren,
Daß sie im Traum von Liebe wiederklingen,
So in mein Leid sich tauchen Engelhände;
Wie ich vom Tod den Blick in's Innre wende,
Sie Alma, mir, dein Bildniß wiederbringen,
Es im Triumph auf meinen Thränen führen.

[Wie fliegend auch fortstürzen die Gedanken]

[199]
Wie fliegend auch fortstürzen die Gedanken,
Die schnellsten müssen schwindelnd stille halten,
Wenn sie das Bild der Ewigkeit, der alten,
Im Abgrund schauen, hier sind ihre Schranken.
Der Liebe Allmacht will entgegen ranken
Dem Herzen aus den tausendfach Gestalten,
Erbebend muß das Herz in Angst erkalten,
Im eignen Innern will die Liebe wanken.
Vom Abgrund dieser Lust, des Wahns, der Schmerzen,
Hat mich, Maria, weggeführt dein Bildniß,
Das mir in lichter Glorie erschienen:
Liebe, ein froher Bach, rauscht in dem Grünen,
Liebe tönen die Zweig' in süßer Wildniß,
Und Alma's Blick blüht im geheimsten Herzen.

[Andacht, ein ewges, innges Angedenken]

[200]
Andacht, ein ewges, innges Angedenken,
Anfang ist es vom lieblichsten Empfinden,
Aufschweben zu sich, um sich selbst zu finden,
Allmächtges Streben sich in sich zu senken.
Liebe muß aus dem luftgen Duft sich lenken,
Leben recht lind in Liebe ganz verschwinden,
Lichtheilig sich der Leib dem Geist verbinden,
Leid naht, lebendge Herzen uns zu schenken.
Minne, so sangen, die das Höchste meinen,
Mild' innig Sinnen, Lust an Schmerz und Wunde,
Myrth' und Cypress' und Rosen sah' ich scheinen,
Anfang und End' im süßgeschmückten Bunde,
Der reinsten Anmuth Licht, der Minne Allmacht,
Aussprechen konnt' ich nun den Namen Alma.

[Ihr kindisch spielenden unschuldgen Reime]

[201]
Ihr kindisch spielenden unschuldgen Reime,
Was zwingt ihr mich mit lockendem Geschwätze,
Daß ich vertrauend liebend in euch setze,
Von Liebesleid und Lust die zarten Keime?
Laßt ihr aus ihnen wachsen grüne Bäume,
Daß sanft Geräusch im Alter mich ergötze,
Mich süß erinnernd an des Herzens Schätze,
In Zweigen spielend meine Jugendträume?
Seid ihr so fromm und gut, will ich versprechen,
Mag Musenkunst und Jugend von mir ziehen,
Kein Blatt aus diesem Götterhain zu brechen,
Ja jeder Sturm soll diesen Garten fliehen,
Wer lieblos naht, den soll die Rose stechen,
Mir und der Liebsten Duft und Farbe blühen.

[Es war der Glaube alter Astrologen]

[202]
Es war der Glaube alter Astrologen,
Daß, wenn Verfinstrung kam dem Sonnensterne,
Es Unglück deute, bis zur fernsten Ferne;
Sie lehrten, wenn ihn Dunkel überzogen,
Dann sei der Lichtplanet uns nicht gewogen,
Des Seegens Kräfte matt, wie sie auch gerne
Die Welt durchdrängen. Wo ich jetzo lerne,
Die Schule sagt, daß sie sich nicht getrogen.
Wenn ihre Augen auf die mein'gen blicken,
Und ich mich ganz in Seeligkeit muß fühlen,
Lebendig, gläubig, voller Lieb' und Freuden,
Ein Fremder mich von ihrem Blick will scheiden,
Dann bin ich aus der Sonne schnell im kühlen
Schatten, der Glück mir will und Heil entrücken.

