[28] Schäferfeste

[29][31]

Pantomime

Pierrot, der so ungleich Clitander,
Langt zu und vertilgt nacheinander
Ohne Zaudern Pastete und Wein.
Cassander seh' ich dort stehen,
Eine Träne im Grund der Alleen
Dem enterbten Neffen zu weihn.
Zur Entführung von Colombine
Macht der Schelm von Harlekin Miene,
Der sein Rad hier viermal schlägt.
Colombine staunt, dass im Winde
Ein Herz sie träumend empfinde,
Und ihr Herz ein Flüstern bewegt.

[31] Mondschein

Wie eine seltne Gegend ist dein Herz,
Wo Masken, die mit Bergamasken schreiten,
Zum Tanze spielen voll geheimem Schmerz
Im Truggewand, mit dem sie bunt sich kleiden.
Obgleich in weichem Ton sie singen, wie
Der Liebe Sieg dem Lebensglück sich eine,
So glauben doch nicht an die Freude sie,
Und ihr Gesang fliesst hin im Mondenscheine.
Im kalten Mondenschein, des trübe Pracht
Die Vögel träumen lässt auf ihren Zweigen,
Und der die Wasserstrahlen weinen macht,
Die schlank aus weissen Marmorschalen steigen.

[32] Auf dem Rasen

Der Abbé schwärmt. – Und Euch Marquis
Sitzt die Perücke der Quere.
Wenn der Cyperwein so leuchtend wie
Euer Nacken, Camargo, wäre!
– Meine Holde! – Do, mi, sol, la, si.
– O Abbé! Du schwarze Seele!
Dass mich, meine Schönen, – wenn ich für Sie
Keinen Stern vom Himmel stehle!
Ein kleines Hündlein wär' ich gern!
Umarmt und küsst um die Wette
Die Schäferinnen. – Wie, meine Herrn?
Do, mi, sol – He Mond! Geh' zu Bette!

[33] Cythere

Ein Gartenhaus in stiller Sonne
Birgt sanft und zärtlich unsre Wonne,
Umweht von lieber Rosen Luft.
Der Rosen Atem süss und linde
Mischt sich im leichten Sommerwinde
Mit ihres Haares holdem Duft.
Ihr Blick war ihrer Kühnheit Pfand,
Es gab mir ihrer Lippen Blüte
Ein Fieber, das betörend glühte.
Da Liebe nicht den Hunger bannt,
So muß Sorbet mit süssen Dingen
Erquickung uns, den Müden, bringen.

[34] Im Kahn

Zitternd wie durch feuchte Schleier
Schwimmt der Abendstern im Weiher,
Und der Fischer zündet Feuer.
Heute oder nie ist's Zeit,
Dass Ihr Herrn verwegen seid,
Lustig wag' ich jeden Streit.
Auf der Laute klimpert Lieder
Athis und blickt glühend nieder
Zu der spröden Chloris Mieder.
Eglé beichtet dem Abbé
Allzugern ihr Liebesweh,
Und der Graf ist toll wie je.
Mondlicht blinkt schon in den Räumen,
Und der Kahn streicht ohne Säumen
Durch der Wasser stilles Träumen.

[35] In der Stille

In Waldes Dämmerschein
Lass unter Zweig und Strauch
Uns tief durchdrungen sein
Von dieses Schweigens Hauch.
Dass unsrer Herzen Drang
Hinschmilzt und zärtlich schweigt
Im Duft, der sehnsuchtsbang
Von Busch und Fichte steigt.
Schliess' deine Augen du,
Die Händ' kreuz' auf der Brust,
Aus deines Herzens Ruh
Vertreibe Leid und Lust.
Die Seelen neigen wir
Dem Weh'n, das lind sich regt
Und sanft zu Füssen dir
Das braune Gras bewegt.
Und wenn der Abend kam
Und schwarz von Bäumen sinkt
Leiht Stimme unserm Gram
Die Nachtigall – und singt.

[36] An Clymene

Geheime Gondelsänge,
Wortlose Liederklänge,
Weil mir dein Auge nur
Licht wie Azur.
Weil deiner Stimme Milde
Gleich wie ein fremd Gebilde
Verstörend mir gebannt
Sinn und Verstand.
Weil deine holden Glieder
Blass wie des Schwans Gefieder,
Dein Atem, der ein Hauch
Vom Blütenstrauch.
Ach! Weil dein ganzes Wesen,
Das mir Musik gewesen
Aus eines Engels Gruft,
Wohlklang und Duft,
Mit seligem Verlangen
Sanft schwebend mir umfangen
Mein Herz in zartem Schein,
Soll's also sein.

[37] Wehmütiges Zwiegespräch

Im alten Park, der einsam und verschneit,
Sah ich zwei Schatten gehn in Dunkelheit.
Tot ist ihr Aug', von welken Lippen beben
Die leisen Worte, die in Nacht entschweben:
Der alte Park ist einsam und verschneit,
Zwei Schatten wecken die Vergangenheit.
– Gedenkst du noch der Wonne einst'ger Liebe?
– Wie willst du, dass mir die Erinn'rung bliebe?
– Schlägt immer noch dein Herz für mich allein?
Kommt meine Seel' im Traume zu dir? – Nein.
– O sel'ges Glück in jenen hellen Tagen,
Da Mund auf Mund geruht! – Wer kann es sagen?
Blau war der Himmel, gross der Hoffnung Macht!
– Die Hoffnung floh besiegt in schwarze Nacht.
So schritten sie durchs Gras den Pfad, den schlimmen,
Und nur die Nacht erlauschte ihre Stimmen.

[38] Mandoline

Sie, die klimpern auf den Saiten,
Und die Schönen, welche lauschen,
Tauschen matte Höflichkeiten,
Wo die grünen Zweige rauschen.
Tircis und Aminte sind es,
Auch Clitander darf nicht fehlen.
Damis, um manch spröden Kindes
Herz mit zartem Reim zu stehlen.
Ihrer langen Schleppen Seide,
Ihre Westen, ihre glatten,
Ihre Feinheit, ihre Freude,
Ihre weichen, blauen Schatten
Wirbeln, wo der Mond verdüstert
Ros'ger bald erscheint, bald grauer,
Und die Mandoline flüstert
In des Abendwindes Schauer.

[39] Der Faun

Dreist lacht in grünem Parkesgrunde
Ein Satyr aus gebranntem Ton,
Für künftig uns mit schlimmer Kunde
Nach jenem heitern Tag zu drohn,
Der mich geführt mit dir im Bunde
Bis heut, da leichten Fluges schon
Uns trüben Pilgern diese Stunde
Beim Klang des Tamburins entflohn.

Notes
Aus »Fêtes Galantes«, entstanden 1866–1868, Erstdruck der Sammlung: Paris (A. Lemerre) 1869. Hier in der Übers. v. Wolf v. Kalckreuth.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Verlaine, Paul-Marie. Schäferfeste. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-7425-7