[118] Verschiedenes

[119][121]

Casta Piana

Dein schwarzes, rotdurchflimmertes Haar,
Dein kaltes und süsses Augenpaar,
Deine Schönheit, die eigentlich keine,
Deine Brüste, geformt vom Teufel, o du!
Und deine feine Blässe dazu,
Gestohlen dem Mondenscheine,
Sie halten gefangen mich Nacht und Tag,
Du heilige Jungfrau vom Dachverschlag,
Die mit nicht geweihten Kerzen,
Mit heidnischen Aves man ehren muss,
Mit Gebeten dazu nach dem Angelus,
Das uns ruft zu unheiligen Scherzen.
Man riecht den Scheiterhaufen dir an,
Einen Lumpen machst du aus einem Mann,
Einen Schemen, durch deine Süsse,
In der Zeit, wo ein Ja man stammeln mag,
In der Zeit für ein lockendes: Guten Tag,
In der Zeit dir zu küssen die Füsse.
[121]
Deine Dachkammer ist ein Schreckensort,
Stets bist du auf deinem Lager dort
Und stellst manchem Schelm eine Falle,
Und wenn die Liebenden weitergehn
Mit all' deinen Sakramenten versehn,
Dann lachst du über sie alle.
Recht hast du, doch liebst du sicherlich
Mehr als die Alten und Jungen mich,
Die dich nicht traktieren können ....
Mich, der ich in deinen Künsten gewandt,
Mich, der genügend mit dir bekannt,
Um dir jede Feier zu gönnen.
Drum diese Falte fort geschwind,
Und maule nicht mehr länger, Kind!
Lass all deinen Balsam mich trinken,
Ja, lass versüsst, gesalzt und gewürzt,
Versüsst, gepfeffert und unverkürzt,
Deinen heiligen Balsam mich trinken.

[122] Monde

Ich will, o trübe Zeit, die mich zerstört im Innern,
Mich an die blauen Tage reiner Lieb' erinnern,
Einwiegend meine Schmach und meine bittre Lust
Im Kuss auf ihre Hand, nicht auf der andern Brust!
Und ich, Tiberius gleich, in diesen finstern Stunden,
Ob ich nun Freude oder ob ich Schmerz empfunden,
Will ruhn und denken, fern vom Glück, das schlecht uns lohnt,
Der blassen Mädchen, deren Ehre wir geschont,
Wenn auf dem Rasenplatz nach Tanz und frohen Tagen
Im weissen Mondenschein die Kirchuhr zwölf geschlagen.

[123] In der Art von Paul Verlaine

Der Mondschein hat mir gegeben
Die Maske vom nächt'gen Saturne,
Der schweigend neigt seine Urne,
Den blass seine Monde umschweben.
Ohne Worte zittert ein Sang
Mit duftgem, verstimmtem Akkord
In dem müden Herzen fort,
O welch trüber, fröstelnder Klang!
Ihr alle habt gütig verziehen,
Wenn einer euch Wunden geschlagen,
Wie ich den vergangenen Tagen,
Die den Putz ferner Jugend geliehen.
So vergeb ich dem leisen Trug,
Weil ein wenig Lust er gebracht,
Wann ein eitler Wunsch mir gelacht,
Verworren und schmerzlich genug.

[124] Die Toten, die..

Die Toten, die im Grab wir bluten lassen,
Die rächen sich.
Wen sie mit schattenhaften Händen fassen,
Der jammert mich.
O besser ist's, das Leben nie durchwandern,
Ja selbst ein qualvoll Sterben nach dem andern,
So lange ist die Zeit, ihr Schlag so fürchterlich.
Die Menschen, die wir weinen machen, rächen
Sich manches Mal,
Und weh dem Schuld'gen, dessen Herz sie brechen
In Todesqual.
O besser mit dem grimmen Bären ringen,
O besser hundertmal die hanfnen Schlingen,
Das Federbett Othellos hundertmal.
Verfolger, fürchte den Vampir im Herzen,
Der dich verdammt.
Am Tag des Zorns krönt alle deine Schmerzen
Sein Rächeramt.
Halt auf den grossen Tag den Blick gerichtet,
Der wie ein Mord den Mörder einst vernichtet,
Dem Dieb gleich, auf den Diebstahl niederflammt!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Verlaine, Paul-Marie. Verschiedenes. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-7499-5