[Wer hat des Himmels Bläue tief genossen]

[203]
Wer hat des Himmels Bläue tief genossen,
Den inngen Blick aus den azurnen Lüften,
Den Blumenkelch, das Aug' in süßen Düften,
Den klaren Quell, vom grünen Licht umflossen?
Aus allem ist mir oft ein Aug' entsprossen,
So fand ich Sehnsucht, Lieb' in Steinesklüften,
Ein träumend Liebes-Echo selbst in Grüften,
In Wald, Berg, Thal und Fluß meine Genossen.
Wie ward mein Herz im Innersten erschüttert,
Als lichte Töne flogen wie die Tauben,
Die in der Sonne wie klar Gold erfunkeln:
Ein Blick, blau, hold, sich aufthat aus dem Dunkeln.
Nun kann ich erst an Stern und Auge glauben,
Seit mir im Herzen dieses Blicken zittert.

[Göttliches Licht, der Augen spielend Wesen]

[204]
Göttliches Licht, der Augen spielend Wesen,
Nie hab' ich Blick, Gruß, Augenkuß verstanden,
Drohende Bitten, blitzend Flehn, in Banden
Des Lichtes war ich niemals noch gewesen.
Ich kann von dieser Krankheit nicht genesen,
Und will nicht könnt' ich, seelgen Zauberlanden
Einheimisch nun, wo alle Zweifel schwanden,
Gelehrt in Sternenschrift und tiefbelesen.
Ja Sterne sind sie, sie sind lichte Bronnen,
Blumen, ihr Sehn ist wie ein Liebesthauen,
Bienen sind meine Blicke, die sie saugen,
Himmel ihr Antlitz, sie die ewgen Sonnen,
Mein glänzend Schicksal, dem will ich vertrauen,
O mehr als Alles, sie sind Alma's Augen.

[Ihr Augen, Auen, wo die Engel spielen]

[205]
Ihr Augen, Auen, wo die Engel spielen,
Ihr Blicke, Blitze, leuchtend angezündet,
Du Sehn, ein Seegen, welcher kommt und schwindet,
O Strahl, ein Stahl, gezückt nach mir zu zielen!
Wie muß ich doch Strahl, Seegen, Blitze fühlen,
Weil alles sich im farbgen Licht verkündet,
Der süße Krieg stets meine Blicke findet,
Die heiß sich gern in diesem Spiegel kühlen.
So steigt das Licht herauf zur Augenquelle,
Wie Lust, Schmerz, Sehnen, Ahndung sich entzücke,
Im Regenbogen sie versöhnend weben:
Oft brennt der Schmerz, das Liebesfeur zu helle,
In Thränen löscht der Glanz zu sonnger Blicke,
Auf Wassern wieder milde Geister schweben.

[»Dich lieb' ich stets«, sang deine süsse Stimme]

[206]
»Dich lieb' ich stets«, sang deine süsse Stimme,
Und mit dem Wort gabst du ein lieblich Blicken,
Das fiel in's durstge Herz, labend Erquicken,
Als wenn im Dunkel Morgenröthe glimme.
Ja dich nur lieb' ich stets, auch wenn im Grimme
Mir Leid, Weh, Noth das Leben noch will schicken,
Die Worte sing' ich laut noch mit Entzücken
Wenn ich den dunkeln Fluß hinunter schwimme.
So tönte Orpheus Laute in den Wogen
Und widerklang das tiefe Bett des Flusses,
Die Ufer sangen nach die herben Schmerzen.
Wenn schon der Tod gespannt den finstern Bogen,
Denk' ich des Blicks, des Klangs, des süssen Kusses,
Und singe leis': Du blühst mir noch im Herzen.

