Die einundfunfzigste Fabel.
Vom Vatter und seinen Sönen.

Also ein vatter het vil kind,
Wie man dasselb noch teglich findt,
Die waren uneins mit einander,
Es wolt auch keiner wie der ander.
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Der vatter sich hie lang bedacht,
Wie er die sön eintrechtig macht,
Und legt in für ein henfen strick,
Ungeferlich eins fingers dick,
Sprach: »Wer von euch der sterkest sei,
Der ziehe mir disen strick entzwei.«
Ir keiner kunt den strick verbösen.
Der vatter tet in auflösen
Und gab eim jeden son ein faden;
Den zohens bald entzwei on schaden.
Da sprach der vatter: »Lieben kind,
Wie sichs mit disem strick jetzt findt,
So gets mit einigkeit auch zu:
Drumb wöllet freundlich leben nu.
Wenn ir halt fried und einigkeit,
So schad euch niemands haß noch neid.
Sobald die einigkeit zertrennt,
Get zu drümmern eur regiment:
Denn wird eur unglück recht gemert,
Wie tegliche erfarnheit lert.«
Groß bürgerlicher nutz und frommen
Tut aus der einigkeit herkommen:
Zwitracht zerrüttet und zerbricht,
Was große müe hat aufgericht.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. 51. Vom Vatter und seinen Sönen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9134-8