[Durch lichte Liebe wird das Leid zum Liede]

[207]
Durch lichte Liebe wird das Leid zum Liede,
Schnell fachen sich in Gluth an helle Kerzen,
Das rothe Leben brennt im tiefen Herzen
Und stumme Freude wird beredter Friede.
Willkommen denn! thörigt, wer euch vermiede,
Ihr heilgen Thränen, tiefe Trauer, Schmerzen
Sind Wunden, worinn Liebe treibt ihr Scherzen.
Wahn, holder, bleib auf meinem Augenliede,
Bewohne Geist und Sinn: wer dich vertriebe,
Der nähme meinem Geist das Licht der Seele,
Das, was ich suche stets, das Unbekannte.
Ich weiß selbst nicht, wonach mein Herz entbrannte,
Wonach in Thränen ich mich lechzend quäle. –
Sucht auch die Liebe mehr noch als die Liebe?

[Thränen, ihr lichtbeschwingten Wunderkinder]

[208]
Thränen, ihr lichtbeschwingten Wunderkinder,
Ihr heilgen Bothen, die aus dunkeln Schachten,
Zu denen keine Strahlen Zeugniß brachten,
Durch unerforschte Wege mit gelinder
Gewalt hinbrechen: wann das Herz in blinder
Verhüllung klagte, Sinnen nicht mehr dachten,
Und Glaub' und Hoffnung nur als Traum verlachten,
Das Leben starb, und Lieb und Andacht minder
Schon leuchten, fast erlischt der letzte Schimmer:
Dann blickt aus ferner Wüst' ein alt Erinnern,
Und seelge Rührung winkt, ein schmelzend Sehnen
Wächst nah und näher: plötzlich durch die Trümmer
Bricht wie ein Blitz durch jede Kraft des Innern
Der Liebesgruß und glänzt in Sieger-Thränen.

[O süßes Roth der Lippen, hold getheilet]

[209]
O süßes Roth der Lippen, hold getheilet,
Ein liebend Paar, in ungetrennten Küssen,
Du Blumenlager, wo die Sorgen müssen
Im Spiel mit Liebesgöttern fliehn geheilet.
Wie über diesen Flammenweg hineilet
Der goldne Ton, geläutert von den süßen,
Sie küssend, und geküßt, um abzubüßen
Daß er entflieht, nicht auf den Rosen weilet!
Wenn Töne über diese Straße fliegen
Sind sie noch süßer als die Nachtigallen,
Sie wehen Blumenduft und Frühlingsklänge:
Darf sich mein Mund an ihre Röthe schmiegen,
So saug' ich trunken Frühling, Düfte, allen
Klang und den Geist der himmlischen Gesänge.

[Schön bist du, doch nicht rührte mich die Schöne]

[210]
Schön bist du, doch nicht rührte mich die Schöne,
Nicht konnte mich der Augen Licht besiegen,
Und nicht der Händ' und Arm' holdseelges Schmiegen,
Nicht drang zum Herzen die Gewalt der Töne:
Wohl fühlt' ich wie sich rings die Welt verschöne
Von deinem Glanz, es müßte jeglich Kriegen
Mir im versöhnten Herzen stille liegen,
Daß sich der Friedensgeist mit mir versöhne.
Nicht war ich mein und auch noch nicht der Deine,
Es kamen, gingen räthselvolle Stunden,
Da schaltst du, Alma, meines Herzens Säumniß,
Ein Licht flog aus der Augen hellem Scheine,
Da hatt' ich dich Schönheit und Lieb' empfunden
Im süßesten unnennbarsten Geheimniß.

[Wann sich der Frühling zu der Erde neige]

[211]
Wann sich der Frühling zu der Erde neiget,
Ein grünes Lager stellt er sich zurechte,
Durchschlummert hold die hellen warmen Nächte,
Sein Traum in Blüthe, Farb' und Duft aufsteiget;
Manch Waldgesang zum Schlaflied schallt, es zeiget
Nachtgall sich gegen Nachtgall im Gefechte,
Es quillt der Blumen liebliches Geschlechte
Wie sich der Busen schlafend hebt und neiget:
So schläft die Liebe in noch schönerm Bette,
Alma, in dir, sie regt die zarten Brüste,
Sie träumt in Worten und in lichten Blicken;
Als ich den Traum von deinen Lippen küßte,
Band mich an's Lager eine goldne Kette,
Ein jeder Ring Sehnsucht, Schmerz, Lust, Entzücken.

[Wunder erregen sich mir im Gemüthe]

[212]
Wunder erregen sich mir im Gemüthe,
Das Herz blüht auf licht in Gesangesfülle,
Ein innig Sehnen schwebt in sanfter Stille,
Denken, Gefühl, Ahndung in süßer Blüthe.
Die Blumen schaun mich an mit linder Güte,
Der Strom rauscht, Baumesgrün spricht wie es quille,
Die Sternwelt winkt aus dunkelblauer Hülle:
»Verkünde uns, dies ewge Feuer hüthe!«
Soll ich von euch, ihr Kinder, hellen Lichter,
Luft, Wasser, was ihr mir vertrautet, sprechen?
Ruft ihr unmündge Waisen mich zum Dichter?
So muß ich denn mein Schweigen endlich brechen,
Liebe nur ist was in euch schwebt, blüht, zündet,
Und Liebe sey von meinem Mund verkündet.

[Alma, dein Nahme tön' in fernen Zeiten]

[213]
Alma, dein Nahme tön' in fernen Zeiten
Von süßen Lippen, Herzen soll er rühren,
Wenn künftge Dichter ihre Sprüche zieren
Nennen sie dich zum Schluß der Seltenheiten.
Du willst, Holdseelge, ferner süß mich leiten,
Mit mir der Dichtkunst Flügelroß regieren,
Begeistert es durch Wunderland' zu führen,
Und Lieder fliegen fort in helle Weiten.
Vieles vergeht, nicht was ich dann will singen,
Was mir in's Herz die Liebe selbst geschrieben,
Und was austönen goldbeschwingte Reime.
Empfinden Liebende die spielnden Träume,
Sie fragen: wer hat so gefühlt das Lieben?
So wird mit deinem auch mein Nahme klingen.

[Holdseelger Ueberschwang von Leid und Freuden]

[214]
Holdseelger Ueberschwang von Leid und Freuden,
Als Abendlüfte in den Buchen wühlten,
Sehnsucht und Lust in grünen Blättern kühlten!
O Lust und Leid, wollt ihr nie von mir scheiden?
In Dunkel will sich Wald und Fels schon kleiden,
Wie unter mir geschwätzge Wogen spielten,
Indeß zum Herzen süße Stimmen zielten,
Die Stern erglühten. – »Ach, was soll ich leiden?«
Seufzt' ich. Ein Wetter zog mit ernstem Schweigen
Herbei, als Wald, Fels, Wogen aus den Thalen
Die heilgen Lieder seelig widerklangen,
Leid, Friede, Sehnsucht, Frühling in mir schwangen
Ahndend ihr künftges Leben, Sturm und Quaalen;
Schon unbewußt dir und der Liebe eigen.

[Dein harrend, sinnend, ganz von Liebe-Denken]

[215]
Dein harrend, sinnend, ganz von Liebe-Denken
Umringt, von Schmerzen, die mich hold umspielen,
Muß ich dein Fernsein mir recht nahe fühlen,
Aus Baum und Blüthe steigen sie und senken
Sich in mein Herz, mit Thränen lächelnd schenken
Sie Kinderblicke, alle Strahlen zielen
Nach meinen Herzens-Augen; lieblich kühlen
In Thränen möchte sich dies Angedenken.
So bin ich doch, Alma, an deiner Seite,
Dir lacht Grün, Himmelblau, des Sees Glänzen,
Aus duftger Luft spricht Lieb', aus Waldgefieder;
Vernimmt dein Ohr die süßen Liebeslieder,
Siehst du winken nach mir in Blumenkränzen
Die Liebe, wird ein Nahsein jede Weite.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Sonette aus »Alma«. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5472-E